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Wunder – gibt es sie noch?

Erleben Sie Wunder? Wenn nein – warum nicht? Fehlt uns tatsächlich diese Erfahrung oder fehlt uns vielleicht nur der Blick für die Wunder Gottes?

Von Andreas Klotz

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Manche Menschen sehnen sich nach einem Wunder und denken dabei an ein ganz bestimmtes Bedürfnis, das gestillt werden soll. Andere verbinden diese Sehnsucht mit keiner konkreten Vorstellung, sondern sie wünschen sich nur irgendeine Machtdemonstration Gottes, die mit ihren Zweifeln aufräumt und die Realität Gottes für alle sichtbar bestätigt.
Es ist für viele nur schwer einzuordnen, dass die Bibel im wahrsten Sinne des Wortes „wundervoll“ ist, während unser Leben arm an Wundern ist. Und nicht wenige Christen fragen sich: Warum erlebe ich heute keine Wunder? Zumindest nicht so viele?

Wunder in der Bibel

Bei einer genaueren Untersuchung der biblischen Berichte stellen wir allerdings fest, dass es in Gottes Geschichte mit den Menschen einerseits immer Zeiten gab, in denen sich außergewöhnlich viele Wunder ereigneten.

“Wenn in der Bibel von Wundern die Rede ist, dann geht es nicht um die Erfüllung von menschlichen Vorstellungen und Wünschen.“

Jedoch gab es ebenso Epochen, in denen nicht besonders viele übernatürliche Phänomene geschahen – obwohl diese Epochen nicht immer von Gottlosigkeit geprägt waren. Die theologischen Erklärungsversuche dafür, warum Gott in manchen Phasen der Geschichte seine Leute mit außerordentlich vielen Wundern beschenkt und dann zeitweise wieder sehr sparsam damit umgeht, fallen unterschiedlich aus. Aber wir können festhalten, dass die Häufigkeit von Wundern auch im Kontext der biblischen Zeitgeschichte unterschiedlich ist und dass wir über das souveräne Handeln Gottes nicht verfügen können.
Wenn in der Bibel von Wundern die Rede ist, dann geht es nicht um die Erfüllung von menschlichen Vorstellungen und Wünschen. In der Bibel handelt es sich bei „Wundern“ um ein übernatürliches Eingreifen Gottes, mit dem er auf sich und seine Wirklichkeit aufmerksam machte. Sie erfüllten damit nicht nur den Zweck, den direkt beteiligten Menschen existentiell zu helfen. Die Wunder machten gleichzeitig auf symbolische Weise anschaulich, was Gott über diese Einzelschicksale hinaus an grundsätzlicher Hilfe für alle Menschen anbietet.

Der Sinn der biblischen Wunder

Auch die in der biblischen Geschichte berichteten und – aus unserer heutigen Bewertung heraus – viel offensichtlicheren Wunder wurden von dem zeitgenössischen Publikum nicht immer anerkannt, sondern oft ignoriert oder angezweifelt. So wurde Mose von Gott befähigt, „Beglaubigungswunder“ zu vollbringen (2. Mose 4,1-9.21): Zum Beispiel wurde Moses Stab zu einer Schlange. Solche Wunder sollten ihn als Bevollmächtigten Gottes bestätigen – vor den eigenen Volksgenossen und vor dem Machthaber Ägyptens. Und die Zauberer des Pharaos mussten trotz ihrer eigenen großen magischen Fähigkeiten bestätigen, dass die Wundertätigkeit von Mose „ein Finger Gottes ist“ (2. Mose 8,15), das heißt eine Art Gottesbeweis. Doch auch wenn die Magier am Pharaonenhof gezwungen waren, die Überlegenheit von Mose einzugestehen, lehnten sie die Erkenntnis ab, dass hinter Mose der allmächtige Gott stand (2. Timotheus 3,8). Ähnliches ist im Umfeld von Jesus zu beobachten.

“Gott vollbringt keine Wunder, um die Neugierde, die Wunschphantasien oder die Sensationsgier von Menschen zu befriedigen, sondern um damit seine viel weitreichendere Absicht unter Beweis zu stellen.“

Jesus hat durch „Gottes Finger“ (Lukas 11,20) Dämonen ausgetrieben und Gelähmte geheilt, um damit auf seine viel bedeutendere Fähigkeit hinzuweisen, dass er Sünden vergeben kann (Lukas 5,24). Doch viele zeitgenössische Beobachter blieben an dem vordergründigen Wunderphänomen hängen, ohne die noch wichtigere Botschaft aufzugreifen, die Gott auf diese Weise in ihr Bewusstsein tragen wollte (vgl. Johannes 20,30-31). So sollte zum Beispiel das Wunder der Brotvermehrung den Menschen zeigen, dass Jesus als „das Brot des Lebens“ ihnen dauerhafte Befriedigung schenken möchte. Die Menschen wünschten sich aber jemanden, der für sie jeden Tag Brot „herbeizaubert“.
Gott vollbringt keine Wunder, um die Neugierde, die Wunschfantasien oder die Sensationsgier von Menschen zu befriedigen, sondern um damit seine viel weitreichendere Absicht unter Beweis zu stellen: Er liebt alle Menschen und will Gemeinschaft mit ihnen.

Was ist ein Wunder?

In der Theologie wird teilweise die Meinung vertreten, dass wir heute nicht mehr so viele außergewöhnliche Wunder erfahren, weil Gott sich uns in der Bibel auf eine sehr umfassende und besondere Art erklärt hat. Dieser Einschätzung schließe ich mich an, kann und möchte damit allerdings keine Wunder ausschließen. Aber wir sollten an der Bibel als dem grundlegenden, wunderhaften und extrem interessanten Zeugnis festhalten, das durch Wunder nicht überboten werden kann. Übernatürliche Erfahrungen können uns nicht mehr Gewissheit und Vertrauen vermitteln, als es Gottes Geist durch die Bibel erreicht.
Mit diesen theologischen Erklärungen möchte ich jedoch nicht unsere Sehnsucht nach Wundern in Schach halten. Ganz im Gegenteil: Wir glauben an einen Gott, der Wunder tut (Psalm 77,15). Und diese Wunder Gottes sind nicht nur Vergangenheit, sie finden auch heute noch statt. Die Frage ist allerdings, ob wir überhaupt damit rechnen und einen Blick dafür haben.

Dafür wäre auch die Frage zu klären, was ein Ereignis zu einem Wunder macht. Normalerweise verstehen wir darunter einen Vorgang, der sich nicht im Rahmen einer natürlichen Beziehung von Ursache und Wirkung erklären lässt und darum alles sprengt, was wir als einleuchtend empfinden. Wir haben es also mit etwas zu tun, was unsere Normalität überschreitet. Aber ist die Normalität, das heißt unsere alltägliche Lebenserfahrung, immer so plausibel? Kann ich alles, was Teil meines Lebens ist und von mir als „selbstverständlich“ betrachtet wird, im Rahmen der menschlichen Logik erklären und einordnen? Sind nicht viele alltägliche Phänomene in Wirklichkeit wunderbar?

Eine Welt volle Wunder

Genauer betrachtet – und genau um diese genauere Betrachtung geht es mir – ist unser Leben ausgefüllt mit Sachverhalten, die sich mit Hilfe des menschlichen Verstandes weder erschöpfend analysieren noch erklären lassen. Ich behaupte, dass nicht nur das für uns Außergewöhnliche, sondern auch das anscheinend Alltägliche ein Wunder darstellt. Nicht nur das, was als plötzliche und umwälzende Veränderung von Gott verwirklicht wird, ist ein Wunder. Auch Entwicklungen, die nach und nach eintreten, auch die unspektakulär wirkenden, aber sehr sensiblen Bewegungen zum Guten können einen übernatürlichen Charakter haben. So stellte der britische Literaturwissenschaftler C. S. Lewis in seinem Buch „Wunder: – möglich – wahrscheinlich – undenkbar?“ fest, dass ein langsames Wunder nicht kleiner ist als ein blitzartiges.

“Ich behaupte, dass nicht nur das für uns Außergewöhnliche, sondern auch das anscheinend Alltägliche ein Wunder darstellt.“

Gilbert Keith Chesterton, der Erfinder der literarischen Figur Pater Brown, schildert in seinem Buch „Orthodoxie – eine Handreichung für die Ungläubigen“ den inneren Denkprozess, der ihn zum christlichen Glauben führte. Immer wieder weist er darauf hin, dass wir Menschen diese Welt nicht bis ins Letzte ergründen können: Unser Leben ist im ursprünglichen Sinne des Wortes „wunderbar“ und steckt voller Mysterien. Deshalb kann man dem Leben eigentlich nur mit einem „elementaren Staunen über das Wunder der Welt“ begegnen. Eines der von Chesterton angeführten Beispiele ist die Erfahrung von Liebe, Partnerschaft und Sexualität in der Ehe.

Zeichen für Gottes Liebe

Vielen Menschen können diese Perspektive einnehmen. Die Lyrikerin Sarah Kirsch macht z. B. in dem Liebesgedicht „Besänftigung“ die Aussage: „Seit ich ihn kenne, halte ich Gott für nicht mehr undenkbar.“ Diesen Denkansatz und die sich daraus ergebende Weltbetrachtung kann ich persönlich sehr gut nachvollziehen. Das Leben, das Gott uns schenkt, ist wunderbar. Wir benötigen allerdings einen Blick für diese Mysterien in unserem Alltagsleben, die Gottes Größe widerspiegeln.
Diese Wahrnehmung gilt es immer wieder neu zu entdecken und bewusst zuzulassen: Ein dramatischer Moment im Tagesverlauf, der gut überstanden wurde. Eine besonders intensive Glückserfahrung. Mitzuerleben, wie ein Kind geboren wird. Die Erfahrung von Liebe und Sexualität. Die Antwort Gottes auf ein Gebet oder auf meine Gedanken. Die Begegnung mit der Schöpfung …

Und nicht zuletzt die Erfahrung von Wundern, die Gott in unserem Innersten vollbringt. Ich erinnere mich oft an die Aussage von Max Frisch: „Der Alltag lässt sich nur durch Wunder ertragen.“ Gott sorgt für diese Wunder. Das bedeutet nicht, dass er mich immer von einer schwierigen Alltagssituation, einer Krankheit oder belastenden Konflikten befreit. Aber er befähigt mich, mit diesen Herausforderungen zu leben, nicht daran zu zerbrechen, sondern ihnen mit Mut zu begegnen. Paulus beschreibt das so: „Das sind also die Gründe, weshalb wir uns nicht entmutigen lassen. Mögen auch die Kräfte unseres äußeren Menschen aufgerieben werden – unser innerer Mensch wird Tag für Tag erneuert“ (2. Korinther 4,16).
In diesem Sinne erlebe ich Wunder! Besonders auffällige Gebetserhörungen genauso wie die immer wiederkehrende Erfahrung, dass Gott meinen Alltag mit Gutem sättigt – manchmal auch mitten im Leid. Wie zärtlich, liebevoll und großzügig Gott mit mir umgeht! Da kann ich nur staunen! Der Glaube trägt den Charakter des Staunens, den ich nicht verlieren, sondern immer wieder neu lernen will. Es ist nichts selbstverständlich! Darum ist das anbetende und dankbare Staunen über Gott und sein Handeln ein wesentlicher Teil des christlichen Lebensgefühls.


Dieser Artikel ist in der Zeitschrift Lebenslauf erschienen, die wie Jesus.de zum SCM Bundes-Verlag gehört.

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