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Schon einmal eine Blume geküsst?

Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind

Die zweiwöchentliche Kolumne von Tom Laengner


Reicht es Gott, wenn wir ihn mit den immer gleichen Worten loben und preisen? Ein Freund inspiriert Tom Laengner zu einer „praktischen“ Alternative.

Meinen Kindern sage ich gerne, dass ich sie ganz toll finde. Das stimmt auch, reicht aber nicht. Sie erwarten da schon etwas mehr Fantasie. Oder sie fragen, was ich denn genau meine. Ob Gott da nicht ähnlich tickt, wenn ich mich immer wieder in ähnlichen Begriffen und Bildern ausdrücke? Vielleicht wurde ich deshalb hellwach, als Micha mir beim gemeinsamen Frühstück sagte, dass er eine Blume geküsst hat.

Zwischen Brötchen schneiden und Kaffee schlürfen diskutierten wir die Umsetzung einer Fotoausstellung mit klimapolitischem Bezug. Waren die Models wirksam positioniert? Welche Lichtquelle ist minimalistisch genug? Und ist ein Projekttitel mit achtzehn Wörtern nicht zu lang, um im Gedächtnis zu bleiben?

Die Bombe platzt

Soweit waren das alles Standardprobleme, die selbst mit zweieinhalb Stücken Käse im Mund noch wunderbar beredet werden können. Zwischen zwei Schluck Kaffee ließ mein Freund dann sein Bömbchen platzen. Micha lächelte vergnüglich und meinte: „Äiej übrigens; ich habe gestern eine Blume geküsst!“ Sprach’s und bat um den braunen Zucker.

Während ich den rüberreichte, fiel mir ein Freund meines Vaters ein. Statt eine Tulpe zu küssen, hatte der mal auf einer Firmenfeier eine gegessen. Da war er wohl schon ziemlich angeschickert. Aber eine Blume geküsst? Ich wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte.

Die normalste Sache der Welt

Ob Micha jetzt auf einen spontanen Juchzer der Begeisterung scharf war? Weil ich mit vollem Mund immer verwaschen rede, verschaffte ich mir mit einem beherzten Biss in mein Brötchen ein wenig Zeit. Für meinen kreativen Kollegen schien dieser Kuss die normalste Sache der Welt zu sein. Mich machte die Lässigkeit der Darstellung sprachlos.

Dann merkte ich, dass Micha gedanklich schon weiter ging. Mit einem Blick ins Nirgendwo sinnierte er darüber, ob ein Fotodruck auf Alu Dibond die Wirkung der Bilder verbessere oder ob er ausdrucksstärker hinter Acryglas präsentieren sollte. Ich murmelte was von Kostenexplosion und stellte mir meine Lippen vor, wie sie sich behutsam einem Gänseblümchen nähern, der borkigen Rinde einer Birke oder einem Kieselstein.

Sowas macht man einfach nicht

Was wäre denn eigentlich so verkehrt daran? Eigentlich kann ein Kuss doch ein Zeichen des Respektes oder der Würdigung sein. Andererseits hatte ich noch nie gehört, dass man eine Blume küsst. Es ist kein Tabubruch. Aber man macht sowas einfach nicht.

Doch wer ist eigentlich ‚man‘, dem ich immer wieder über den Weg laufe und Autorität über mein Verhalten gebe? Da muss ich kleinlaut bekennen, dass mir eine glaubwürdige Antwort fehlt. Andererseits fand ich eine prima Antwort auf die Frage, warum ich eine Blume mal küssen könnte.

Unorthodoxe Variante

Zwischendurch musste ich Micha gestehen, dass ich ihm nicht mehr zugehört hatte. Er nickte gelassen und wollte meine frisch entdeckte Antwort wissen. Ich meinte, dass Worte wie ‚loben und preisen für die wunderbaren Werke‘ doch schal und hohl werden, wenn ich nicht darlege, wie ich das tun will. Also, mir geht es so. Und da ist die Idee mit dem Kuss doch eine unorthodoxe Variante. Fand Micha sowieso und das Gespräch über die Ausstellung nahm wieder Fahrt auf.

Der Gedanke, demnächst mal eine Blume zu küssen, stimmte mich leicht, frei und heiter. Auf jeden Fall würde es meine Möglichkeiten erweitern, Gott für seine Kreationen zu danken. Allerdings werde ich aufpassen, keine Biene bei ihrer Arbeit zu stören. Dann könnte es schiefgehen!

Alle Kolumnen von Tom Laengner findet ihr hier.


Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne unterschiedliche afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen. In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind“ schreibt er regelmäßig über Lebensfragen, die ihn bewegen.

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