- Werbung -

„Selbstdarstellung“: Theologe kritisiert evangelische Kirche für politische Äußerungen

Theologe Michael Roth hält politische Aussagen von kirchlichen Amtsträgern für Eigenwerbung. Diese würden einfach gesellschaftlichen Trends folgen.

Viele Äußerungen leitender evangelischer Kirchenvertreter zu tagespolitischen Fragen dienen nach Überzeugung des Mainzer Theologen Michael Roth vor allem der Selbstdarstellung. Die Kirche tue letztlich niemanden einen Gefallen mit ihren Versuchen, damit in bestimmten gesellschaftlichen Milieus um Zustimmung zu werben, sagte der Wissenschaftler in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zahlreiche Reaktionen auf die Empfehlungen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zum Tempolimit auf Autobahnen wertete er als Beleg dafür, dass Außenstehende dieses Vorgehen „immer stärker“ durchschauten.

- Werbung -

Die Vorstellung, dass die Kirche über exklusives ethisches Wissen verfüge, sei zwar weit verbreitet, aber falsch, erklärte Roth, der an der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität Systematische Theologie und Sozialethik lehrt. „Wir brauchen weder jemanden, der sich rationalen Argumentationen mit dem Anspruch entzieht, prophetisch zu reden, noch jemanden, der sein Amt als Begründung für seine Position angibt“, sagte er. „Wir brauchen Argumente und eine Kultur, die auf Argumente hört.“

Kirche folgt gesellschaftlichen Trends

Problematisch an vielen Äußerungen leitender Geistlicher sei auch, dass von Kirchenleitungen lediglich solche Dinge geäußert würden, von deren Richtigkeit das eigene Milieu ohnehin überzeugt sei. In der Regel folge die Kirche den gesellschaftlichen Trends: „Da macht es keinen Unterschied, ob man sich in den 50er-Jahren über uneheliche Schwangerschaften empörte oder heute über Menschen, die keinen fair gehandelten Kaffee kaufen.“

Statt die Vertreter vermeintlich falscher Meinungen zu verteufeln, sollte gerade die Kirche Feindbilder kritisch angehen und sich für Meinungsvielfalt einsetzen, forderte Roth. „Eine christliche Position ist aufgrund der Einsicht in die Sündhaftigkeit aller Menschen weniger am Verurteilen und mehr am Verstehen anderer interessiert.“ Außerdem wäre es seiner Überzeugung nach überlegenswert, dass sich zu gesellschaftlichen Themen engagierte, sachkundige Christinnen und Christen stärker öffentlich zu Wort melden als Kirchenleitungen.

- Weiterlesen nach der Werbung -

Buchhinweis: Michael Roth „Über kirchliche Propheten mit Tarifvertrag – Plädoyer für eine moralische Abrüstung“, Kohlhammer, 2022, 143 Seiten (Softcover)

Quelleepd

Konnten wir dich inspirieren?

Jesus.de ist gemeinnützig und spendenfinanziert – christlicher, positiver Journalismus für Menschen, die aus dem Glauben leben wollen. Magst du uns helfen, das Angebot finanziell mitzutragen?

Zuletzt veröffentlicht

7 Kommentare

  1. Jesus hat klar gesagt, dass man Politik und Religion trennen muss. Das wird erstaunlicherweise gerne vergessen, offensichtlich hält man nicht so viel von dem was Jesus gesagt hat. Sorry, aber gerade hier wird es deutlich, zumal es ja wirklich um eine Selbstdarstellung handelt.

    Nur: was sagt das über die Kirche aus und macht das nicht deutlich dass die Kirche sich ändern muss?

    • Jesus steht aber auch die Ungerechtigkeit in der Welt auf und handelt/äußert sich in den Evangelien oft mit enormer politischer Sprengkraft. Was ist überhaupt Politik? Das System, in dem wir unser Zusammenleben organisieren. Und ausgerechnet hier sollen sich Christen raushalten?
      Einzelne parteipolitische Positionen dezidiert aus der Bibel abzuleiten (siehe Rechtsevangelikale in den USA und anderswo) und andere Positionen als unchristlich zu bezeichnen, ist außerhalb dessen, was geht. Aber aus dem persönlichen Glauben Dinge abzuleiten, die das Zusammenleben in unserer Schöpfung zum positiven ändern, darüber auch streiten, diskutieren und ringen – das ist genau das, was wir tun können und sollen als Christen in der Welt. Immer in der Gewissheit, uns irren und täuschen zu können und in der Überzeugung, dass wir als Menschen nicht über die eine, richtige Position verfügen. Erst der Anspruch, die einzige, richtige und unbestreitbare Position innezuhaben, macht es falsch.

  2. Ein Zwiespalt bleibt immer

    Michael Roth hat durchaus recht mit seiner Auffassung: „Statt die Vertreter vermeintlich falscher Meinungen zu verteufeln, sollte gerade die Kirche Feindbilder kritisch angehen und sich für Meinungsvielfalt einsetzen, forderte er: „Eine christliche Position ist aufgrund der Einsicht in die Sündhaftigkeit aller Menschen weniger am Verurteilen und mehr am Verstehen anderer interessiert.“ Außerdem wäre es seiner Überzeugung nach überlegenswert, dass sich zu gesellschaftlichen Themen engagierte, sachkundige Christinnen und Christen stärker öffentlich zu Wort melden als Kirchenleitungen“! Da hat Roth recht, moralisieren sich auf die Fahnen zu schreiben ist nie gut. Nicht in die progressive Richtung noch konservativ.

    Jede/jedem einigermaßen Sachkundigen ist vollkommen klar: Vom Bischof über den Kirchenpräsidenten bis zu anderen Verantwortungsträgern in der Ev. Kirche, sagen diese nur ihre eigene Meinungen als Personen, was ihnen als Recht unbedingt zusteht. Ob dies aber immer klug ist, wäre die andere Frage. Die Kirche ist zwar – neben ihrer geistlich-theologischen Bedeutung – eben (nur) eine Institution. Andererseits meine ich schon, dass sachkundige Christinnen und Christen sich (immer schon) stärker zu Wort melden. Diese verorte ich durchaus stark in den gesellschaftsrelevanten Gruppierungen, die sich vehement z. B. für mehr Bemühungen für eine Rettung des Weltklimas stark machen, zudem auch viele junge Leute mit ihren Aktivitäten auf der Straße, in politischen Parteien und ähnlichen Zusammenhängen. Allerdings tragen die nicht – bildlich gesehen – alle ein Schild um den Hals „ich bin ein Christ“! Etwas muss ich allerdings hier Wasser in den Wein der Wahrheit schütten, auch um meinen leichten inneren Zwiespalt zu respektieren. Denn immerhin müssen wir alle, und auch die nicht von allen heiß geliebten Kirchenleitungen, zumal mit Blick auf Menschenrechtsverletzungen und dann auch auf die Bergpredigt, doch hier auch im Namen unseres Evangeliums sprechen. Wie groß wäre denn andererseits die dann berechtigte Kritik, die Kirchenleitungen unserer Evangelischen Kirchen in Deutschland würden sich plötzlich spürbar zurücknehmen in öffentlichen Äußerungen ? Also auch zum Thema Krieg bzw. zu den schlimmen Ereignissen in der Ukraine. Mich tröstet, dass auch nach offizieller katholischer Lehre das menschliche Gewissen die höchste irdische Instanz ist, höher als der Papst. Hörten wir alle doch darauf.

    Was bleibt ist dann letztendlich bei mir ein gewisser Zwiespalt. Aber eines steht fest: Christliche Laien, nicht nur die Theologen, sollten sich zum Zeitgeschehen vielleicht noch deutlicher äußern. Aber auch da bleibt nicht alles im friedlichen Einvernehmen, denn die ganz Rechten werden dann auch ihren Senf dazutun. Da bleibt nur am Ende noch der Seufzer, der, glaube ich, Pilatus biblisch in den Mund gelegt wird: „Was ist schon Wahrheit“!? Wahrheit ist schon immer alles, wovon i c h überzeugt bin. Ich werde mich deshalb bemühen, hier im Netz auch nicht mehr mit
    „man-Botschaften“, sondern mit „Ich-Botschaften“ zu operieren.

    • Ist es nicht lächerlich zu meinen das irgendjemand in der evangelischen Kirche mit seinen Aussagen einen Einfluss auf das Weltklima hat? Sorry, aber wie Größenwahnsinnig ist das und wie Unglaubwürdig?

      Jeder der bis 3 zählen kann, kann das erkennen und amüsiert sich über diese Kirchenleute, die oftmals nicht einmal die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge verstehen.

      Ist es nicht an der Zeit mehr Demut zu leben und das Gebet zu suchen? Das wäre glaubwürdiger und bringt viel mehr als schöne Worte nur um isch selber besser darzustellen.

      • Nicht größenwahnsinnig und unglaubwürdig

        Ich bin doch einigermaßen entsetzt, lieber EinFragender. Wie man einfach eine ganze Kirche, oder damit viele Kirchenleitungen (denn damit sind ja alle evangelische Zweigkirchen und nicht nur die EKD gemeint) – hier als größenwahnsinnig und unglaubwürdig hinstellen kann. Wenn dann muss ich, wenn es einzelne Personen betrifft und es gewissermaßen beweisbar ist, auch Ross und Reiter nennen. Aber wieso denn nun alle nicht bis 3 zählen können und naturwissenschaftliche Zusammenhänge nicht zu verstehen vermögen, ist ein glatter Rundumschlag. Im Übrigen sind die meisten Menschen keine Naturwissenschaftler, sonst nur diejenigen die das studiert haben und alles vertieft verstehen, noch mehr jene die darüber forschen. Denen muss ich als Laie wenigstens das Grundlegende abnehmen, wenn ich mich nicht von wissenschaftlichen Irrlehrern belehren lassen möchte. Die Bergpredigt fordert von mir, dass ich zuerst den Balken aus meinem Augen ziehen muss und dann darf ich frühestens den Splitter im Augen des Mitmenschen bearbeiten. Ich muss mich ja immer wieder fragen, ob ich selbst genug tue, um Gottes schöne Welt pfleglich zu behandeln. Grundsätzlich sollten wir nicht falsch Zeugnis reden wider andere Menschen. Es gibt sehr ernsthafte Christinnen und Christen, die ihr Herz an die Bewahrung der Schöpfung hängen und die ihren Gott und die Mitmenschen lieben, oder die wenigstens den guten Willen zeigen. Und wieso darf man pauschal einfach nicht genannten Christen indirekt unterstellen, sie würden nicht das Gebet suchen und auch nicht in Demut leben ? Tut mir leid, ich bin gerne für liebevolle Worte zu haben, auch für mich selbst sogar ab und zu Lob dankbar anzunehmen. Aber ich kann es nicht abhaben wie hier einfach – fast könnte man sagen – „Hass“ gesät wird. Bitte keinen verbalen Hass verbreiten. Mitchristen sind für mich Geschwister und auch jeder andere Mensch ist jemand, den Gott unendlich liebt. Unsere Mitmenschen und wir alle gehören zu Gottes guter Schöpfung, die es zu bewahren gilt. Im übrigen kann niemand der auch sonntags predigt, und/oder werktags arbeiten geht, oder sogar schon Rente bezieht, wie durch einen Zauberstab das Weltklima beeinflussen. Sprachlich in den Raum gestellt ist das fast schon demagogisch. Tut mir leid, aber da kann ich nicht schweigen. Auch landeskirchliche Theologen sind nicht genetisch schwachsinnig.

      • Der Dialog egal von wo er kommt ist auf dieser Welt gefragt. Und gerade die Kirche kann eine gerechtere Welt anbieten und das muss erlaubt sein dieses den Menschen beibringen zu können. Deswegen ist ihre Meinung gefragt. Politik, Kirche, Wissenschaft, Technik, Wirtschaft etc. sind Elemente unseres Lebens. Jedes ist vom anderen abhängig. Nur gemeinsam können wir auf diese Welt existieren. Deswegen ist der gemeinsame Dialog notwendig. Man kann ohne Politik z. B. nicht leben. Sie macht die Gesetze die wir brauchen damit wir uns nicht ins Chaos stürzen. Wir können ohne Kirche nicht leben damit wir uns nicht in das absolute Böse stürzen welches Gott sicher auf jeden Fall nicht erlauben würde. Wir brauchen die Wissenschaft um uns zu entwickeln, die Technik ebenso wie die Wirtschaft. Hier lese ich dass manche der Kirche nur einige Jahre Existenz geben. Diese Aussage und viele andere deuten dass die Menschen nicht im klarem sind warum wir solange auf dieser Welt existieren. Weil Gott es will. Er will nicht dass seine Schöpfung zerstört wird. Deswegen werden weiter die Politiker von der Kirchen abhängig sein und umgekehrt.

        • Die Bergpredigt ist heute politisch wichtig

          Basil Charalambous: Dialog ist immer erforderlich. Ich-Botschaften sind vielleicht förderlich, wenn ich Meinungen und auch feste Überzeugungen so ausdrücke – da ich nämlich wie alle Menschen nicht immer irrtumsfrei bin. Im Römischen Reich gab es keine Politik (in unserem heutigen Sinne) und schon gar keine Demokratie. Der Römische Kaiser und ihre Statthalter im jüdischen Reich waren absolutistische Herrscher. Eine Verbindung von Religion und Politik war wohl für Jesus im Kern unvereinbar wie Feuer und Wasser, wie auch für die ersten Christen. Die frommen Juden haben die Römer aber als Besatzungsmacht auch nicht geliebt, denn sie warteten ja auf einen weltlichen Messias.. Und Jesus selbst wollte eine Herrschaft der Liebe (Gottes) und der Kaiser durch den Kaiser mit Gewalt. Denn wenn Jesus die Tische der Wechsler im Tempel umgeworfen hat, dann war dies neben einer Gewalt gegen Sachen auch ein Protest gegen die Unheiligkeit dieser Erscheinung am Tempel. Wegen der Liebe und sogar Feindesliebe sollen Römische Soldaten anfangs ihre Waffen weggeworfen haben. Somit hat vor allem die Bergpredigt in ihrer zeitlosen Sprache und Botschaft psychologisch eine hohe Bedeutung. Wenn wir sie heute nun wirklich zu leben versuchen in einer Demokratie, dann besitzt sie eine übergroße Bedeutung für unsere Sprache, den Frieden, die Toleranz und insgesamt für die Politik. Viele Jesusworte haben nicht eine parteipolitische, aber eine die ganze Gesellschaft betreffende Bedeutung. Fromm ausgedrückt: Jesus hat die Botschaft vom Reich Gottes verkündigt. Deshalb kann unser Christsein heute nicht unpolitisch sein. Christentum und auch andere Religionen sind und sollten für gesellschaftliche Werte wichtig sein. Außerdem scheint mir auch wesentlich zu sein, dass wir daher ethische Werte durchaus auch mit anderen Religionen teilen. Dies steht auch nicht der Wahrheit über Gott im Wege, denn seine Gedanken sind immer höher als unsere Gedanken, auch denen von den Theologen. Übrigens: Jesu Gebot, Gott zu geben was Gott gehört und dem Kaiser was dem Kaiser gehört, beantwortet die Frage der damaligen Steuerzahlung. Auf heute gemünzt: Ich muss staatliche Gesetze befolgen wie damals jüdische Steuerzahler. Es sei denn, sie verstoßen eklatant gegen den offensichtlichen Willen Gottes. Letzteres sind Gewissensentscheidungen. Deshalb gibt es bei uns das gesetzliche Recht auf eine Verweigerung des Wehrdienstes. Allerdings auch in einem Unrechtsstaat darf ich nicht über die Rote Ampel fahren

Die Kommentarspalte wurde geschlossen.