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Jona Luther: „Hier stehe ich, und ich bin anders“

„Bei uns predigt Luther“ verkündet die Heilig-Geist-Kirche in Bergisch Gladbach stolz. Und tatsächlich: Sonntags steht ein „echter Luther“ auf der Kanzel. Jona Luther, Nachfahre von Jacob Luther (1490-1571), dem einzigen Bruder des Reformators. Der besondere Name sei für Jona Luther allerdings nicht wegweisend: „Hätte ich mich in meiner ‚Suchphase‘ als junger Erwachsener beim Buddhismus zu Hause gefühlt, wäre das dann mein Weg gewesen – Luther hin oder her.“ Unsere Fragen, die wir bereits Martin Luthers Nachfahrin Astrid Eichler gestellt haben, hat er so ganz anders beantwortet …

Fühlen Sie sich Luther durch Ihren familiären Bezug „näher“?

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Nein, dass Martin Luther mein Urur….uronkel ist bringt ihn mir nicht näher. Überhaupt bin ich sicher, dass wir uns heute in die Menschen zu Luthers Zeit nur sehr schwer hineinversetzen können. Der familiäre Bezug alleine bringt deshalb keine Nähe, kein Verständnis für Luther. Jeder, der sich umfassend mit Luther beschäftigt, kommt ihm näher – ob er selbst den Namen Luther trägt oder nicht. Mit umfassend meine ich nicht nur Luther und seine Theologie, sondern auch die damalige Umwelt. Ich muss die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Zustände damals betrachten und natürlich auch die Position und das Verhalten der Kirche. Wenn ich so nicht herangehe, dann bleiben einem Luther und was ihn angetrieben hat fremd. Und ich kann dann auch nicht verstehen wie Luthers Worte damals so eine Wirkung haben konnten. Wer sich Luther so nähert, wer mehr als den Bibelübersetzer, den Schöpfer der deutschen Sprache oder den standhaften Mönch erfahren will, der wird neben Nähe auch manches Fremde an Luther entdecken, das wir heute so nicht teilen können.

Stammen Sie gern aus der Familie Luther? Nervt es manchmal?

Im Alltag geht es mir so wie vielen Menschen mit berühmten oder besonderen Namen: Es kommen oft die gleichen Fragen, wenn ich meinen Namen nenne: „Sind Sie auch verwandt mit Martin Luther?“ Und meine Standardantwort: „Ja, ich bin ein Nachkomme seines Bruders Jacob.“ Und dann kommt meist die Antwort: „Interessant – ist ja toll, wenn man seine Ahnenreihe so weit zurückverfolgen kann.“ Dann ist üblicherweise Schluss mit dem Thema. Nerven tut das nicht, dieses Ritual gehört schon zu mir wie meine Brille. In seltenen Fällen wird das Thema Martin Luther und Glauben weiter vertieft, und es können sich interessante und persönliche Gespräche ergeben. Das ist aber wirklich die Ausnahme. Ob ich gerne aus der Familie Luther stamme? Es stört mich nicht, ich freue mich aber auch nicht darüber. Wegen meines Stammbaums wird mir im Leben nichts geschenkt. Auf diese Verwandtschaft mit Luther kann ich auch nicht stolz sein, sondern nur auf das was ich selbst im Leben erreicht habe.

Bringt es eine bestimmte Verantwortung mit sich, den Namen Luther zu tragen?

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Spaßeshalber antworte ich hier mit einem abgewandelten – nicht verbrieftem – Lutherwort: „Hier stehe ich, und ich bin anders“. Will sagen, ich bin verantwortlich für meinen eigenen Lebensweg, für das was ich tue oder lasse. Unabhängig von meiner Ahnenreihe. Und was Glauben betrifft sehe ich auch keine Verpflichtung oder Verantwortung durch die Verwandtschaft mit Luther. Hätte ich mich in meiner „Suchphase“ als junger Erwachsener beim Buddhismus zu Hause gefühlt, wäre das dann mein Weg gewesen – Luther hin oder her. Oder mit einem anderen Bild: Wenn meine Familie seit Generationen eine Metzgerei betreibt hab ich trotzdem das Recht Vegetarier zu sein wenn das mein Weg ist …

Nach einigen Jahren Abstand von der Kirche kam ich wieder zurück. Grund war meine koreanische Frau, die ich im Alter von 30 Jahren kennenlernte und heiratete. Sie nahm mich jeden Sonntag mit in ihre koreanische Gemeinde, und bald waren wir dort wie auch in unserer örtlichen evangelischen Gemeinde aktive Mitglieder.

Haben Sie sich schon mal mit Luther verglichen – seinen Eigenschaften und Positionen?

Das bleibt nicht aus, wenn ich mich mit Luther auseinandersetze. Und erstmal ist das ernüchternd für mich. Im Vergleich mit Martin Luther bin ich ein kleines Lichtlein. Als erstes ist sein Mut zu nennen: Er hat auf dem Reichstag in Worms den großen Mächten der Zeit, also Kaiser und Kirche, die Stirn geboten! Wohl wissend, dass es ihn das Leben kosten könnte. Die Kirche hat damals bei Ketzern nicht lange gefackelt und schnell den Scheiterhaufen angesteckt. Und ich? Würde ich für meine Glaubensüberzeugung mein Leben riskieren? So eine Frage kann man nicht wirklich theoretisch beantworten. Aber ich vermute, ich würde viele Gründe finden, warum ich mich so einer Gefahr nicht aussetzen sollte.

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Was hatte der Mann für eine Schaffenskraft! Das neue Testament in grob drei Monate übersetzen, unzählige Schriften verfassen, Kirchenlieder schreiben, das Alte Testament auch noch übersetzen. Und das alles ohne PC, Textverarbeitung und Google-Übersetzer! Was mühe ich mich da allein mit einer Predigt von etwa 12 Minuten Dauer! Den Vergleich verliere ich haushoch …

Was mich im Vergleich tröstet ist die unschöne Kehrseite seiner Standhaftigkeit. Luther war von seiner Theologie so überzeugt, dass er abweichende Meinungen auch von Mitreformatoren nicht tolerierte und manchmal nicht anders als die römische Kirche seinen Einfluss nutzte, um Andersgläubigen zu schaden. Wir heute leben in einer Welt, die auch in Glaubensfragen vieles gleich-gültig sein lässt, die Aufklärung mit dem „Jeder soll nach seiner Façon selig werden“ kam erst 200 Jahre nach Luther. Und an dieser Stelle würde ich auch mit ihm aneinandergeraten: Diesen Absolutheitsanspruch für meine Glaubensüberzeugung würde ich so nie leben können. Dafür bietet das „sola scriptura“ (allein die Schrift gilt) von Luther nicht die Basis, gerade wenn man die vielen verschiedenen Auslegungen der Schrift bedenkt.

Danke für das Gespräch.
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Die Fragen stellte Laura Schönwies

 

Hier geht es zum Interview mit Luther-Nachfahrin Astrid Eichler.

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