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Sterbehilfe: Ethikrat verlangt Suizidprävention

Eine selbstbestimmte Suizidentscheidung ist rechtlich und moralisch zu respektieren, sagt der Deutsche Ethikrat. Aber: Es bedürfe einer Aufklärungspflicht – und Prävention.

Der Deutsche Ethikrat hat in einer Stellungnahme zur gesetzlichen Regulierung der Sterbehilfe die Wichtigkeit der Suizidprävention betont. „Es darf nur zu einem freiverantwortlichen Suizid Hilfe geleistet werden“, sagte die Ethikrat-Vorsitzende Alena Buyx bei einer Pressekonferenz.

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Zentral sei es daher, die Voraussetzung für solch eine freie Willensentscheidung zu klären, ergänzte Rechtsprofessor Helmut Frister. Konkrete Empfehlungen für oder gegen einen der bereits im Bundestag vorliegenden Gesetzentwürfe geben die Experten aber nicht ab.

Aufklärung über Alternativen benötigt

In seiner Stellungnahme sieht der Ethikrat die Sterbehilfe als Ausdruck der Selbstbestimmung als rechtlich und ethisch gerechtfertigt an. Da ein Suizid jedoch nicht umkehrbar ist, fordern die Expertinnen und Experten eine gut überlegte, gefestigte und eigenständig getroffene Entscheidung. Dafür bedürfe es der Aufklärung über alternative Handlungs- und Entscheidungsoptionen.

Der Ethikrat warnt dabei vor einem überfrachteten Verfahren. Die Anforderungen an die Prüfung dürften nicht dazu führen, dass sie faktisch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben nehmen, hieß es.

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Gleichzeitig fordert das Expertengremium mehr Anstrengungen im Bereich der Suizidprävention, um dem Grundrecht auf Leben gerecht zu werden. Der Respekt vor einem freiverantworteten Suizid dürfe nicht dazu führen, „dass uns Suizide – als Individuen, institutionell oder gesellschaftlich – egal sein dürfen“, sagte Buyx. Mehr als 9.000 Menschen hätten sich 2021 das Leben genommen.

Mit der Stellungnahme will der Ethikrat ein Bewusstsein für die Weite und Vielschichtigkeit von Suiziden schaffen. Suizidgedanken entstünden durch Depressionen, drohende Demenz oder schwere Krankheiten, aber auch durch Isolation, Einsamkeit und Lebenssattheit. Das Gremium sieht die Schwierigkeit darin, freiverantwortliche Suizidsituationen von solchen abzugrenzen, die dieses Kriterium nicht erfüllen. Aus diesem Grund sei suizidpräventive Begleitung notwendig.

Bundestag arbeitet an neuem Gesetz

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 geurteilt, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, hierbei Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Eine bis dahin geltende Regelung, die organisierte Suizidassistenz von Sterbehilfeorganisationen verboten hatte, erklärte das Gericht für nicht zulässig.

Nun geht es im Bundestag um eine mögliche Folgeregelung. Drei Gruppen mit Abgeordneten verschiedener Fraktionen haben dazu Vorschläge vorgelegt, die unterschiedlich weit gehen, etwa bei der Frage der Prüfung und Beratungspflicht bei einem Suizidwunsch.

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In seiner 134-seitigen Stellungnahme vermeidet der Ethikrat eine Bewertung der vorliegenden Gesetzentwürfe, über die im Parlament bereits in erster Lesung beraten wurde. Das Gremium habe versucht, „das schwierige Gelände zu kartieren, ohne den verantwortlichen Politikerinnen und Politikern den letzten Schritt der Rechtsausgestaltung vorzugeben oder gar abzunehmen“, sagte Buyx dem epd.

Mitglieder des Ethikrats vertreten unterschiedliche Auffassungen

In der Stellungnahme wird deutlich, dass die konkrete rechtliche Regelung auch innerhalb des Ethikrats umstritten ist. In dem 24-köpfigen Expertengremium würden „zur moralischen Bewertung von Suizidhandlungen, zur Suizidassistenz und zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts verschiedene Auffassungen vertreten“, heißt es gleich zu Beginn des Papiers.

Frister erläuterte, einen Dissens gebe es im Ethikrat darüber, ob nur Volljährige Suizidassistenz beanspruchen dürfen und ob auch einem für den Fall einer den freien Willen beeinträchtigenden Krankheit vorher festgelegten Suizidwunsch nachgekommen werden muss. Des Weiteren ist strittig, wie weit eine Aufklärungspflicht gehen soll. Dass es die Aufklärung geben muss, ist dagegen Konsens. Die Betroffenen müssten alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte kennen, sagte Frister.

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Einigkeit besteht im Rat auch darüber, dass eine psychische Erkrankung das Recht auf Hilfe beim Suizid nicht grundsätzlich ausschließt. Einrichtungen wie Pflegeheime sollten transparent machen, wie sie mit Suizidwünschen umgehen, fordert das Gremium.

Es gebe keine Pflicht, Suizidassistenz anzubieten, erläuterte der katholische Theologe Andreas Lob-Hüdepohl. Einrichtungen dürften sie zugleich aber auch nicht verwehren oder verunmöglichen, dass es innerhalb oder außerhalb einer Einrichtung dazu kommt. Dieses „Mindestmaß“ gelte auch für kirchliche Einrichtungen, sagte er.


Falls ihr selbst in einer verzweifelten Situation seid, sprecht mit Freunden und Familie darüber. Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist rund um die Uhr anonym und kostenlos erreichbar: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222. Auch die Beratung über E-Mail ist möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.

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5 Kommentare

  1. Ethisch eine sehr harte Nuss

    „Es darf nur zu einem freiverantwortlichen Suizid Hilfe geleistet werden“, sagte die Ethikrat-Vorsitzende Alena Buyx bei einer Pressekonferenz. Nun habe ich mich gefragt, worin ein freiverantwortlicher Suizid besteht und wie man ihn erkennen kann – wohlgemerkt im Voraus. Ich denke dabei nicht an die ganz schweren Fälle, in denen Menschen unerhörte Schmerzen ertragen, oder dergleichen. Man könnte daher vor allem hinterfragen, ob es ein freiverantwortliches Handeln ist, sich selbst den Tod zuzufügen, wenn (bestimmte) psychische Gründe vorliegen. Im rechtlichen Bereich beispielsweise geht es ja oftmals darum (juristisch) zu ergründen, ab welchem Grad einer diesbezüglichen Erkrankung jemand nicht mehr strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Hier in Suizidfragen müsste ergründet werden, inwieweit die gewünschte Realisierung des Todes gewissermaßen aus gedanklich ungesunden Gründen erfolgt. Ich halte dies für außerordentlich schwierig, weil niemand wirklich in den Kopf eines Menschen sehen kann. Und wo bleibt die Freiheit, wenn Gutachter feststellen sollen, ob jemand sich zurecht assistiert umbringen darf. Oder wenn diese Arbeit Ethikausschüssen zukommt.

    Es ist durchaus Praxis, und nicht zu kritisieren, dass Menschen notariell festlegen, keine Apparatemedizin bzw. Lebensverlängerung zu wünschen. Da ist dann gewissermaßen der assistierte Suizid schon inclusive, weil der Tod durch Unterlassen der Anwendung von Apparatemedizin erfolgt, oder dieselbe abzuschalten. Eine absurde Beobachtung zum Ende: Eine Frau hatte in einer Uniklinik eine Verfügung vorgelegt, dass sie keine diesbezügliche künstliche Lebensverlängerung wünsche. Am gleichen Tag wurde sie operiert. Danach geriet sie in ihrem Krankenzimmer in einen lebensgefährlichen Zustand. Im Endeffekt wurde sie – da man sie so nicht liegenlassen konnte – mit aller Kunst der Apparatemedizin verkabelt, in die Intensivstation gefahren und ist dann gestorben. Alle medizinischen Daten und der Eintritt des Todes wurden präzise gemessen, eben durch jene Technik die eigentlich Leben retten soll. Wozu dann überhaupt ? Der Ergebnis des Todes wurde sehr präzise angezeigt. Ich halte das für eine absurde Situation und stehe dem Suizid, vor allem dem assistierten, sehr fragend gegenüber. Die theologischen Erwägungen haben ich hier nicht eingebracht.

    • Ganz deutlich: Nein

      > Es ist durchaus Praxis, und nicht zu kritisieren, dass Menschen notariell festlegen, keine Apparatemedizin bzw. Lebensverlängerung zu wünschen. Da ist dann gewissermaßen der assistierte Suizid schon inclusive, weil der Tod durch Unterlassen der Anwendung von Apparatemedizin erfolgt, oder dieselbe abzuschalten.

      Das hat mit assistiertem Suizid nichts zu tun und ist deutlich davon zu trennen und es wird hier auch deutlich getrennt.

      Der Tod gehört zum Leben. Hier werden Menschen dem natürlichen Tod überlassen.

      Suizid ist eine vorzeitige ‚unnatürliche‘ Beendigung des Lebens.

      Eine Grauzone ist höchstens die Gabe von sehr starken Schmerzmittel in einer Hospizsituation, wo man die extremen Schmerzen auch mal unter dem Preis lindert, dass der eh bald kommenden Tod evtl. ein bisschen früher kommt.

      • Widersprüchlich

        Lieber Joerg, formal könntest du recht haben. Faktisch aber wird ja der Tod auch herbeigeführt, wenn man die lebenserhaltenden Maßnahmen erst gar nicht einleitet. Wenn das vom Arzt in dieser Situation so gewünscht wird, wird auch assistiert. Dramatisch war die mir persönlich bekannte Situation eines alten Herrn, der hinterlassen hatte keine Apparatemedizin zu wünschen. Da sein Haushalt sehr unordentlich war fand die Tochter nicht das Schriftstück. Man ließ die Ärzte gewähren, weil man selbst im Zwiespalt war die Verfügung überhaupt anzuwenden. Danach wurde er nicht nur wieder wach sondern relativ gesund und hat noch einige Jahre Kuchen gebacken für die ganze Nachbarschaft. Der Zwiespalt der Tochter gegenüber einer solchen Verfügung ist dadurch gestiegen, verständlicherweise. Und zu deiner oben genannten Antwort: Wo wird dann noch einfach ein Mensch dem normalen Tod überlassen ? Mich riefen vor vielen Jahren die Sanitäter an was nun zu machen sei. Ein Arzt hatte im Versuch sich umzubringen Gift geschluckt und wollte sich nicht retten lassen. Der Betreffende hatte Glück im Unglück – er ist nicht gestorben. Heute hat er seine Suchtkrankheit überwunden und ist dankbar, obwohl die Sanitäter ihm hätten wirklich gar nicht gegen seinen Willen hätten retten dürfen. Nun frage ich mich, ob wir jemand der sich im Wasser ertränken will, nicht mehr retten dürfen. Für mich ist dies einigermaßen widersprüchlich. Und jemand der sich umbringt, stirbt auch einen ganz normalen Tod. Mancher könnte das machen, in dem er einfach seine ganz vielen Tabletten absetzt

  2. Eine vorherige Beratung ist hier sicherlich sinnvoll. Und die Forderung, dass daraus keine bürokratische Verhinderung werden darf, auch.

    Ich frage mich allerdings, warum man hier nicht den weiteren Schritt geht, nämlich die Suizidhilfe durch staatliche Institutionen.

    Hört sich vielleicht erst Mal merkwürdig an, aber die Kritik am derzeitigen Verfahren ist doch vor allem, dass es private Organisationen wie denen des ehemaligen Hamburger Senators Kusch sind, die hier Suizidhilfe leisten und denen man da oft reine Gewinnabsichten unterstellt.

    Suizid ist zwar laut Verfassungsgericht auch ein Teil unserer Grundrechte, aber bedeutet das nicht gerade in diesen ja immer schweren Fällen, dass dann auch der Staat regeln sollte und wir das nicht privaten Organisationen überlassen dürfen?

    Geben wird es die Suizidhilfe, aber jetzt werden die Weichen gestellt, wie und durch wem.

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