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Feminismus: Gott liebt schwache Männer

Feminismus wird gemeinhin als männerfeindlich angesehen. Dass Männer ganz im Gegenteil von der Frauenrechtsbewegung profitieren können, davon ist Nathanael Ullmann überzeugt.

Dass ich kein Mann wie jeder andere bin, diese Erfahrung durfte ich schon sehr früh in meinem Leben machen. Bereits beim Spielen auf dem Pausenhof habe ich mich lieber den Mädchengruppen angeschlossen, als mich mit den anderen Jungs zu raufen. Was sollte ich mich im männlichen Wettstreit üben, wenn ich in der gleichen Zeit auch anregende Gespräche haben konnte? Diese „zarte“ Linie zieht sich durch mein gesamtes bisheriges Leben.

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Statt mich wie die hartgesottenen Buben auf dem Fußballplatz zu tummeln, bin ich lieber in den Turnverein gegangen. Mehr noch: Bis heute habe ich eine panische Angst vor schnell fliegenden Bällen. Da habe ich mich lieber in die Ringe oder aufs Reck geschwungen. Den Vorwurf „Das ist doch nur was für Mädchen!“ musste ich mir dafür mehr als einmal anhören. Da half es auch nichts, lang und breit zu erklären, dass die Turngeräte der Männer ganz andere sind als die der Frauen.

„Bis heute stoße ich immer wieder auf Situationen, in denen ich dem bestehenden Ideal des Mannes nicht gerecht werde.“

Es lohnt kaum die Erwähnung, dass ich auch bei den Pfadfindern das Herummatschen im Wald nicht sonderlich attraktiv fand. Viel lieber war ich der, der einsam am Lagerfeuer saß und über Gott und die Welt philosophierte. Es hat eine gefühlte Ewigkeit gebraucht, bis ich gelernt habe, zu akzeptieren, dass ich nicht der muskelbepackte, bärtige Hulk bin, den sich die meisten unter dem Begriff „Mann“ vorstellen. Und bis heute stoße ich immer wieder auf Situationen, in denen ich dem bestehenden Ideal des Mannes nicht gerecht werde – und darunter stark leide.

Ein aktuelles Beispiel: Meine Verlobte arbeitet im Öffentlichen Dienst – und verdient dementsprechend deutlich mehr als ich. Für sie stellt das gar kein Problem dar, wohl aber für mich. Schließlich sollte doch ich als Mann derjenige sein, der das Geld nach Hause bringt. Ich sollte doch derjenige sein, der später eine Familie zu ernähren weiß. Dass ich mir diesen Wunsch mit meiner Berufswahl abschminken kann, damit hadere ich nach wie vor.

Eine Revolution für Weicheier

Was hat das alles nun mit Feminismus zu tun? Ganz einfach: Für Waschlappen wie mich stellt der Feminismus eine unglaubliche Chance dar. Die feministische Bewegung wird gemeinhin von Männern eher mit kritischem Auge begutachtet. Für viele sieht es so aus, als wollten die emanzipierten Frauen der Männerwelt etwas wegnehmen. Hier fordert die moderne Frau mehr Platz in der Führungsriege, dort das Recht, auch mal Nein zu sagen. Bei alledem, so scheint es, ist der Herr der Schöpfung der Buhmann.

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Von meiner Warte aus gestaltet sich die Diskussion in der Tiefe ein wenig anders. Ja, Frauen wollen öfter auch Führungspositionen übernehmen. Gleichzeitig bedeutet das für den Mann aber auch, die Freiheit zu haben, nicht immer an die Spitze streben zu müssen. Ja, Frauen wollen auch mal von der Verantwortung für das Kind entbunden werden und arbeiten gehen. Gleichzeitig bedeutet das für den Mann aber auch die Freiheit, selbst zum Hausmann werden zu können und sich bei Bedarf um das Kind kümmern zu dürfen. Ja, Frauen wollen auch ihre Stärken in der Gesellschaft repräsentiert sehen. Gleichzeitig bedeutet das für den Mann aber auch, mal Schwäche zeigen zu dürfen.

„Dass mir Modeläden und Theatervorstellungen deutlich mehr liegen als Baumärkte und Fußballmeisterschaften, heißt eben nicht, dass ich weniger wert beziehungsweise weniger Mann bin.“

Die bestehende Schräglage wird durch den Feminismus aufgebrochen. Statt das schwarz-weiße Bild vom „starken Mann“ und der „schwachen Frau“ zu zeichnen, nuanciert die Bewegung deutlich mehr in Graustufen. Es gibt eben auch die Karrierefrauen, die sehr wohl etwas von Führung verstehen. Und ebenso gibt es auch die Männer, die von Karriere eigentlich nichts wissen wollen. Für uns Männer, die vom Stereotyp so weit entfernt sind wie Heidi Klum von Fettleibigkeit, bedeutet das eine unglaubliche Befreiung.

Dass mir Modeläden und Theatervorstellungen deutlich mehr liegen als Baumärkte und Fußballmeisterschaften, heißt eben nicht, dass ich weniger wert beziehungsweise weniger Mann bin. Natürlich, das sollte auf der Hand liegen. Tut es aber faktisch nicht. Als Kind wurde mir mehr als einmal gepredigt, dass „Männer nicht weinen“. Glücklicherweise haben sich dieser Formulierung nie meine Eltern bedient, wohl aber andere Erwachsene in meinem damaligen Umfeld. Im Umkehrschluss hieß das für mich: „Und wenn du doch weinst, bist du kein Mann.“ Wer im Netz nach dem Begriff „Männerabend“ sucht, wird zuhauf Fotos von Herren der Schöpfung mit Biergläsern in der Hand finden. Diejenigen, die den als weiblich konnotierten Sekt bevorzugen, sucht man vergeblich. Auch hier ist die Botschaft: Echte Männer trinken Bier. Und im Umkehrschluss: Trinkst du keines, bist du keiner.

Eben diese Stereotype bricht der Feminismus auf. In erster Linie natürlich, um die Frau aus ihrer Stellung als Aushilfe des großen Mannes und Sexobjekt zu befreien. Im Umkehrschluss aber auch für uns Männer, die ebenso in eine Position gedrängt werden, die nicht zwingend zu uns passt.

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Gott liebt Schwächlinge

Heißt das nun, ich möchte die alte Ordnung von Mann und Frau aufbrechen? Mitnichten. Ich bin überzeugt davon, dass Mann und Frau in vielen Fällen sinnvolle Kategorien unseres Zusammenlebens sind. Ebenso bin ich der Überzeugung, dass es eine Vielzahl von Männern gibt, die Freude an Fußballspielen und Bier haben (ob diese Vorliebe nun gesellschaftlich oder genetisch bedingt ist, das wäre nun ein anderes Thema). Aber ich bin eben auch überzeugt davon, dass es vollwertige Frauen und Männer gibt, die aus den Klischees herausfallen – mal mehr, mal weniger. Und ich glaube auch fest daran, dass das keine Wertminderung bedeutet.

Aus christlicher Perspektive bedeutet dieses Aufbrechen der Klischees nicht, die Ordnung Gottes herabzuwürdigen. Im Gegenteil: Ich traue meinem Gott eben zu, nicht nur schwarz und weiß zeichnen zu können, sondern auch auf Grautöne zurückzugreifen. Und ich persönlich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen: Ich denke, Gott liebt uns „schwache“ Männer extrem.

„Ich bin mir ziemlich sicher: David war nach heutigen Rollenbildern eigentlich ein echter Waschlappen.“

König David ist ohne Frage eine der Personen, die Gott im Alten Testament am nächsten stehen. Und klar, als Goliath-Besieger (1. Samuel 17) macht der junge Israelit auch eine echt männliche Figur. Aber auf den zweiten Blick ist das Bild gar nicht mehr so klar: Einen Harfenspieler (1. Samuel 16,14-23) würde heute mit Sicherheit keiner mehr als prototypisch männlich bezeichnen. Auch der geistreiche Psalmist lässt sich nur schwer mit dem kämpferischen Bild des Mannes vereinen. Und der David, der halbnackt vor der Bundeslade her tanzt (2. Samuel 6,14), hat mit dem Stereotyp „Mann“ nun am allerwenigsten zu tun. Ich bin mir ziemlich sicher: David war nach heutigen Rollenbildern eigentlich ein echter Waschlappen. Und trotz allem – oder gerade deshalb – wurde er von Gott unglaublich geliebt.

Die Bibel steckt voll von den unterschiedlichsten Männerbildern: mal starke, wie der kraftstrotzende Samson (Richter 16,27-30), mal schwache, wie der stotternde Mose (2. Mose 4,10). Und gerade in ihrer Unterschiedlichkeit konnte Gott sie gebrauchen. Der Feminismus kann dabei helfen, den Mann in seiner Vielfalt wieder neu lieben zu lernen. Er hilft, zu verstehen: Gott liebt nicht ausschließlich die Männer, die laut trompeten, sondern auch die Triangeln der Gesellschaft.

Nathanael Ullmann (27) ist Volontär bei MOVO und der Online-Redaktion des Bundes-Verlags (jesus.de). Lange Zeit konnte er mit dem Thema Feminismus gar nichts anfangen. Das Studium der Germanistik und Theaterwissenschaft und lange Diskussionen mit Freunden haben seine Meinung geändert.


MOVO Cover 3/19Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift MOVO erschienen, die wie Jesus.de zum SCM Bundes-Verlag gehört.

 

 

 

 

 

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