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Zinzendorfs Erben: In Herrnhut entscheidet noch immer das Los

Die Losungen der Herrnhuter Brüdergemeine sind für viele Menschen der geistliche Start in den Tag. Der Ablauf der Losungsziehung ist streng festgelegt.

Von Henrike Fischer

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Regentropfen prasseln auf den Boden nieder, Nebel hat sich tief über die Stadt gelegt. Die Menschen verstecken sich unter ihren Regenschirmen. Es ist ein trüber Tag im Örtchen Herrnhut. Und doch ist es ein Tag voller Hoffnung: Heute, am 15. April, wurden zum 280. Mal die Herrnhuter Losungen gezogen – für das Jahr 2013.

Voller Erwartung gehe ich in den Tag hinein: Es ist das erste Mal, dass ich miterleben darf, wie die weltbekannten Herrnhuter Losungen entstehen. Auf dem Weg zum Vogtshof, dem Ort, wo die Losungen gezogen werden, komme ich vorbei an der Herrnhuter Brüdergemeine. Es ist die Gemeine, in der ich groß geworden bin. Und als gebürtige Herrnhuterin spielen die Losungen natürlich von klein auf eine wichtige Rolle.

Im Vogtshof angekommen betrete ich den kleinen, barocken Raum, in dem die Ziehung stattfinden soll. Die weiß gehaltenen Wände, der Holzboden und die bescheidene Einrichtung spiegeln die Schlichtheit wider, die für die Brüdergemeine charakteristisch ist. Auf dem ovalen Tisch steht eine antike, silberne Schüssel, in der sich das Spruchgut von etwa 1800 alttestamentlichen Bibelversen befindet. Rings um den Tisch herum haben sich bereits Mitglieder der Brüdergemeine sowie Gäste und Pressevertreter versammelt, die dem Ereignis beiwohnen.

Erst Andacht, dann Auslosung

Dann beginnt das alljährliche Losungsziehen feierlich mit einer halbstündigen Morgenandacht. Gemeinsam lesen wir die Tageslosung aus Jesaja 65, hören eine Ansprache von Pfarrerin Karin Wiedemann und segnen betend das im Anschluss stattfindende Ziehen der Losungen. Den Abschluss bildet das Lied „Jesus soll die Losung sein, da ein neues Jahr erschienen.“

Der Ablauf der Ziehung ist in der Regel in jedem Jahr der gleiche: Das Datum des zu ziehenden Tages wird angesagt. Ein Kärtchen mit einer Nummer zwischen 1- 1829 wird gezogen und dem dazugehörigen Vers aus einem antiken Buch zugeordnet. Dann wird der Bibelvers vorgelesen.

„1. Januar 2013.“ Die erste Losung wird gezogen. Passend zum Jahr 2013 ist es die Nummer 1313. Zum Neujahrsanfang werden die Menschen also mit einem Wort des Propheten Jesaja begleitet: „Im Herrn habe ich Gerechtigkeit und Stärke.“ Jesaja 45, 24

Übersetzung in 50 Sprachen

Die eigentliche Arbeit beginnt jedoch erst nach Beendigung der Ziehung: Ein Redaktionskreis aus zehn Personen hat in den kommenden Monaten die Aufgabe, für den alttestamentlichen Vers einen passenden Bibeltext aus dem Neuen Testament sowie einen Liedvers oder ein Gebet herauszusuchen. Die fertigen Losungen werden anschließend in über 50 Sprachen übersetzt. Zusätzlich werden eine Jugend- eine Blinden- und sogar eine Gehörlosenlosung angefertigt. Erst dann wird das Andachtsbuch mit einer Auflage von über einer Million Exemplare in die Welt verschickt.

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Die 280. Ziehung brachte eine Neuerung mit sich: Erstmals konnten auch Gäste an dem Losungsziehen teilnehmen. „Bisher haben wir das nicht gemacht“, sagt Direktionsleiter Frieder Vollbrecht. „Es sollte kein öffentliches Event darstellen. Der Wunsch ist aber doch sehr stark gewesen, sodass wir zehn Leuten die Möglichkeit gegeben haben, dabei sein zu können“. Insgesamt gab es mehr als 500 Zuschriften von Interessenten. Am Ende entschied, natürlich, das Los.

Auch Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf begutachtet sein Werk auch heute noch, 250 Jahre nach seinem Tod, von einem Bild herab. Er war es, der die Herrnhuter Losungen 1727 ins Leben gerufen hat. Zunächst wurde die Tageslosung von Haus zu Haus, von Mund zu Mund weitergegeben. Dann, vier Jahre später, gab Zinzendorf das erste Losungsbuch heraus. Seither gibt die Losung Christen und Nichtchristen 365 Mal jährlich nicht nur Hoffnung und Kraft, sondern auch ein Leitwort für den Tag, über das sie nachdenken sollen.

Dabei kommt es nicht selten vor, dass die tägliche Losung genau in eine bestimmte Lebenssituation passt oder zu einer Entscheidung, vor der man steht. Die Gefahr, dass Menschen die Losung als Prophezeiung gebrauchen, ist deswegen hoch. „Wir versuchen dem aber entgegenzuwirken“, betont Frieder Vollbrecht. „Es gab einmal ein Paar, das angerufen hat und die Losungen von sämtlichen Samstagen aus dem kommenden Jahr haben wollte – für ihre Hochzeitsplanung. Das haben wir nicht gemacht.“

„Es gibt viele Menschen, die sich über die Losungen freuen und die sich bei uns bedanken“, sagt Karin Wiedemann, Pfarrerin der Brüder-Unität. „Dabei sollten die Menschen im Blick behalten, wem sie das alles verdanken. Eben nicht uns, sondern Gott. Denn die Losungen sind dafür da, sich Zeit für Gott zu nehmen. Morgens oder irgendwann am Tag.“

Webseite: Die Losungen


Obwohl der Gedanke naheliegt, haben die Tageslosungen der Herrnhuter Brüdergemeine nichts mit der Jahreslosung zu tun. Die Tageslosung gibt es bereits seit 1731. Die Tradition der Jahreslosung wurde dagegen erst im Jahr 1930 vom schwäbischen Pfarrer Otto Riethmüller begründet.

QuelleJesus.de

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