Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, äußert sich wie Kardinal Reinhard Marx im Nachhinein kritisch über den Besuch des Tempelbergs in Jerusalem. „Rückblickend wäre es besser gewesen, den Besuch an diesem Ort zu diesem Zeitpunkt und in dieser Form nicht zu machen“, sagte Bedford-Strohm dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Der EKD-Ratschef und sein katholischer Amtsbruder Marx hatten auf Bitten der muslimischen und jüdischen Autoritäten an den beiden Stätten ihre Amtskreuze abgelegt. Das hatte zu scharfer öffentlicher Kritik geführt.
Die beiden Bischöfe standen an der Spitze einer ökumenischen Delegation vom Rat der EKD und katholischer Deutscher Bischofskonferenz, die im Oktober eine Pilgerfahrt ins Heilige Land zur gemeinsamen Vorbereitung des 500. Reformationsjubiläums im nächsten Jahr unternommen hatten. Dabei besuchten sie den Tempelberg, der unter muslimischer Verwaltung steht, aber auch heilige Stätte für Juden und Christen ist. Im Anschluss waren sie zur Westmauer des Tempelberges, der sogenannten Klagemauer, gegangen, die eine Gebetsstätte der Juden ist.
Tempelberg-Besuch: „Wahl zwischen zwei schlechten Optionen“
„In der damaligen Sondersituation am Sukkotfest auf dem Tempelberg und an der Klagemauer hatten wir angesichts einer plötzlich sehr angespannten Situation leider nur die Wahl zwischen zwei schlechten Alternativen“, sagt Bedford-Strohm knapp zwei Monate nach dem Besuch. Mit dem Tragen des Kreuzes hätte man riskiert, als christliche Bischöfe konfliktverschärfend zu wirken. „Oder wir konnten eben der gut meinenden Bitte unserer Gastgeber nachkommen, ohne Kreuz an die Stätte der jeweiligen Religion zu gehen.“ Beides seien in der unvorhergesehenen Lage schlechte Optionen gewesen, sagte der EKD-Ratschef. Er verwies darauf, dass es ein Jahr zuvor am Tempelberg religiöse Auseinandersetzungen mit Todesopfern gegeben habe.
„Falsche Kritik: Wir verstecken unseren Glauben nicht“
Bedford-Strohm wies Vorwürfe zurück, „wir würden unseren Glauben im Gespräch mit anderen Religionen verstecken“. Er bedauere, dass nach der medialen Debatte dieser Eindruck habe entstehen können. „Das wäre nun wirklich das letzte, was wir tun würden, und wir praktizieren ja jeden Tag das Gegenteil“, sagte er.
Kardinal Marx hatte sich am Sonntag im Fernsehen des Bayerischen Rundfunks ähnlich geäußert. „Das war nicht gut vorbereitet“, räumte der Erzbischof von München und Freising ein. „Man hätte vielleicht darauf verzichten sollen, überhaupt da hin zu gehen.“ Den Vorwurf, die ökumenische Pilgergruppe habe sich unterworfen und das Christentum verraten, empfinde er jedoch als beleidigend, sagte Marx.