„S’scht Gnad’“: Der Glaube bleibt

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Die US-Amerikanerin Cae Gauntt ist ein Urgestein der christlichen Musikszene in Deutschland. Anlässlich der Veröffentlichung ihres neuen Albums „Was uns bleibt“ haben wir mit ihr gesprochen. Dabei erzählte von ihren Glauben, was sie an Deutschland mag, Probleme mit der richtigen Aussprache und von ihrem Lampenfieber.

Cae, du lebst seit fast 30 Jahren in Deutschland. Was schätzt du hier?

Die Krankenkassen!

Die Krankenkassen?

Unbedingt! Dann die geschlossenen Geschäfte am Sonntag. Hier bei uns in Baden ist das tatsächlich noch so. Natürlich auch die Weinlese, jedes Jahr. Wunderbar. Autobahnen… und die Sauberkeit.

Gibt es etwas, das du vermisst? Der Sommer in Deutschland war nass, der Juli dazu noch kühl – ganz anders als in Texas, wo du Musik studiert hast.

Texas? Ich frage mich immer wieder, wie Menschen dort im Sommer überhaupt leben können. Es ist so unglaublich heiß dort. Nein. Hundertprozentig und eindeutig: nein. Aus Texas vermisse ich nichts. [Pause] Vielleicht die Steaks. [lacht]

Hattest du nach deinem Studium Pläne für eine musikalische Karriere? Die Musik betreffend?

Ich liebte das Singen, aber konkrete Überlegungen gab es nicht. Während der Zeit an der Universität habe ich praktisch jede Woche an vier Abenden bei sogenannten „Dinner Club-Abenden“ gesungen. Alle Klassiker. Als ich meinen Abschluss hatte, haben Eddie und ich geheiratet. Ich habe dann eine kurze Zeit unterrichtet, doch dann sind wir nach Wien gezogen, später nach Deutschland, und alles hat sich geändert. [lacht]

Und nun bist du, eine US-Amerikanerin, ein Urgestein der christlichen Musikszene hier. Dein zweites Album „Oh Cae“ aus dem Jahr 1989 ist immer noch das meistverkaufte christliche Album in Deutschland…

Verblüffend, oder? Ich habe mich schon oft gefragt, warum das so ist. Wenn ich andere Personen nach dem Grund gefragt habe, lautete die Antwort meistens: „Es gab nichts anderes!“ Ehrlich gesagt weiß ich nicht genau, ob ich das als Kompliment betrachten soll. [lacht]

In den 70ern und frühen 80ern waren da die Liedermacher wie Manfred Siebald…

…aber keine Frauen! Und dann noch Popmusik mit Band!?

Was ist dir bei deinen Konzerten wichtig?

Ich möchte so „real“ wie möglich auf der Bühne sein. Im Laufe der Jahre habe ich über 1000 Konzerte gemacht. Da besteht immer die Gefahr der Routine. Und das will ich auf keinen Fall. Gott weiß das, und deshalb schickt er mir bei jedem einzelnen Konzert irgendetwas, um mich zu verunsichern. Etwas in meinem Kopf, meinem Körper, in der Situation. Ich muss mich voll auf ihn verlassen, um die Konzerte zu schaffen. Das ist faszinierend. Jedes Konzert ist wie die Besteigung des Mount Everest. Immer wieder neu.

Hast du Lampenfieber?

Ja! Oh ja.

Du stehst seit einiger Zeit wieder häufiger mit deinem Mann Eddie gemeinsam auf der Bühne…

…wobei wir sehr verschiedene Persönlichkeiten sind. Ich denke ungefähr sechs Wochen vor einem Konzert über die Details nach, kontaktiere den Veranstalter, frage was für ein Publikum sie erwarten, wie die Räumlichkeiten sind. Dann stelle ich ein Programm zusammen. Ich starte also sehr früh. Eddie hingegen… [Pause] Wenn wir im Auto auf dem Weg zum Konzert sind, dann sagt er: „Ich will diesen Song nicht singen. Lass uns das ändern.“ Einmal hat er das sogar während eines Konzerts auf der Bühne getan. Wir diskutierten also vor den Leuten, weil er das nächste Lied nicht singen wollte. Und das Publikum dachte, es wäre ein Sketch – tatsächlich aber war das echt. Das konnte einfach nicht wahr sein. Tatsächlich war das damals unser letztes gemeinsames Konzert für viele Jahre.
Aber wir sind seitdem einen langen Weg gemeinsam gegangen. In unserer Beziehung und auch, wie wir als Künstler zusammenarbeiten. Ich bin etwas. entspannter geworden, und Eddie, er ist nun… professioneller [lacht]. Unsere Rollen sind klarer definiert. Wer was tut, was wir in das Programm einbringen. Es funktioniert nun viel, viel besser, genauer gesagt: Fantastisch! Einige der schönsten Erfahrungen, die wir als verheiratetes Paar machen, finden auf der Bühne vor Hunderten von Menschen statt. Ein Duett zu singen, mit dem Mann, den man liebt, das ist eine ganz spezielle Erfahrung. Und die Worte haben eine Aufrichtigkeit und Echtheit, die sie mit irgendeinem anderen Sänger nicht hätten. Und das Publikum spürt das, das hören wir immer wieder aus den Reaktionen auf unsere gemeinsamen Auftritte.

Auch einer deiner beiden Söhne ist inzwischen an Eurer Musik beteiligt?

Ja! Seit drei Jahren spielt er Cajón bei unseren Duett-Konzerten, und auch bei meinen Solo-Auftritten. Da spielt er auch Gitarre. Wundervoll. Es ist so schön, ihn mit auf der Bühne zu haben, er ist so talentiert.

Wo wir gerade von Mitspielern reden: Die Liste der Musiker, mit denen du schon zusammengearbeitet hast, liest sich wie ein „Who is who“ der christlichen Musikszene in Deutschland. Wen schätzt du besonders?

Ich liebe es immer, mit Manfred Siebald zu arbeiten. Er ist ein brillanter Lyriker. Und mit Andreas Malessa. Aber die beiden sind so beschäftigt. Ich hätte es am liebsten, wenn sie nur für mich texten würden! [lacht]

Ist überhaupt noch jemand übrig, mit dem du bislang keine Musik gemacht hast bzw. gerne machen würdest?

Ja, ich möchte unbedingt mit Johannes Falk auftreten. Und das wird auch tatsächlich geschehen. Wir suchten einen Tenor für eine neue Vokalgruppe. Florian Sitzmann schlug Jo Falk vor, den ich bis dahin nicht gekannt hatte. Er hat vorgesungen, und es klappte fantastisch! Er ist so talentiert. Sein Album „Pilgerreise“ ist einfach unglaublich! Wir werden im Herbst loslegen, darauf freue ich mich sehr.

Vorher erscheint dein neues Album „Was uns bleibt“ – das hat eine ganz besondere Entstehungsgeschichte…

Ja, ich selbst war von der Idee eines „Best of“-Albums nämlich nicht gleich begeistert. Doch dann habe ich auf Facebook, in meinem Blog und in den Konzerten die Fans nach ihren Lieblingsliedern aus meinen drei ersten Alben gefragt, und die Antworten haben mich überwältigt. Die große Anzahl – und die Inhalte.
Manche Fans stimmten einfach nur ab. Die meisten jedoch schrieben mir ganz persönliche Geschichten, wie meine Lieder sie in bestimmten, schwierigen Situationen ihres Lebens begleitet hatten. Ich war fasziniert und erstaunt, dass einige Lieder ein Eigenleben entwickelt hatten. Es hat mir gezeigt, wie wichtig ein Lied werden kann. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich die Person sein darf, die diese Songs zu den Menschen gebracht hat.

Ich habe also eine Strichliste gemacht, und von den Top 10 haben mein Produzent Florian Sitzmann und ich neun ausgewählt – dazu drei neue Songs. Ich kann einfach kein Album ohne neue Songs machen. [lacht]

Ungewöhnlich ist, dass ihr alle Songs live eingespielt habt.

Es ist ein völlig anderes Gefühl als bei einem normalen Studioalbum, bei dem alle beteiligten Musiker nacheinander ihren Part einspielen. Ich hörte die Band, sie hörten mich. Wir haben uns beim Spielen gegenseitig inspiriert. Manche Songs haben wir 25 Mal aufgenommen. Es hat sehr viel Spaß gemacht. Dazu haben wir einen akustischen Sound gewählt. Ein Song, „Es geht nichts verloren“, besteht nur aus Gesang und Flügelbegleitung. Live, nicht perfekt – aber ich liebe dieses Lied dafür.

Wir haben übrigens ausschließlich mit Musikern gearbeitet, die die alten Versionen der Lieder nicht kannten und es ihnen überlassen, ein Arrangement zu entwickeln. Sie bekamen von uns keine Vorgabe, nur Gesang von mir und ein paar Akkorde. So weiß man bei einigen Songs beim Intro noch nicht, was nun folgt. Aber wenn der Gesang beginnt, kann jeder, der die Lieder von damals kennt, sofort mitsingen. [lacht] Wir mussten dabei ein paar deutsche Aussprachefehler korrigieren, die ich damals gemacht hatte – und immer noch so sang. Zum Beispiel in „Ich steh zu dir“. Darauf hat Florian bestanden. Das alles war sehr intensiv, sehr ermüdend. Aber ich bin so glücklich über das Ergebnis.

„Was uns bleibt“… was ist bei dir „geblieben“?

Mein Glaube und Gottes Beziehung zu mir. Und glücklicherweise, dafür bin ich Gott sehr dankbar, kann ich außerdem sagen: meine Ehe und meine Familie. Ich habe so viele Fehler und Schwächen, aber Gott hat mich nie gehen lassen. Dabei gab es Zeiten, in denen ich ihm den Rücken gekehrt habe. Auch Zeiten, in denen ich mich ihm nicht nah gefühlt habe. Aber ich habe verstanden, dass das nur ein Gefühl war. Jeder Christ geht in seinem Glaubensleben durch solche Phasen. Mal ist es Winter, dann kommt der Frühling und alles blüht wieder.

Viele junge Christen geraten in Panik, wenn sie so etwas zum ersten Mal erleben. Ich bekomme viele Briefe und Mails, in denen Menschen mir davon berichten. Und ich betrachte es als Teil meiner Verantwortung als „alter“ Christ, ihnen zu helfen dass sie sich beruhigen und nicht in Panik verfallen. Gott wird ihnen eine Botschaft schicken.

Mein Glaube. Das hat sich nicht geändert. Das bleibt. Das ist, wie man hier in Baden sagt: „s’scht Gnad’“.

Danke für das Gespräch!

Die Fragen stellte Daniel Wildraut

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Cover: "Was uns bleibt"
Cover: „Was uns bleibt“

Cae Gauntt wurde 1956 in Fort Worth (Texas) geboren. Nach ihrem Studium (Gesang- und Musiklehramt) zog sie 1978 mit ihrem Mann, dem Opern-Bariton Eddie Gauntt, nach Wien. 1983 siedelten sie nach Krefeld über, 1985 schließlich nach Karlsruhe. Cae Gauntt hat zahlreiche Alben veröffentlicht und auf etlichen weiteren mitgewirkt. Sie ist Sängerin, Texterin und Vocal-Coach für zahlreiche Alben und Live-Projekte innerhalb und außerhalb der christlichen Musikszene.