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Ist die Normalität wirklich normal?


Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind

Die zweiwöchentliche Kolumne von Tom Laengner


Ist es normal, bei 5 Grad im Dortmund-Ems-Kanal zu baden? Und was hat das mit einer Chipstüte und dem Heiligen Geist zu tun? Gedanken von Tom Laengner.

Entlang am Dortmund-Ems-Kanal gibt es eine stehende Regel. Je grauer, nasser und kälter es ist, desto weniger Leute sind unterwegs. Das fährt den Einsatz deiner Klingel fast auf null, wenn du mit dem Rad unterwegs bist.

Heute war wieder mal einer dieser Tage mit Nieselregen bei 5 Grad. So waren nur die üblichen Verdächtigen unterwegs: Angler, Kanadagänse und Ruderer des Olympiastützpunktes NRW.  Während unter meinen profilschwachen Reifen der Schotter tanzte, erspähte ich zwei Gestalten mit freiem Oberkörper. Der Rest der Kollegen war unter der trüben Wasseroberfläche verborgen. Sie taten, was um diese Jahreszeit den Kormoranen vorbehalten ist: planschten also fröhlich im eisgekühlten Kanalwasser. Ich muss wohl etwas irritiert gestarrt haben. So winkten sie mir zu. Schwer beeindruckt kurbelte ich stadtauswärts weiter. Mein lieber Schwede, wenn das nicht tollkühn war! Dann wuchs ein Quäntchen Sorge in mir. Hoffentlich werden die nicht krank, dachte ich. Dabei tuckerte mit 1.500 PS das Feuerlöschboot III an mir vorbei.

Ich hörte mit dem Denken auf und kam ein wenig aus dem Tritt. Musste ich mir um die beiden Eisbären echte Sorgen machen? Die beiden Schwimmer hatten sich wahrscheinlich überlegt, was sie taten. Dass es ungemütlich würde, konnten sie kommen sehen.

Gäbe es da nicht ganz andere Gründe zur Sorge, wenn es um Gesundheit geht? In Deutschland sterben jährlich etwa 160.000 Menschen, weil sie sich ungesund ernähren. Das berichtete die Wissenschaftsredaktion des MDR im Jahre 2019. Daran erinnerte ich mich. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.

Dann erwischte mich eine Bö. Sie hatte keinen Termin vereinbart und hätte mich fast in den Kanal rauschen lassen. So tief war ich in Gedanken.

Im Kanal krank werden? Du Hirni, blökte ich mich an, du nimmst das Ungewöhnliche mit Skepsis wahr.  Und die Dramatik in der Normalität geht dir durch die Lappen.

Denn Ärzteblatt und Gesundheitsministerium sind sich einig. Mindestens 120.000 Menschen in Deutschland sterben pro Jahr an den Folgen des Rauchens. Also nicht, weil zufällig mal die letzte Kippe schlecht war. Von etwa 20.000 Toten durch Alkohol spricht die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Pro Jahr! Im weltweiten Vergleich liegt Deutschland weit vorn.

Die Pandemie machte das nicht besser. Der Konsum von Alkohol nahm zu und das Gewicht der Bevölkerung ebenso. Die Universität in St. Gallen in der Schweiz machte im Sommer 2021 eine Studie. Während der Pandemie haben die Menschen dort 3,3 Kilogramm zugenommen. Die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen legte im Vergleich zu 2019 sogar 6,7 Kilogramm zu. Die Technische Universität München kam im Sommer 2021 zu ähnlichen Ergebnissen. Vielleicht wären manchen Sachen nicht passiert, wenn die Leute sich im Kanal oder anderswo und anderswie zum Affen gemacht hätten? Man weiß es nicht.

Als das Spritzwasser endlich den Weg durch meine Schuhe gefunden hatte, war ich schon auf dem Weg nach Hause. Ich dachte daran, dass ‚unser Leib ein Tempel des Heiligen Geistes‘ sein soll. Ziemlich steile Aussage im Neuen Testament, nicht wahr? Aber auch sehr ehrenvoll. Will ich das einer Chipstüte und einer Dose Pils opfern? Zwischen Körperkult und Vernachlässigung ist ja ein weiter Raum.

Statistiken und gesellschaftliche Normalität sind keine Naturgesetze. Wir sind nicht dazu geboren, um sie um jeden Preis zu befeuern. Und Ausnahmesituationen am Kanal können Quellen der Inspiration sein. Menschen sollen die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird sie frei machen. Fast zu schön, um wahr zu sein.

Ich war ziemlich durchweicht, als ich wieder zuhause ankam. Als ich meiner Frau von den Kanalbadenden erzählte seufzte sie : „Ich hoffe schwer, dass die nicht krank werden!“

Alle Kolumnen von Tom Laengner findet ihr hier.


Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne unterschiedliche afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen. In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind“ schreibt er regelmäßig über Lebensfragen, die ihn bewegen.

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2 Kommentare

  1. Unvernunft gehört zur Freiheit

    Leider: Unvernunft gehört zur Freiheit. Sogar jenseits der Frage, ob im Einzelfall die Ausübung meiner Freiheit Fragen der Moral oder Ethik verletzt, mich schädigen oder gar töten kann und aus welchen psychologischen Gründen ich dies tue. Manche steigen auf hohe Berge, Extrembergsteiger auch ohne Seil und Haken, man kann Skilaufen ebenso auf Steilhängen und bei Lawinengefahr, oder sogar in einem Eisloch baden. Ebenso war eine ganz aktuelle Mode, in Pandemiezeiten rauschende Partys zu feiern nach dem Motto: Nach uns kommt die Sintflut. Ohne unsere Freiheit das Gute, das Böse oder das Normale zu tun, wäre auch nicht Amerika entdeckt worden. Wahrscheinlich könnte eine bescheidene Menschheit nie bis zum Mond gelangen. Aber niemand wäre bei einer demütigen Haltung auf die Idee gekommen eine Atombombe zu bauen. Was ist nun richtig ? Ich glaube fest daran, dass die einzige irdische Instanz unser eigenes Gewissen ist und dieses ist höher angesiedelt als das hiesige irdische Bundesverfassungsgericht, außerdem steht es das Gewissen über den Worten des Papstes in Glaubensfragen oder anderer Autoritäten, die über den Sinn des Lebens reden. Im übrigen rede ich mit Gott gerne in warmen Räumen oder unter der Frühlingssonne, da ist er auch und nicht nur im einem 5 Grad warmen Wasser. Ich gönne jeder und jedem das kalte Bad, aber vielleicht könnte es manchmal eine Art von Selbstdarstellung sein: „Seht her, was ich für ein Held bin“ ! Ein alter Bekannter dachte auch gar nicht mehr an sein Rheuma, als er eine lange Treppe herunterschritt und ihm ein wunderschönes liebliches Wesen begegnete. Hätte er ein Gefieder gehabt, er hätte es aufgestellt oder gar in Farbe präsentiert. Manches was ich oder andere tun, wenn es heldenhaft sein und unser Ego stärkt, könnte auch hormongesteuert sein. Aber das alles ist allzu menschlich und glücklicherweise haben wir nicht den Charme von Robotern. Nicht nur beindrucken möchte das Wesen Mensch andere seiner Art, sondern er hat auch ein Organ, das ständig belohnt werden möchte. Es ist sein Gehirn. Es ist auch schön, etwas sehr gutes zu essen, weil in uns jemand lebt der es genießen möchte. Übrigens ist unser Denkorgan mit Belohnungswünschen leider ziemlich skrupellos. Es möchte auch belohnt werden, wenn es dem Restkörper absolut nicht gesund daher kommt. Das könnte dann doch ein Fragezeichen sein bei denjenigen, die eiskalt baden gehen.

  2. Moin!
    Das Eisbaden ist gesundheitsfördernd, wirkt antideprssiv, immunstärkend und erfrischend!
    Mich weckt das fast jeden Morgen auf! die 4-5 Grad sind schon mächtig kalt.
    Trotz Alter >60, Übergewicht und Bürojob mit zu wenig Bewegung geniesse ich das morgendliche Bad in einem See. Die Enten, die ich aufscheuche, meckern, aber das hält mich nicht ab. Nur der Sturm in den vergangenen Tagen – das war doch zu viel!
    Beim Schwimmen habe ich Zeit mit Gott. Alle Gedankengänge sind fokussiert auf Jesus! Bürovorgänge und Planungen werden vom Kopf verschoben – ich kann ja nichts aufschreiben.
    Und das Normale ist Christus Gegenwart. Toller Start in den Alltag.
    Ich mach´s weiter.
    TrauGott

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