Die Frage, ob ein texanisches Gesetz zu Abtreibungskliniken gegen die Verfassung verstößt, beschäftigt das oberste Gericht in den USA. Die Richter müssen klären, ob das verfassungsgemäß garantierte „Recht auf Schwangerschaftsabbruch“ noch gewahrt ist, nachdem aufgrund von Auflagen ein großer Teil der Abtreibungskliniken schließen musste.
Der US-Staat Texas hatte ein Gesetz erlassen, wonach von 2013 an alle Abtreibungskliniken den baulichen Anforderungen für chirurgische Tageskliniken genügen und Ärzte an nahe liegenden Krankenhäusern zugelassen sein müssen. Seitdem haben 19 der 40 texanischen Abtreibungskliniken geschlossen. Deshalb steht das Konzept der „übermäßigen Belastung“ (undue burden) zur Prüfung. Bisher urteilten die obersten Richter, Auflagen seien zulässig, wenn sie Frauen keine „übermäßige Belastung“ auferlegen. Texas hat 27 Millionen Einwohner und ist etwa doppelt so groß wie Deutschland.
Mehrere US-Staaten führten ähnliche Auflagen ein, um den Schwangerschaftsabbruch zu behindern, der laut einem Urteil von 1973 bis zur unabhängigen Lebensfähigkeit des Fötus nicht eingeschränkt werden darf. Abtreibungsbefürworter haben dies scharf kritisiert und sprechen von einem „Krieg gegen Frauen“. Im benachbarten Louisiana dürfen nur noch zwei der ehemals vier Abtreibungskliniken Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Krankenhäuser hätten fünf von sechs Frauenärzten die Zulassung verweigert, berichtete die Tageszeitung „New York Times“. Nach Angaben des Zentrums für Reproduktionsrechte beschlossen im vergangenen Jahr 16 der 50 US-Staaten insgesamt 47 neue Abtreibungsgesetze, darunter Wartefristen, Ultraschalluntersuchungen und Bauvorschriften.
Zusätzlich erschwert wird die Debatte, weil der Gerichtshof nach dem Tod des konservativen Richters und Abtreibungsgegners Antonin Scalia unterbesetzt ist. Von den verbleibenden acht Richterinnen und Richter gelten vier als Befürworter der Rechts auf Abtreibung, drei als Gegner. Das Votum des achten Richters, Anthony Kennedy, ist nach Ansicht von Rechtsexperten ungewiss. Sollten die Richter vier zu vier abstimmen, bleibt das Gesetz in Texas in Kraft. Das Urteil hätte jedoch keine direkten Auswirkungen auf andere Staaten. Falls die acht Richter aber mehrheitlich für das texanische Gesetz votieren, würden sie damit derartige Maßnahmen landesweit genehmigen.
Die Verfassung beauftragt den US-Präsidenten, mit Zustimmung des Senats neue Richter zu ernennen. Republikanische Senatoren haben jedoch gewarnt, sie würden in Barack Obamas verbleibender Amtszeit von zehn Monaten nicht über Scalias Nachfolger abstimmen. Die Politiker wollen offenbar verhindern, dass ein weiterer Befürworter des Urteils von 1973 im obersten Gericht Platz nimmt. Das Urteil nach der Anhörung am Mittwoch wird in mehreren Monaten erwartet.