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Wer hat mein Bestes im Sinn?

Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind

Die zweiwöchentliche Kolumne von Tom Laengner


Wenn andere Menschen mir Unterstützung anbieten, dann haben sie nicht automatisch mein Bestes im Sinn, weiß Tom Laengner. Eine kurze Geschichte über Onkel Karl, Jesus Christus und eine Schalker Fußball-Legende.

Onkel Karl hatte nur einen Arm und rauchte Stumpen. Als ich zehn – und seiner Meinung nach anscheinend fast schon ein Mann war –, schenkte er mir ein Feuerzeug. Das machte ihn für alle Zeiten zu meinem Lieblingsonkel. Ansonsten ging es am verwandtschaftlichen Kaffeetisch viel um Wetter und Krankheiten. Dieser Gesprächskultur wollte ich mich nicht beugen. Niemals, Ehrenwort! Dass ich jetzt über Krankheiten schreibe, muss also einen guten Grund haben. Aber der Reihe nach: Eine Freundin erzählte mir nämlich, sie sei beim Arzt gewesen und der habe festgestellt, dass die Divertikel (Ausstülpungen der Darmwand) in ihrem Darm verschwunden sind. Keiner wusste, wo sie waren. Doch weil sie bei Anwesenheit potenziell große Schmerzen verursachen und sie deshalb keiner haben will, war das eine wunderbare Nachricht. Aber wie konnte das sein?

Rückblende. Nach mehreren stationären Krankenhausaufenthalten hatte ein erfahrener Mediziner meiner Freundin den Rat gegeben, den Darm teilweise zu entfernen. Aus seiner Expertensicht sei dies das Beste und technisch wäre das auch kein Problem. Dafür stünde er mit seiner vertraulichen Beziehung zu inneren Organen aller Art und seinem guten Ruf. Was also tun? Meiner Freundin kam der Segen des Loslassens in den Sinn. Doch dann überkamen sie Unsicherheit und Angst. Sie befragte ihren Hausarzt. Der kannte den Darm nicht persönlich, ließ sie aber über mögliche Folgeschäden nicht im Unklaren. Die Freundin seufzte tief, stellte ihre Ernährung um und machte seither nach dem Essen einen kleinen Spaziergang. Seit Jahren nun hat sie nahezu keine Beschwerden mehr. Sie sagte mir dazu: „Diese Mediziner wollten mir nicht schaden. Aber im Vordergrund ihres Handelns stehen ihre Interessen und nicht unbedingt mein Bestes“.

Darüber musste ich nachdenken. Nun kenne ich aus Erfahrung zwei ausgezeichnete Zahnärzte, die alles geben, um jede Ruine im Mund ansehnlich zu sanieren. Die sind schon sehr an meinem Wohl interessiert. Doch die Frage bleibt: Wie ist es um Interesse und mein Bestes bestellt? Menschen in den sozialen Medien haben Follower und Likes im Sinne, aber nicht mein Bestes. Produzenten von Konsumgütern haben ihre Gewinne im Sinn. Ist der Kauf eines begehrten Produktes folglich auch zu meinem Besten? Pharmahersteller spielt die Wirksamkeit eines Medikamentes in die Tasche. Aber mein Bestes ist nicht unbedingt ihr Antrieb. Wären da noch Politiker. Der Sozialdemokrat Egon Bahr sagte einmal: „Wenn ein Politiker anfängt, über ‚Werte‘ zu schwadronieren, anstatt seine Interessen zu benennen, wird es höchste Zeit, den Raum zu verlassen.“ Was der ehemalige Bundesminister da zur Sprache brachte, ermahnt zur Wachsamkeit, nicht zu kindlichem Vertrauen.

Stan Libuda und Jesus

Für mich persönlich wäre schon viel gewonnen, wenn ich selber geradlinig mein Bestes verfolgen würde. Tue ich längst nicht immer. Gestern kaufte ich, und das habe ich noch niemandem erzählt, eine Packung Geleebananen. Plastik auf und 30 Minuten lang Süßkram einfahren. Wer will mir da erzählen, dass ich mein Bestes im Sinn gehabt hätte? Meinem Verständnis nach weist mich das nicht als Gourmet alter Schule aus, sondern offenbart ein wenig, sagen wir mal, meine Gier. Wenn meine Appetitimpulse Chef im Ring sind, dann habe ich nicht mein Bestes im Sinn. Sollte nicht einmal ich selber mein Bestes im Sinn haben, wer eigentlich dann?

Leider stellten sich solche Fragen am Kaffeetisch von Onkel Karl nie. Einmal ging es um die Schalker Fußballlegende namens Stan Libuda:’Hömma! Hasse schon gehört!“ Und dann wanderte bei der zweiten Tasse Kaffee, frisch gebrüht, eine noch heute bekannte Anekdote um den Tisch. Eines Tages habe an der Litfaßsäule in Gelsenkirchen-Bismarck ein Plakat gehangen. Darauf stand: „An Jesus kommt keiner vorbei“. Das war aber nicht alles. Denn ein Fan, dem die Dribbelkunst des Schalkers über alles ging, konnte das nicht so stehen lassen. So war tags darauf die Ergänzung zu lesen: „An Jesus kommt keiner vorbei – außer: Stan Libuda“.  Ja, wie haben wir uns abgerollt!

Doch, hey: Was ist mit dem Mann aus Nazareth, an dem außer Stan Libuda keiner vorbeikommt? Er lebte ohne Parteibuch, Amtskleidung oder Titel. Er suchte keine Fans, sondern Nachfolger. Er redete nicht, um beliebt zu sein oder wiedergewählt zu werden. Das muss doch erst einmal jemand von sich sagen können. Von einer Beziehung zwischen Onkel Karl aus Gelsenkirchen-Bismarck und Jesus aus Nazareth weiß ich nichts. Aber wie handele ich, wenn ich weiß, dass Jesus mein Bestes im Sinne hat?

Alle Kolumnen von Tom Laengner findest du hier.


Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne unterschiedliche afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen. In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind“ schreibt er regelmäßig über Lebensfragen, die ihn bewegen.

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1 Kommentar

  1. Nur Gott ist uneigennützig und vollkomme das Gute

    Wer handelt schon (vollkommen !!) uneigennützig ? Mir ist da einfach niemand eingefallen, keine privat mir bekannte Einzelpersonen, oder beliebte Prominente, also beispielsweise Politiker*innen, Kirchenmenschen beiderlei Geschlechts oder das bekannte Lieschen Müller (letzteres steht symbolisch für den unbekannten statistischen Durchschnittsmenschen). Genauso wie es in Sodom nicht wenigstens 10 Gerechte (sondern gar keine) gab. Doch da war bekanntlich die ethische Latte sehr hochgehängt, wurde doch hier das Menschliche in den Schmutz getreten: Der Abstand zwischen den obwaltenden Zuständen und den allgemeinmenschlichen Vorstellungen von „heiler Welt“ waren denkbar groß. Selbst so treue Haustiere wie der Hund haben ihrem Herren nicht die Treue geschworen aus purer tierischer Uneigennützigkeit, sondern weil er für ihn den Rudelführer ist. Ein Rudelführer ist der König, dem man sich unterwerfen muss. Da geht es also im Tierreich nur um Macht und Unterwerfung.

    Es wird – wenn uns ein Nachspüren logischen Denkens Spaß macht – jetzt sehr spannend: Dazu braucht man nur einen gedachten Zaubertrick: Man tausche nämlich den Begriff „UNEIGENNÜTZIG“ mit „GUT SEIN“ aus. Denn ich hörte (und sah im Fernsehen) eine Predigt und der Pfarrer einer Freikirche schwärmte begeistert, dass nur Gott das vollkommene Gute in Person ist. Jemand der in Vollkommenheit das Gute verkörpert, verfügt null über negative Eigenschaften. Dann ist Gott nicht zornig, rachsüchtig, eigennützig, er will nicht das Böse für uns und er ändert sich nicht in seinem Wesen als barmherzig, als die vollkommene Liebe und absolute Güte. Jesus Christus hat diese Uneigennützigkeit praktisch zu hundert Prozent verkörpert. Der Menschensohn wollte keinen politischen Umsturz, keine politische Machtüberrnahme als gekommener Messias und kannte keine eigennütigen Motive. Bekannt ist die Verführungsgeschichte ohne Erfolg in der Wüste. Da war einen Stimme in ihm, die wollte Jesus alle Macht dieser Welt zu Füßen legen. Dies sind jene zunächst noch lediglich eigennützigen Motive, die politisch Mächtige, auch mit ihren Seilschaften nach Machterhaltung und später auch zur Machtausweitung drängen. Die Geschichte des Turmbaues zu Babel ist auch das Scheitern eines Experimentes: Nämlich nur zur eigenen Machtvollkommenheit über andere Menschen zu herrschen und ein wenig auf Gott zu sein. Dafür steht er Turm wie ein symbolisches Bild. Einer der da oben Macht ausübt, die Befehle gibt, die Menschen oder Soldaten wie Schachfiguren in einem Spiel herumschiebt: Hat er doch völlig den sozialen Kontakt abgebrochen. Nur der Turm, die Unerreichbakeit da oben im Himmel, fast gottgleich und unanfechtbar, steht zwischen ihm dem selbsternannten Gott und dann ganz unten die Menschen. Kein Wunder dass uns die Geschichte erzählt, man habe plötzlich unterschiedliche Sprachen gesprochen. Ergo: Vom Uneigennützigen ist der Weg zum Eigennutz und dann zum Machtmissbrauch nicht unendlich weit. Das schlimme dabei ist, nicht nur wirklich mächtige Menschen, Gewaltherrscher, Diktatoren oder Zarennachkommen wollen Gott (bildlich gesehen) vom Thron stoßen, sondern auch Lieschen Müller. Das geschieht nach dem Motto: Ich weiß alles, ich kann alles, ich bin (fast) vollkommen und ich habe vor allem die absolute Wahrheit gepachtet. Dazu empfehle ich den wunderbaren Bibeltext aus 1. Korither 13 zu lesen. Ein Text für die mehr Uneigennützigkeit in aller Bescheidenheit. Aber was noch phantastischer ist: So wie wir da eigentlich sein sollten, es aber nie wirklich erreichen können, so ist Gott in Wirklichkeit. Er hat den Erlöser nicht geschickt weil er eigennützig ist, sondern uneigennützig aus reiner Liebe. Daher ist richtige Liebe und gar die göttliche Liebe immer völlig ohne Voraussetzungen. Ergo: Jesu Opfertod am Kreuz ist unser Freispruch, völlig voraussetzungslos und total unverdient. Und ein unanfechtbarer Freispruch kann nicht nur nach menschlichem Recht aus bei Gott – und soll nicht mehr – zurückgenommen werden.

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