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Gestorben für unsere Sünden

Die Vorstellung eines stellvertretenden Opfertods am Kreuz ist vielen Menschen heute fremd. Was hat Jesus selbst über seinen Tod gesagt?

Von Dr. Guido Baltes

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Der prominente Journalist Franz Alt landete 1989 mit seinem Buch Jesus – der erste neue Mann auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Darin schreibt er die „alte ekelhafte, jesusfeindliche und gottesfeindliche Blut-Theologie“ der Kreuzesbotschaft einem „patriarchalischen Richter-Gottesbild des Alten Testaments“ zu. Dieses aber habe mit dem „mütterlich liebenden Vater“, von dem Jesus redete, nichts zu tun: „Das Christentum ist bisher nie wirklich aus dem Schatten des Judentums herausgetreten. Das ist seine Schuld. Das ist seine Tragik.“ Was Alt hier zugespitzt sagt, wird seit dem 19. Jahrhundert in der Theologie gegen die Deutung des Todes von Jesus als stellvertretenden Sühnetod vorgebracht.

Ähnliche Stimmen werden in den letzten Jahren auch in der freikirchlichen, pietistischen und evangelikalen Welt lauter, wie immer mit etwas zeitlicher Verzögerung. Klassische Formulierungen wie „Jesus starb für meine Schuld“ oder „Jesus hat am Kreuz bezahlt“ oder „Jesus starb für mich, an meiner Statt“ hätten ihren Ursprung weder im Judentum noch im Neuen Testament und schon gar nicht bei Jesus, sondern seien letztlich nur ein Produkt einer neuzeitlichen Anpassung an modernes Rechtsdenken, das in der Reformationszeit plausibel war, heute aber nicht mehr.

Deutungen pflücken wie Blumen?

Im Neuen Testament und heute gibt es unterschiedliche Deutungen des Kreuzestodes. Sie werden ab und zu mit einem Blumenstrauß verglichen: Keine dieser Blumen wäre demnach wichtiger als die andere. Man kann zwar einige als schädlich und giftig identifizieren, aber dennoch stehen alle gleichwertig nebeneinander. Doch wir müssen fragen: Gibt es wirklich nur in der Rückschau solche unterschiedlichen, nebeneinander stehenden „Deutungen“ des Kreuzes – oder hat bereits Jesus selbst seinem Tod eine Bedeutung gegeben?

Wenn ja, dann stehen alle späteren Deutungen nicht gleichwertig neben dem, was Jesus selbst gesagt hat, sondern sind nur Entfaltungen und Illustrationen des Sinnes, den Jesus selbst seinem Tod gegeben hat (wenn man darauf vertraut, dass diese Worte nicht einfach von den Jesusnachfolgern erfunden wurden, sondern tatsächlich auf Jesus selbst zurückgehen). Diese späteren Deutungen müssen sich dann auch daran prüfen lassen, ob und inwiefern sie das, was Jesus gesagt hat, zuverlässig und treffend entfalten – oder ob sie (wie viele annehmen) den Sinn verfälschen, den Jesus seinem Sterben gegeben hat. Wir brauchen also andere Bilder als den Blumenstrauß. Vielleicht den Baum mit Wurzeln und Zweigen. Den Fluss mit Quelle und Delta. Den Unterschied zwischen Intention und Implikation.

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Wie verstand Jesus seinen Tod am Kreuz? Nach seiner Auferstehung fragte er zwei seiner Jünger: „Musste nicht der Messias dies erleiden?“ (Lukas 24,26), und er „fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in allen Schriften von ihm gesagt war“ (Vers 27). Für Jesus erschließt sich die Bedeutung seines Todes also vor allem aus dem Blick in die Schriften Israels, nicht aus dem Gegensatz zu ihnen.

Fünf Bezugspunkte sind dabei besonders wichtig:

Bezugspunkt Nr. 1: Das Passafest

Jesus starb an einem Passafest. Jesus selbst stellt diesen Zusammenhang her, als er mit seinen Jüngern am Abend vor seinem Tod das traditionelle Passamahl feiert. In den Worten, die uns aus dem Abendmahl vertraut sind, vergleicht er das gebrochene Brot mit seinem Leib, „für euch gegeben“ (Lukas 22,19), und den Wein mit seinem Blut.

Inwiefern hilft das Passafest, den Tod von Jesus besser zu verstehen? Im Zentrum steht die Erinnerung an die Rettung durch Gott bei der Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten. Welche Befreiung will Jesus durch „sein“ Passafest feiern? Und welche Sklaverei hat er im Blick? Sucht man in den Evangelien, wo Jesus über Freiheit und Sklaverei spricht, dann geschieht das nur an einer Stelle ausdrücklich: „Wer Sünde tut, der ist ein Sklave der Sünde. […] Aber wenn euch der Sohn frei macht, dann seid ihr wirklich frei“ (Johannes 8,34-36). Es ist also wohl diese Befreiung, die Befreiung aus der Sklaverei der Sünde, die Jesus mit diesem Passamahl feiert.

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Eine besondere Rolle spielt beim Passafest aber das Blut des Lammes: Es wehrt in der alttestamentlichen Passaerzählung die Strafe Gottes ab, die die Ägypter wegen ihrer Sünden trifft. Während in den Häusern der Ägypter die erstgeborenen Söhne sterben, stirbt in den Häusern der Israeliten ein Passalamm an ihrer Stelle: „Wo ich das Blut sehe, will ich vorübergehen (hebr. passach), und die Plage soll euch nicht widerfahren“ (2. Mose 12,23). Weder die Strafe noch das stellvertretende Blutvergießen lassen sich aus dem Bild des Passafestes herauslösen.

Durch seine Worte verankert Jesus seinen Tod tief in der alttestamentlichen und jüdischen Passatradition und gibt ihm damit zunächst eine zweifache Bedeutung: Zum einen ist er ein rettendes Handeln Gottes, das aus der Sklaverei der Sünde befreit. Und zum anderen wendet sein stellvertretend vergossenes Blut die Strafe Gottes ab.

Bezugspunkt Nr. 2: Der Versöhnungstag

Jesus sagt, sein Blut werde vergossen „zur Vergebung der Sünden“ (Matthäus 26,28). Die Vergebung der Sünden hat im Alten Testament und in der jüdischen Tradition ihren Ort aber eigentlich am Versöhnungstag, dem Jom ha-Kippurim, nicht am Passafest. Jesus schlägt hier also eine Brücke zu diesem anderen Fest.

Einmal im Jahr, so beschreiben es die biblischen Vorschriften, betrat der Hohepriester das Allerheiligste des Tempels. Ein Ziegenbock wurde geschlachtet und sein Blut über der Deckelplatte der Bundeslade versprengt. „So soll er Sühne schaffen für sich und sein Haus und die ganze Gemeinde Israels“ (3. Mose 16,17). Anschließend wird ein zweiter Ziegenbock in den Tempel gebracht. Ihm legt der Hohepriester die Hände auf, bekennt alle Sünden des Volkes über ihm und lässt ihn dann in die Wüste wegführen.

Manchmal wird gesagt: Beim Versöhnungstag wird der Ziegenbock ja nicht getötet, sondern er trägt lebendig die Sünde fort. Wäre das nicht ein schöneres, unblutiges Bild für Jesus, das „Lamm Gottes“ (Johannes 1,29.36), das die Sünde der Welt „wegträgt“? Wäre das nicht eine Deutung, die ohne einen stellvertretenden Tod auskommt? Diese gedankliche Linie führt allerdings in die Irre. Mit der Bezeichnung „Lamm“ kann nicht der Sündenbock gemeint sein, der am Versöhnungstag lebendig in die Wüste geführt wurde. Denn dieser war ein Ziegenbock, kein Lamm. Gemeint ist in Johannes 1,29.36 vielmehr ein Opferlamm, wie es zum Beispiel beim täglichen Tamid-Opfer (4. Mose 28,1-6) oder beim persönlichen Schuldopfer (3. Mose 14,24) geschlachtet wurde.

Hinzu kommt, dass auch am Versöhnungstag das „Wegtragen“ der Sünde in die Wüste ja nicht ohne Blutvergießen geschieht. Die Sühne für die Schuld des Volkes geschieht hier vielmehr durch das Blut des ersten Sündenbocks, dessen Blut über der Bundeslade versprengt wird. Nur deshalb kann der zweite Sündenbock in die Wüste geführt werden, um zu verbildlichen, dass die Sünde nicht nur gesühnt, sondern damit auch ganz beseitigt ist. Es ist also gerade die Realität des Opfertodes, der das „Lamm Gottes“ und den Sündenbock des Versöhnungstags miteinander verbindet und dann im Neuen Testament zu einem Bild für den Kreuzestod werden lässt.

Versöhnt, weil Schuld bezahlt wurde

Worum geht es beim Versöhnungstag? In der biblischen Zeit fasst der Versöhnungstag alle Sünd- und Schuldopfer eines ganzen Jahres in einem Akt zusammen. Ähnlich wie Jesus erzählen später die jüdischen Rabbinen viele Gleichnisse, um die Zusammenhänge von Schuld und Vergebung, Gericht und Strafe, Gerechtigkeit und Gnade zu erklären, um die es am Versöhnungstag geht. Es ist genau dieses Repertoire von Gleichnissen und Bildern zum Versöhnungstag, das wir auch bei Jesus immer wieder finden:

Unser Leben ist wie ein Darlehen, das der König der Welt uns anvertraut, damit wir etwas daraus machen, heißt es in einem rabbinischen Gleichnis. Der Versöhnungstag ist wie der Tag, an dem der König zurückkehrt, um mit seinen Knechten Abrechnung zu halten. Da gibt es Geschichten von Königen, die ihren Schuldnern großzügig die Schulden vergeben, die sie nicht zahlen können, aber auch andere, in denen die Schuldner hart bestraft werden. Familienangehörige werden in die Sklaverei verkauft, bis die Schulden bezahlt sind.

Von König David erzählen die Rabbinen, er habe, wenn er zu Gericht saß, die Unschuldigen freigesprochen und die Schuldigen verurteilt. Aber wenn die Schuldigen ihre Strafe nicht zahlen konnten, dann zahlte David für sie.

Es stimmt also nicht, dass das Bild von Gericht und Strafe und von der stellvertretenden Übernahme der Schuld eine Anpassung der Bibel an modernes Rechtsdenken wäre. Vielmehr hat es seinen Ursprung schon in der jüdischen Bildwelt rund um den Versöhnungstag – nur dass in den jüdischen Gleichnissen (und ebenso in den Gleichnissen von Jesus) oft der König die Rolle des Richters einnimmt.

Es ist nicht klar, ob diese rabbinischen Gleichnisse und Erklärungen zur Zeit von Jesus schon existiert haben. Wir sehen aber in den Evangelien, dass Jesus sehr ähnliche Gleichnisse erzählt hat. Er hat immer wieder Bilder des Versöhnungstags verwendet, um über Schuld und Vergebung, Strafe und Gericht zu sprechen.

Am Abend vor seinem Tod vergleicht er nun sein eigenes Blut mit dem Blut, das am Versöhnungstag vergossen wird, „zur Vergebung der Sünden“. Und er macht damit deutlich: Er selbst ist dieser König, der selbst in die Welt kommt, um in Menschengestalt die Schulden seines Volkes zu bezahlen. Er, dessen Blut wir vergießen, weil wir ihn zurückweisen, vergießt sein Blut an unserer Stelle. Er trägt die Strafe, die wir verdient hätten.

Bezugspunkt Nr. 3: „Die Vielen“ und der eine Knecht Gottes

Jesus sagt weiter, sein Blut werde vergossen „für viele“ (Markus 14,24 und Matthäus 26,28). Warum nicht „für alle“ oder „für die Welt“? Weil diese Worte bewusst an einen bedeutsamen Text aus dem Buch des Propheten Jesaja anknüpfen: „Er, mein Knecht, der Gerechte, wird den Vielen Gerechtigkeit schaffen, weil er ihre Sünden trägt“ (Jesaja 53,11-12).

Dass Jesus sein eigenes Leben und Sterben durch einen Bezug auf diese Worte Jesajas deutet, war etwas Neues und Überraschendes. In dieser Jesaja-Prophetie wird die Hingabe des Lebens nicht nur als „Opfer“, sondern auch als „Strafe“ bezeichnet, die der Gottesknecht stellvertretend für die vielen erleidet. Auch das stellvertretende Strafleiden ist also keine reformatorische Erfindung, sondern tief verankert in dem biblischen Kontext, den Jesus seinem Tod gegeben hat:

„Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt“ (Jesaja 53,5). Der Kontext zeigt, dass es hier um Schläge, Marter, Schmerzen und sogar den Tod geht. Das Bild einer stellvertretenden Strafe, die der Knecht Gottes für unsere Sünden trug, lässt sich also aus der Bibel nicht wegerklären.

Bezugspunkt Nr. 4: Das Lösegeld

Einen engen Bezug zu den Abendmahlsworten und den dahinter stehenden biblischen Texten hat auch das sogenannte „Lösegeldwort“ aus Markus 10,45 und Matthäus 20,28: „Denn der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als ein Lösegeld für viele.“

Was ist mit dem Lösegeld gemeint? Wer wird freigekauft und wovon? Viele Ausleger denken hier an das Bild des römischen Sklavenmarktes. Und fragen dann: Von wem muss Gott uns eigentlich freikaufen? Etwa vom Teufel? Wäre der dann nicht letztlich mächtiger als Gott?

Doch es ist nicht das Bild vom römischen Sklavenmarkt, das Jesus hier verwendet, sondern wir finden auch hier wieder tief in der Bibel verwurzelte Bilder: Im Alten Testament wird das Bild vom Lösegeld zum Beispiel für Opfertiere verwendet, deren Leben stellvertretend für das Leben eines Menschen gegeben wird. Die Formulierungen „für die Vielen“ und „sein Leben hingeben“ (griech. psychē / hebr. nefesch) verweisen außerdem auch hier sehr deutlich auf den Gottesknecht aus Jesaja 53,11-12. Dort wird zwar nicht das Wort „Lösegeld“ verwendet, sondern er gibt sein Leben (nefesch) als „Schuldopfer“.

Im Blick ist hier kein Freikauf von einer versklavenden Macht und schon gar kein Lösegeld für den Teufel, sondern es geht wieder um unsere Schulden bei Gott, die wir nicht bezahlen können. Bereits im Alten Testament verspricht Gott, selbst das Lösegeld für sein Volk zu zahlen (Jesaja 43,3-4):

„Ich gebe Ägypten für dich als Lösegeld […] weil du teuer bist in meinen Augen und herrlich und weil ich dich liebhabe, gebe ich Menschen [adam] an deiner Stadt und Völker für dein Leben [nefesch].“

Hier lohnt sich ein genauerer Blick auf die Mehrdeutigkeit des Textes: Das Wort adam kann im Hebräischen sowohl „ein Mensch“ als auch „Menschen“ bedeuten. Im ursprünglichen Kontext sind dabei wohl zunächst Menschen aus anderen Völkern im Blick. Jesus aber bezieht das Wort auf den einen „Sohn des Menschen“ (ben adam), der sein Leben (nefesch) als Lösegeld gibt. Das Lösegeldwort entfaltet seine Bedeutung also in enger Verbindung mit den Abendmahlsworten und den gemeinsamen Bibeltexten, die hinter beiden stehen.

Bezugspunkt Nr. 5: Der Neue Bund

Im Rahmen des letzten Abendmahls stiftet Jesus den „Neuen Bund“. Woran genau macht dieser sich fest? In der Diskussion wurde vorgeschlagen, dass der Neue Bund allein durch die Tischgemeinschaft und nicht durch den Tod von Jesus gestiftet wird. Doch auch hier geht die eigentliche Bedeutung verloren, wenn man den Bezug zu den Schriften Israels nicht kennt oder ihn bewusst trennt. Jesus spricht im Abendmahlswort ausdrücklich von seinem „Blut des Bundes“, das vergossen wird.

Das ausgegossene „Blut des Bundes“ stammt aus einem weiteren biblischen Bezugstext: dem Bericht über den Bundesschluss am Sinai. Hier finden wir einen fast wörtlichen Anklang an die Abendmahlsworte: Mose nahm das Blut von Opfertieren, „vergoss es“ in ein Becken und sagte: „Das ist das Blut des Bundes, den der Herr mit euch geschlossen hat“ (2. Mose 24,6-8). Auch das Bild des Neuen Bundes kann daher nicht vom Bild des Opfertodes und von der stellvertretenden Lebenshingabe des Gottesknechtes losgelöst werden.

Und die anderen Deutungen des Kreuzes im Neuen Testament?

Es gibt noch viele andere neutestamentliche Bilder für die Bedeutung des Kreuzes. Sie alle stehen aber nicht einfach „neben“ dem Abendsmahlswort und dem Lösegeldwort, sondern sie beziehen ihren Sinn erst aus diesen Worten: Wenn etwa Jesus sein Kreuz mit der Schlange vergleicht, die Rettung bringt (Johannes 3,14), mit dem Weizenkorn, dessen Tod Frucht bringt (Johannes 12,24), oder mit dem Hirten, der stirbt, um seine Schafe zu retten (Johannes 10,11), dann haben diese Bilder nur dann einen Sinn, wenn das Kreuz tatsächlich die Vergebung der Sünden bringt. Darin liegt die Rettung und die Frucht, die der Tod von Jesus mit sich bringt.

Auch die vielen weiteren neutestamentlichen Aussagen über das Kreuz sind keine „alternativen Deutungen“, sondern beschreiben dasselbe Geschehen mit jeweils anderen Bildern, indem sie auf die gleichen Bibeltexte zurückgreifen wie Jesus selbst: Paulus bezeichnet Jesus als unser Passalamm (1. Korinther 5,7), als Sühneort des Versöhnungstages (Römer 3,25-26) oder als ein Opfer, das Gott dargebracht wird (Epheser 5,8). Der Hebräerbrief vergleicht Jesus sowohl mit dem Hohepriester als auch mit dem Opfer, das er bringt, und die Offenbarung zeigt Jesus als das Lamm, „wie geschlachtet“ auf dem Thron (Offenbarung 5,6-13 u.a.).

Anklänge an das Lösegeldwort finden sich an vielen Stellen des Neuen Testaments. Die Reihe könnte noch beliebig fortgesetzt werden. Alle diese späteren Bilder und Deutungen des Kreuzestodes sind also nicht alternative Deutungen, sondern Entfaltungen dessen, was Jesus selbst über seinen Tod gesagt hat.

Blumenstrauß oder Wurzelwerk?

Zugegeben: Heute sind uns die Vorstellungen von Opfer, Stellvertretung und Lösegeld fremd. Das Bild vom Blumenstrauß für die verschiedenen biblischen und kirchengeschichtlichen Bilder scheint da eine Hilfe: Dem einen gefällt diese Blume, dem anderen jene. Und manche kann man auch einfach entsorgen, weil sie nicht mehr zeitgemäß ist oder sogar giftig.

Aber dieses Bild vom Blumenstrauß trifft die Realität nicht, denn es stellt nebeneinander, was eigentlich hintereinander gehört: die Aussagen von Jesus über seinen Tod und ihre spätere Entfaltung im Neuen Testament und in der Kirchengeschichte. Bilder und Erklärungen des Kreuzestodes können nicht beliebig neu erfunden werden, sondern müssen sich kritisch prüfen lassen an dem, was im Neuen Testament als ursprüngliche Absicht von Jesus beschrieben wird.

Was Jesus über seinen Tod sagt, darin steckt eine Fülle von biblischen Bezügen und Querverbindungen, die seine Worte tief in der Geschichte Gottes, im Alten Testament und im Glauben Israels verankern. Sie stehen nicht einfach nebeneinander wie Blumen in der Vase. Sie sind untereinander verflochten und untrennbar miteinander verbunden. Ihren Sinn und ihre Kraft beziehen sie voneinander und nur im Bezug aufeinander. Daher sind sie nicht nur Blumen in einem Strauß, sondern eher wie ein eng verflochtenes Wurzelwerk, aus dem später ein ganzer Baum an Kreuzestheologien erwächst. Sicher kann und muss man hier den einen oder anderen Zweig stutzen. Aber wenn man die Wurzeln entfernt oder den Baum von seinen Wurzeln trennt, dann wird er nicht leben können.

Dr. Guido Baltes ist Dozent für Neues Testament am MBS Bibelseminar (Marburg), Lehrbeauftragter an der Evangelischen Hochschule Tabor und Privatdozent an der Philipps-Universität Marburg.

Der Beitrag ist ein deutlich gekürzter Auszug aus seinem Kapitel in dem Sammelband „Die Kraft des Kreuzes. Warum der Tod Jesu die größte Chance unseres Lebens ist“, herausgegeben von Frauke Bielefeldt. Weitere Bezüge und Nachweise von rabbinischen Quellen finden sich dort.

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2 Kommentare

  1. Jesus sein Blut macht „rein“….wäscht mich rein von meiner Schuld und Sünde….denn nur ER war ohne Schuld und so so rein und perfekt.
    So liebevoll ….
    Jesus ist Gott in Person und für uns Alle auf diese Erde und Welt gekommen um uns frei zu machen von unserer Schuld und zu erlösen.
    Er wollte und will uns helfen die Welt und die Menschen…unser Leben mit seinen Augen zu sehen.
    In Liebe.
    Gott ist Liebe….und Jesus ist aus Liebe zu uns ans Kreuz gegangen.
    Aus reinster Liebe.
    Dadurch hat jeder Mensch die Möglichkeit Vergebung zu erfahren.
    Jesus wäscht rein durch sein Blut.
    Er nahm stellvertretend für mich und dich -all unsere Sündhaftigkeit als Mensch mit ans Kreuz!
    DANKE liebster JESUS. Amen
    Und nur durch dieses Opfer am Kreuz ist es möglich wahrhaftige Freiheit auch im Geist zu erfahren!
    Jesus macht dieses Angebot….wir können ihn in unser Leben einladen und mit ihm Leben.
    Das Kreuz und sein Blut ist auch die Bedeutung für den Sieg über Leben und Tod!
    Jesus ist der Sieger!
    Er ist die Wahrheit, das Leben(ewiges Leben), die Auferstehung auch in uns…durch sein Blut am Kreuz von Golgatha
    Ich/Wir können jederzeit unsere Fehler und Sünde…egal was gerade ist,an sein Kreuz legen…ihm geben.
    JESUS ist treu und liebt bedingungslos…wie kein Mensch es könnte.
    ER vergibt!
    Er trägt meine Last…hat all unsere Lasten, ja die Schuld der Welt am Kreuz getragen!
    Einer starb für Alle!
    Diese Liebe kann man nicht in Worte fassen…wer würde sein Leben geben?
    Damit ich frei sein kann?
    Du frei sein kannst?
    Frei in Ihm…durch sein Blut!
    Amen
    In jedem wiedergeboren Christen lebt Jesus seine Auferstehungskraft…denn ER ist und bleibt ewig!
    Danke mein liebster Jesus, dass du ans Kreuz gegangen bist für mich und meine Schuld.
    Ich danke dir mein Jesus.
    Aus reinster Liebe gabst du dein Leben für mich und den Rest der Welt.
    Dafür danke ich dir mein liebster, allerliebster Jesus.
    Ich liebe dich.
    Hab Dank
    Amen ich bin so so dankbar, dass Jesus in mir lebt und immer bei mir ist und bleibt! So dankbar.

  2. Jesus machte die Liebe Gottes exemplarisch

    Deutungen des Kreuzestodes Jesu so zu pflücken wie Blumen? Nein: Es sind nicht ALLE Deutungen nebeneinander richtig. Aber natürlich ist der Tod Jesu am Kreuz doch ein sicheres Zeichen des Himmels, daß einerseits Gott (und damit Jesu Botschaft) unendliche Liebe mit all jener Ethik ist, die sich doch sehr von jener dieser Welt unterscheidet. Jesus versucht nicht vom Kreuz zu fliehen. Oder Engelheere zu rufen, die es als militärische Einrichtung dort nicht geben wird, weil Gott seine Feinde liebt. Damit kann ich meine damalige Kriegsdienstverweigerung auch heute noch sehr gut begründen, weil sie auch einer (angeblich natürlichen) Logik der Welt widerspricht. Gott ist wirklich der ganz andere Gott und nicht wie wir.

    Die göttliche Liebe will nicht den Tod des Sünders, nicht jener des braven unreligiösen Lieschen Müller, die im Leben immer gut war, noch jene der ganz großen Unmenschen in dieser Welt. Denn er ist ja eben für alle Menschen und jede Kreatur zur Vergebung der Sünde gestorben. Gottes Weg ist ein völlig anderer, der antizyklisch bleibt und alles ins Gegenteil verkehrt. Golgatha ist dabei aber das eigentliche Gericht über unsere Welt und seine Methoden, hier für Gerechtigkeit zu sorgen. Für Christinnen und Christen ist daher zumeist klar, daß Gott weder alle damaligen Kriege der Israeliten führte, noch der heutigen brutalen Gewalt in Kriegen, oder nichts unserer häufigen Lieblosigkeit etwas abgewinnt. Wenn wir die Feinde lieben sollen und es meist nicht können, tut es Gott dennoch. Insoweit ist nicht nur Kreuzigung und Auferstehung Jesu monokausal, sondern grundsätzlich die große Liebe Gottes die Absicht der Sendung Jesu. Aber kann hier für richtig halten, daß konkret Glaube nicht selbstverständlich
    immer die Liebe an erster Stelle positioniert, sondern auch das Vertrauen in Gott. Zudem ist Glaube konkret in dem wie wir denken, leben und handeln und nur was mich wirklich angeht (und existenziell bewegt) ist dann auch echte Religion (also Rückbindung an Gott und die Ewigkeit).

    Unser Blick auf Jesus hatte unser Gottesbild damit völlig verändert: Nicht Gott wird milder im Neuen Testament, er ist es ewig immer. Vielleicht ist es nicht nur (auch) das Unvermögen der Menschen in der Antike, sondern zudem unserer heutigen Herrschern in der Demokratie und bei denen in Unrechtsstaaten: Gott herrscht nur mit Mitteln der Liebe. Weshalb sonst hätte ein Gott, der auf dem Thron des Universums sitzt, überhaupt erst ein Mensch werden müssen, in einer Notunterkunft geboren und auf Golgatha brutal hingerichtet? Doch nur, um uns mit riesigen Scheunentoren zu winken, anstelle von philosophischen Betrachtungen und weisen Regeln, die von Anfang der Welt an gelten? Daher glaube ich auch, daß es erstens ohne Jesus kein Heil und keinerlei Erlösung gibt. Aber daß Gott auch zweitens nur mit den Mitteln der Liebe herrscht und uns besser als hier jeder Vater und jede Mutter uns erzieht. Ein himmlischer Vater (und auch Mutter) ist kein antiker Tyrann, der brachial Todesstrafe anwendet, wenn ihm Menschen nicht genehm sind. Aber was auch richtig ist: Niemand wird sich nach seinem Tod einfach an Gott vorbeimogeln können. Alle Menschen werden sich, wenn noch nicht, sich mit ihm freiwillig versöhnen. Wie damals der gewaltbeherrschte Saulus Jesus vor Damaskus, als er einem großen Licht, (möglicherweise eine Nahtod-Erfahrung), begegnete und aus ihm der große Völkerapostel wurde. Auch Luther bekannte, daß er von Gott schon geliebt wurde, als er noch versuchte mit eigenen Bemühungen gerecht zu werden. Das funktioniert nicht. Aber gerade Liebe in ihrem göttlich-himmlischen Sinn ist immer ein unverdientes Geschenk. Ich bin nicht erlöst aufgrund meiner religiösen Leistungen, sondern weil mich Gott so sehr liebt (wie alle Menschen), als gäbe es im unendlichen Universum nur mich alleine. Und für mich und auch jeden Menschen in dieser Welt wurde Gott ein Mensch und ging in die allertiefste Tiefe unserer kreatürlichen Existenz, in den Tod des grausam Hingerichteten. Daher: Niemand kann hier größere Liebe haben als Gott und er zeigte sie im Angesicht Jesu. Da frage ich nur: Kann es eine größere Liebe geben wie von jemanden, der für mich in den Tod ging? Wir sind alle auf Hoffnung hin erlöst und dazu ausersehen auch ein Ebenbild Gottes zu sein. Aber wir sind zudem Sünder: Ich, das unreligiöse Lieschen Müller, die Pfarrerin, ein Kirchenpräsident und auch der Papst. Aber Gott hat die Sünde, wie in einem himmlisch-notariellen Vertrag, an das Kreuz genagelt und daher für Zeit und Ewigkeit ungültig gemacht. Dies ist keine billige Gnade, nur Liebe.

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