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Gastkommentar: Halle – Was in mir nachhallt

Der Anschlag von Halle hat viele entsetzt. Die Behörden gehen von einem rechtsextremistischen Hintergrund aus. Neben Juden soll der vermeintliche Täter im Internet auch Muslime und Linke als Ziele genannt haben. Unsere Gastkommentatorin Veronika Smoor ist wütend, warnt vor der Verharmlosung rechter Parolen und fragt sich, ob die Hasserfüllten „selbst nie gute Worte über sich und das Leben gehört haben“.

Rückblende.

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Hitler hat ja auch Gutes getan. Die Autobahnen zum Beispiel.

Ich stehe mit meinen Freundinnen im Schulbus (freie Sitzplätze gibt es NIE). Wir sind in der 7. Klasse. Nein, diesen Satz sagt kein glatzköpfiger, Springerstiefeltragender, bomberbejackter Teeniehooligan. Sondern meine Freundin. Thesen hat sie aufgeschnappt, wo auch immer, und plappert sie nun munter nach. Erst vorgestern hatten wir im Geschichtsunterricht das Videomaterial von der Befreiung des KZ Bergen-Belsen gesehen und ich fühle mich seitdem bis in meine Grundfesten erschüttert. Und nun dieser Satz. Das ist, als würde man Donald Trump als einen fortschrittlichen Frauenfreund loben, weil er bereits mit der dritten Frau verheiratet ist.

So ist das mit der braunen Kacke. Sie kommt harmlos daher. In Schulbussen. An Familientischen. In deiner Stammkneipe. Man schaut darüber hinweg. Schweigt, weil es sich doch nur um dummes Stammtischgerede handelt. Harmlose alte Sprüche, die doch nicht wehtun. Die man mit einem schiefen Lächeln wegwinkt. „Die meinen das nicht wirklich so.“

„Alles fängt mit Sprache an“

Aber alles fängt mit Sprache an. Und entlädt sich mit Molotowcocktails an einer Synagogentür in Halle. Und in Gewehrsalven in Christchurcher Moscheen. Und auf einer norwegischen Insel in einem Blutbad.

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Ich habe heute morgen so viel Wut in mir. Wut auf die, die diesen Wahnsinnigen den Weg ebnen. Die Wegbereiter mit ihrer perfiden Sprache, die ausgrenzt und verhöhnt und verharmlost. Wegbereiter, die anderen die Erlaubnis erteilen, ihre vermeintliche Überlegenheit in Rasse, Religion und Kultur nun ungeniert nach außen zu brüllen und zu bomben.

Sie sind Brandbeschleuniger: Alle, die schweigen bei Stammtischgerede. Alle, die Parteien des rechten Spektrums unterstützen. Ja, auch die AfD gehört dazu. Gerade sie sind Meister darin, den Faschismus ganz subtil salonfähig zu machen. Sie wagen sich immer kurz über Grenzen und ziehen sich dann sofort wieder zurück. Aber die Worte, nein, die können sie nicht mehr zurücknehmen. Sie setzen sich fest wie Krebsgeschwüre, sie fallen wie giftiges Saatgut in Herzen, die von Bitterkeit und Angst zerfressen sind und vollziehen dort ihr tödliches Werk.

Ihr Christen in der AfD seid Handlanger der Brandbeschleuniger. Ich schäme mich für euch. Merkt ihr nicht, dass euch diese Partei mit euren Lieblingsthemen hofiert, um euch bei der Stange zu halten (Abtreibung, Anti-Islam-Politik, usw.)?

Das Gleiche gilt für globale Brandbeschleuniger wie Donald Trump mit seiner kindischen Polemik. (Ich schäme mich für alle Christen, die ihn unterstützen). Und für alle anderen Autokraten, die die gesellschaftlichen Krebsgeschwüre füttern.

„Jedes Kind muss erfahren, wie es sich anfühlt, ganz gekannt und ganz geliebt zu sein.“

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Es fängt mir Worten an. Und vielleicht haben die, die mit Molotowcocktails um sich werfen und hasserfüllt durch Berlin und Chemnitz marschieren, selbst nie gute Worte über sich und das Leben gehört. Vielleicht fängt es genau da an.

Wir müssen bei den Kindern anfangen. Nicht nur bei unseren eigenen, sondern auch bei denen aus der Nachbarschaft. Vor allem bei jenen, die weniger begünstigt sind als wir. Wir brauchen Programme, um in „problematischen“ Vierteln Kindern und Jugendlichen ein Zuhause zu geben, damit es nicht andere tun. Jedes Kind muss erfahren, wie es sich anfühlt, ganz gekannt und ganz geliebt zu sein. Ich weiß, es ist ein idealistischer, hehrer Anspruch.

Gestern war Jom Kippur. Das Versöhnungsfest. Versöhnung miteinander und mit Gott. Alles, was auf dieser Welt Versöhnung anstrebt, wird immerimmerimmer torpediert werden. Verhöhnung ist lauter und einfacher als Versöhnung. Versöhnung wählt den anstrengenden Weg, die stilleren Worte. (Ich wähle heute keine stillen Worte, aber Unrecht muss laut als Unrecht tituliert werden).

Aber es sind die stillen Worte, die Veränderung und Hoffnung gebären.

Nicht die lauten Kommentarspalten der Facebookseiten bestimmter christlicher Magazine.

Nicht das brüllende Geschwätz von Protestparteien.

Nicht die Angst vor dem Erstarken des Rechtsextremismus.

Es sind heute deine Worte, die Gutes pflanzen können. In deine Kinder. In vernachlässigte Kinder und Jugendliche in deinem Viertel. In Menschen, deren Herz von Bitterkeit und Angst infiziert ist.

Kommentare auf unserer Webseite Jesus.de geben die Meinung des/der jeweiligen Autors/in wieder, nicht zwangsläufig die der gesamten Redaktion.


Dieser Kommentar ist ursprünglich im Blog von Veronika Smoor erschienen. Veronika Smoor ist Buchautorin und Bloggerin – oder auch Idealistin und Gnadensucherin, wie sie selbst schreibt. Sie bloggt über den Glauben, das Frausein und den Alltag.

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