Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind
Die Kolumne von Tom Laengner

Ist es denn gegen das Gesetz?

Während einer Geburtstagsfeier stellt Tom Laengner fest: Die Zehn Gebote sollen nicht die Lebensfreude verderben. Sie sollen Freiheit bringen – mit Verantwortung.

Von Tom Laengner

Manchmal kommt die Nordsee zu Besuch in den Hafen am Dortmunder Kanal. Gut gelaunt pustet dort der Wind den Gästen im Liegestuhl feinen Sand in die Augen. Anschließend lässt sich der blaue Himmel mit wechselnden Wolkenbildern nur noch blinzelnd bestaunen. Eddi hat zu Herrn Walter zum Geburtstag eingeladen. Und das alte Schuttgüterschiff ist dafür eine prima Adresse. In den Bauch aus Stahl wurden früher Kies, Erz und Sand eingefüllt. Jetzt ist dort Platz für Weizenbier und Rhabarberschorle. Und es geht das Gerücht, dass nach dem dritten Weizenbier der Sand im Auge von manchem Gast freundschaftlich begrüßt wird. Gar nicht mehr nervig!

Gesetzlich erlaubt – deshalb auch gut?

Gemeinsam mit Christian gehören Eddi und ich zur Minderheit der Kaltduscher. In einer skeptischen Öffentlichkeit gerät man da leicht in Erklärungsnotstand. Es heißt, kalt sei nicht gut. Irgendwie wie zu warm. Solch konservierte Kommentare können mehr nerven als der Hafensand im Auge. Ich dusche kalt. Aber es ist weder um das Immunsystem zu stärken noch um Energie zu sparen. Mir persönlich macht es Freude, mich zu überwinden und zu spüren. Und letztendlich verstößt es nicht einmal gegen das Gesetz. So wie der Gebrauch von Marihuana. Seit März darf ich mir täglich, mit Segen der Bundesregierung, mit 2 bis 3 Joints die Birne vernebeln. Wie jeder Mensch weiß, ist es gesetzeskonform, aber nicht zwingend auch gut. Doch kalt zu duschen gehört zu den Dingen, die mir guttun und auch noch gut sind. Und bei genauerem Hinschauen gibt es davon doch eine ganze Menge anderer Sachen. So habe ich mal bei Schnee und Eis meinen Geburtstag auf dem Feldberg gefeiert. Selbstgemachtes Feuerchen mit Glühwein und Bratwurst im verschneiten Taunus. Eine Schlittenfahrt auf 800 Meter Höhe war auch noch drin, während in der Mainebene schon die ersten Narzissen vom Frühling Zeugnis ablegten. Es gibt sie also noch: die wunderbaren Dinge, die nicht gegen das Gesetz verstoßen. Nur bei Krimi oder Quiz sind sie nicht zu finden. Selber musst du darauf kommen, du ganz alleine. Und eine Entscheidung musst du treffen, auch wenn die meisten anderen es nicht so machen und du selber es noch nie so gemacht hast.

Da hatten wir doch einmal für eine Fährüberfahrt nach Sardinien Liegesessel gebucht. Die vier Ungetüme standen in einer Art Wartesaal unter Deck. Es war zum Erbrechen stickig heiß und duftete wie in einem Pumakäfig. Was also tun? Schließlich hatten wir doch gebucht! Nach einem kurzen Seufzer der Verzweiflung machten wir es uns auf dem Deck gemütlich. Da wurden wir über Nacht feucht und salzig. Aber die Luft war gut und unsere Stimmung auch.

Das wahre Ziel der Zehn Gebote

Solche Erlebnisse empfinde ich bereichernd und befreiend. Damit vermeide ich nicht nur Punkte in Flensburg. Ich handele sogar im Rahmen der Zehn Gebote. Denn wer die genau liest, versteht: In deren Kern geht es nicht um absurde Verbote, die meine Lebensfreude vertrocknen lassen. Es geht um die Erfüllung einer verantwortlich gelebten Freiheit. Dazu bietet der sich ewige Schöpfer als Gott und Vater an. Für mich ist das eine Ehre. Ihn empfinde ich doch kompetenter als einen Bundestrainer oder Kanzler.

Bei der fröhlichen Geburtstagsfeier ergab sich auch so eine Situation. Vor dem Buffet war ich nochmal pinkeln gegangen. Die Erfahrung lehrt: Weiße Klobrillen können bei Dutzenden von männlichen Gästen schneller gelblich verfärben, als dem bürgerlichen Sitzpinkler lieb ist. Auf diese Weise erleichtert füllte ich mir ein wenig Fischlasagne auf den Teller und suchte meinen Liegestuhl am Sandstrand wieder auf. Die Meeresfrüchte wurden schnell weniger und mein Blick fiel auf einen Mann, den der Veranstalter scheinbar als Reinigungskraft engagiert hatte. Ich finde es immer höchst ehrenvoll, wenn jemand sich für solch einen Traumjob entschließt. Ein bisschen wie Jesus musste ich denken. Der war sich auch nie zu schade, sich um den Schmutz menschlicher Schande und Scham zu kümmern. Und dann hatte ich eine Idee. Sie forderte eine gewisse Überwindung und war nicht an der Mehrheit ausgerichtet. Aber hat sie gegen das Gesetz verstoßen?

Im Einklang mit den Zehn Geboten

Also stand ich auf und ging auf den Mann zu. Erst verstand er mich wohl nicht so recht. Vielleicht konnte er meine Sprache nicht. Vielleicht konnte er mein Angebot nicht glauben. Dann sagte er ‚ja‘ und wenige Minuten später hatte ich ihm einen vollen Teller mit Hähnchen, Brot und Fischlasagne besorgt. In der Sauce spiegelten sich die Wolken und ich fühlte mich erleichtert, meinen Bedenken nicht gehorcht zu haben. Und ich fühlte mich im Einklang mit den geheimnisvollen Zehn Geboten. Und dem freundlichen Menschen am Klo hatte ich offensichtlich eine Freude gemacht.

Von meiner neuen Bekanntschaft habe ich mich später noch verabschiedet. Viel reden war nicht. Aber wir hatten zwei rechte Hände, die wir auf unsere Herzen legten. Und das sprach doch recht deutlich. Der Dortmund Ems Kanal plätscherte dabei vor sich hin, als wolle er sagen: Ja, so sollte es sein.

Out of the box - weil wir wunderbar gemacht sind

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Tom Laengner

Tom Laengner (1957-2024) war ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitete er journalistisch freiberuflich und bereiste gerne afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitete er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen.

In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind" schrieb er fast vier Jahre lang alle 14 Tage über Lebens- und Glaubensfragenfragen, die ihn bewegten.

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5 Kommentare

  1. 100 % Brutto-Sozialglück

    “ Es geht um die Erfüllung einer verantwortlich gelebten Freiheit. Dazu bietet sich der ewige Schöpfer als Gott und Vater an. Für mich ist das eine Ehre. Ihn empfinde ich doch kompetenter als einen Bundestrainer oder Kanzler“! Da hat Tom Laengner ins Schwarze getroffen. Ich denke nicht, wie Ulrich Wößner die Gebote versteht: Sie sind nicht wie unsere juristisch genau formulierten Gesetze, zu denen es unendlich viele Kommentare gibt über deren Winkel und Ecken, sowie die Auslegung. Die 10 Gebote sind eine Art Minimalkonsensus, was nicht geht. In anderen benachbarten Kulturen gab es in der gleichen Zeit ähnliche Grundregeln. Allerdings: Wenn alle Menschen sie einhalten, ist allen geholfen. Nur die Goldene Regel geht noch weiter, nämlich dass wir anderen das geben sollten, was wir von den Mitmenschen auch selbst erwarten. Dieses Thema des Gesetzes ist wichtig, denn die 10 Gebote beschreiben unsere Verantwortung vor dem Hintergrund, dass wir einen Freien Willen haben (dürfen). Was allerdings bedeutet: Dieser Wille ist so frei, dass wir das Gute, aber genauso auch das Böse tun dürfen. Der Vorschlag des Apostel Paulus ist so einfach wie er gleichzeitig genial ist: Prüft alles und das Gute behaltet. Denn es steht oft nicht fest, was gut ist, gerade insbesondere in einer komplizierten und vielschichtigen Welt und Gesellschaft. Dies wird dann auch deutlich, weil es eine Reihe schwieriger ethischen Probleme gibt, auch jene von Krieg und Frieden. Denn Krieg verstößt gegen das Verbot zu töten. Allerdings ist die Bibel kein Rezeptbuch für alle denkbaren Fälle des Lebens. Wir müssen schon uns selbst mühen. Unser Gewissen ist die irdisch höchste Instanz und ein sehr gutes Seismograf. Der Heilige Geist kann uns sowohl kreative Weisheit als auch die innere Kraft geben, die richtigen Wege im Irrgarten des Lebens zu finden. Und da ist ja auch noch unser liebevoller gute Schafhirte, der die 99 verlässt um das Verlorene zu finden. Die moderne Realität ist dabei eher, dass es sich um 99 Verlorene handelt. Aber Jesus ist der Heiland der Verlorenen und nicht der Bevormunder jener Zeitgenossen, die sich von Gott emanzipieren. Weil Gott Liebe ist, geht dies mit der Befreiung von ihm nicht. Wir sind befreit, weil der gute Hirte uns längst auf seine Schultern geladen hat und heimträgt- ohne jegliche Vorbedingungen. Aber die Bergpredigt mit ihren Seligpreisungen verspricht das persönliche Glücklichsein, wenn wir uns innerlich und praktisch auf dem Weg der Liebe und Gerechtigkeit befinden. Man darf Gott lieben, den Nächsten und auch sich selbst. Dies ist 100% Brutto-Sozialglück. Und die Befreiung durch die Schuld auf Golgatha müssen wir nicht perfekt sein und dürfen mit unserem Schatten leben. Über ihn kann niemand springen.

    • Wenn du in deiner Bibel die Geschichte von Mese mit den 10 Geboten lesen würdest, wüsstest du, dass es kein Verbot des Tötens gibt.

      Du solltest wirklich etwas weniger dir Bibelinhalte ausdenken und zumindest vor der Interpretation den Inhalt zumindest kennen.

      Als Mose mit den 10 Geboten vom Berg kam unter dem Eindruck der persönlichen Begegnung mit Gott und damit sicherlich mit richtigem Verständnis der 10 Gebote, befahl er, einen großen Teil der Israeliten zu töten als Strafe für den Tanz ums goldene Kalb.

      Müssen wir heute nicht gut finden, hilft aber beim Verständnis des Textes.

      Das Gebot verbietet das Morden, nicht das Töten.

      • Erschreckend

        Liebe Chey, deine eigenwillige Interpretation mag so in der Bibel stehen, aber dafür muss man die Texte des Alten Testamentes auch auslegen. Jedenfalls kann Jesus nicht im Neuen Testament die Feindeliebe gepredigt haben und Gott im Alten Testament das Töten der Ungehorsamen sogar befehlen. Ich denke mir auch keine Bibelinhalte aus, ich interpretiere sie, Dies ist auch dem Laien erlaubt und es ist sogar notwendig. Aber wir beide dürfen uns in unseren Auffassungen sogar unterscheiden, insbesondere wenn sie wie hier gravierend sind. Als Christ ist für mich ein Gott unvorstellbar, der befiehlt Menschen zu töten. Dann hätte der Schöpfer aller Dinge eine Profilneurose. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein Rabbiner aus einer liberalen Gemeinde so etwas denkt. Im übrigen stimmt auch nicht, dass die 10 Gebote nur den Israeliten gegeben wurden, schon deshalb nicht weil wir sie als Christen auch für uns in Anspruch nehmen. Im übrigen habe ich auch der Predigt eines Rabbiners entnommen, dass Gottes Gebote für alle gelten, und er ein Gott aller Menschen ist.
        Dass die Gebote sinngemäß für alle gelten, hing damit zusammen, dass die Gebote oder ähnliche Regeln bereits zur Zeit Mose in der dortigen Weltgegend bestanden.

    • Die 10 Gebote sind den Israeliten gegeben worden (siehe Bibel), nicht allen Menschen. Und dort sind sie ein Teil der 613 Weisungen, die wiederum eingebettet sind in eine Interpretation, von der die bekannteste der Talmud ist.

      Wenn du sie also als Christ wörtlich nimmst für die Christen, bist du also schon zwangsläufig auf dem falschen Weg.

      Wobei es nicht falsch ist, sich an diese zu halten. Nur machst du es wie Bernd, nur von der anderen Seite.

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