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Was ist das Herz der Dinge?

Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind

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Die zweiwöchentliche Kolumne von Tom Laengner


Was es nicht alles gibt! Kirchen werben mit Gin-Tastings für den Glauben. Tom Laengner meint: Es geht doch viel mehr um gelebte Nächstenliebe.

Kaum waren wir auf der A 43 in Richtung Wuppertal, da fing meine Frau mit Gin-Tasting an. Ob ich gehörte hätte, dass diese Gemeinde in Soundso dazu eine Veranstaltung angeboten hätte. Hatte ich nicht und ehrlich gesagt: Gin mag ich nicht. Vielleicht entgehen mir deshalb Einladungen zu derlei Verkostungen.

Während ich den Scheibenwischer zu Höchstleistungen ansporne, klärt mich meine Frau auf: Da gibt es spannende Gins und sensorische Einführungen in die Welt des Gins, die dann auch fachlich kommentiert werden. Verblüffend, in welchen Kernfragen des Lebens diese Kirchengemeinde jetzt Kompetenzen entwickelt!

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Mit verschmitztem Lächeln erinnerten wir uns an unsere ganz eigenen Erfahrungen. So hatte ich auf Sardinien mal an einer Art Weinprobe teilgenommen. Es gab rot, weiß und rosé aus wahnsinnig großen Fässern. Der Raum war angenehm kühl und die Leute überzeugend freigiebig und herzlich. Nur damit wir uns nicht missverstehen; das waren keine Kirchenleute! 

Diese freundlichen Männer also füllten dann meinen Plastikbecher randvoll. Ich durfte probieren. Nun weiß sogar ein Ignorant wie ich, dass ein Rosé nicht durch findiges Mischen von Weiß- und Rotwein geboren wird. So habe ich alle drei Sorten geprüft.

Höflich ausgetrunken habe ich auch. Die Sonne sollte ja schließlich auch morgen wieder scheinen! Mit einem gefüllten 5-Liter Plastikkanister machte ich mich sodann wieder auf den Weg durch die knallige Sonne. Nach dieser sensorischen Einführung in die Welt sardischer Weine war mein Rückweg richtig spannend.

Gin probieren in Kirchen

Offensichtlich suchen aber andere Menschen nach Anleitung. Und so bieten jetzt auch Kirchengemeinden solche Tasting-Events an. Aktuell dient der Gin als Zugpferd. Craft-Bier und Whiskey müssen sich ein wenig hinten anstellen. Da veranstaltet zum Beispiel eine Freie evangelische Gemeinde in Schleswig-Holstein ein Wacholder-Schnaps-Treffen. Sie sieht das als Möglichkeit, „Begegnungsräume der Liebe Gottes zu schaffen“.

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Warum eine niedersächsische Hochschulgemeinde eben erwähntes Event für ihre Studierenden anbietet, fand ich nicht heraus. Die meisten Studierenden, die ich in meiner Nachbarschaft alkoholisiert erlebe, ziehen einfach so um die Häuser. Ohne Erlaubnis, Rechtfertigung und pastorale Begleitung.

Für den Glauben werben

Wir fanden es schon ein wenig lustig, auf was für Ideen wir Menschen kommen, um für unseren Glauben zu werben. Dann latschte ich auf die Bremse, weil wir in Wuppertal-Katernberg rausmussten. Das hatten wir fast verpasst, weil wir uns so gut unterhielten.

Ich persönlich habe ja nicht so recht Lust, eine Kirche aufzusuchen, um Alkohol zu genießen. Zwar finde ich es ehrlich abgefahren, wenn Jesus für eine Hochzeitsfeier jenseitige Mengen an Wein per Wunder herstellt. Aber ob ihn das zum Promoter hochpreisiger Schnäpse macht?

Nächstenliebe leben

Meine Frau meinte jedenfalls, dass es dem Mann aus Nazareth doch mehr um ein authentisches Miteinander ginge und darum, den anderen so zu lieben wie wir uns selber. Und ich muss gestehen, dass mich noch nie etwas anderes überzeugt hat. Abgesehen von Gott selber, der heiß geliebt werden möchte, weil er das auch tut. Ein bisschen wie meine Frau. Weniger ist ihr zu wenig.

Ob es aber in der Kirche auch Gin gibt und der Abendmahlswein temperiert ist, das ist mir total egal. Ach Jesus, so denke ich, du machst bei uns Menschen schon ganz schön was mit!

Vielleicht lohnt es sich, öfters mal nach Wuppertal zu tuckern, um auf gute Gedanken zu kommen. Aber vielleicht geht auch Gelsenkirchen.

Alle Kolumnen von Tom Laengner findest du hier.


Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne unterschiedliche afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen. In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind“ schreibt er regelmäßig über Lebensfragen, die ihn bewegen.

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1 Kommentar

  1. Es geht nicht um die Neue Ernsthaftigkeit

    Die Texte von Tom Laengner finde ich erfrischend. Eben habe ich mich an anderer Stelle von einem anderen Schriftgelehrten hier noch belehren lassen müssen, dass man die richtige Gemeinde Jesu nicht durch Reformen schafft, sondern – um es vereinfacht auszudrücken – nur durch die wirkliche und wahre Frömmigkeit. Selbst schöne Gottesdienste haben da keinen Wert an sich. Da verblüfft es mich doch, dass Jesus auf einer Hochzeitsfeier, wo man zu damaligen Zeiten sowieso schon tagelang Party machte, auch noch jede Menge Wasser in Wein verwandelte. Oder dass er damals öfters mit Leuten an einem Tisch sass als willkommener und geliebter Gast, bei deren Gästeliste die damaligen Religionsvorsteher sofort Pickel bekommen hätten. Warum also soll da kein Gin verkostet werden in einer Kirchengemeinde? Das macht man ja auch mit Wein, wenn es denn zumeist um eine gute Sache geht, oft auch ergänzt mit einem Diavortrag oder dergleichen. Vielleicht sollten wir nicht schon im Voraus unsere Vorurteilsmaschine anwerfen und unsere lieben Mitchristen in den Kirchen unterstellen, sie setzten die völlig falschen Prioritäten. Was sind dann die richtigen Prioritäten ? Vielleicht: Glaube, Hoffnung, Liebe und dem wäre noch hinzuzufügen „auch das fröhliche Lachen und der Humor locker vom Hocker“. Es geht ja bei Gemeinde nicht um die Verbreitung der Neuen Ernsthaftigkeit, sondern um die erfreulichste Nachricht des Universums. Und die verträgt auch eine Gin-Verkostung, oder bei einer schwäbischen Pfarrerin das gemeinsame Kochen und Genießen von wunderbaren schwäbischer Spätzle-Gerichte. Oder die Wilhelm-Busch-Aufführungen des betreffenden Geistlichen. Sodann wohl auch das wunderschöne Feiern beim Gemeindefest. Zwar hat es bei den Festivitäten auch schon Backsteine geregnet, aber es fiel kein Feuer vom Himmel. Miteinander zu quatschen ist nicht Heil stiftend, aber es kann gemeinschaftsbildend sein.

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