Jesus hat seine Jünger nicht zum Fasten aufgerufen, sagt Neutestamentler Johann Bauer. Und trotzdem setzte sich das Fasten im Christentum durch. Wie kam es dazu?
Hat Jesus gefastet? Da Jesus Jude war und die jüdische Tradition lebte, sei das nicht auszuschließen, sagt der Neutestamentler Johann Bauer in einem Interview mit dem Nachrichtenportal katholisch.de. Die Bibel überliefert 40 Tage Fasten und Beten in der Wüste. „Generell war Jesus von einem asketischen Leben weit entfernt“, meint Bauer. Darauf weise der Vorwurf hin, er sei ein Fresser und Säufer.
Jesus habe seine Jünger nicht zum Fasten aufgerufen, sagt Bauer. Fasten gelte im Judentum als Ausdruck der Trauer und Buße. „Jesus hat sich aber als Bote der nahenden Gottesherrschaft verstanden. Ihm ging es also nicht um Trauer, sondern im Gegenteil um die frohe Botschaft.“ Der Freude darüber verleihe Jesus Ausdruck im gemeinsamen Essen. Zum Beispiel mit Zachäus, dem Zöllner.
Das Fasten hat sich trotzdem im Christentum durchgesetzt. Das hatte zwei Gründe, meint Bauer. Zum einen hätten sich die frühen Christen in einer jüdischen und heidnischen Umwelt befunden, in der Fasten und Askese eine wichtige Rolle gespielt hätten. Zum anderen bereiteten sie sich damit auf das „erwartete Wiederkommen Jesu und die eigene Auferstehung“ vor.
Bauer: Fasten hat soziale Dimension
Die heutige Praxis des Fastens hat sich laut Bauer erst über die Jahrhunderte herausgebildet. Anfangs hätte es keine Fastenzeit vor Ostern oder Weihnachten gegeben. Erst seien einzelne Fastentage eingeführt worden, dann eine ganze Woche und erst im vierten Jahrhundert waren es 40 Tage. Manche Mönche entwickelten auch extreme Formen des Fastens. Die sogenannten Säulenheiligen verbrachten den Großteil ihres Lebens auf einer Säule und fasteten radikal. Sie brachten damit ihre „absolute Opferbereitschaft“ zum Ausdruck und trauerten über die eigene Unvollkommenheit, sagt Bauer.
Fasten hat im Christentum nach Aussage von Bauer immer eine soziale Dimension. „Ich zeige mich solidarisch mit den Armen, Schwachen und Kranken.“ So stehe es auch im Matthäus-Evangelium: „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer.“ (Mt 9,13)
Link: „Theologe: Von einem asketischen Leben war Jesus weit entfernt“ (katholisch.de)