Kirchenpionierin Daniela Mailänder ist überzeugt: Veränderung lohnt sich. Gott wartet in der „Wildnis“ auf uns.
Daniela, wie träumst du Kirche?
Daniela Mailänder: Ich träume sie konkret beim Innovationsprogramm „MUT“, einem Förderprogramm, das missionarische Kirchen-Start-ups fördert. Da komme ich mit Menschen zusammen, die nicht nur von Kirche träumen, sondern sie gestalten und in der Zukunft leben wollen.
Außerdem arbeite ich für die Fresh X [eine kirchliche Erneuerungsbewegung; Anm. d. Red.] Initiative „Kirche Kunterbunt“. Da wird Kirche für Familien laut, frech, chaotisch und wundervoll gelebt. Wenn Pippi Langstrumpf in die Kirche gehen würde, würde sie wahrscheinlich hier landen.
Wie sieht eine perfekte Kirche für dich aus?
Mailänder: Ich liebe Stille, Menschen und viel Bewegung. Vielleicht würde das dann wild aussehen: ein altes Kirchengebäude, das gleichzeitig Sportstudio, ästhetischer Meditationsraum und Lounge mit leckeren Kaffeeköstlichkeiten ist.
Zudem würde in meiner „perfekten“ Kirche ein Baum stehen, auf dem meine Kinder herumklettern und an dessen Ästen eine lange Schaukel hängt. Ich sitze so ungern auf Stühlen im Kreis.
Kirche ist ja nicht gleich Gott, trotzdem suchen und finden wir ihn dort. Dennoch gibt es viele Menschen, die in und an der Kirche leiden – wie hältst du diese Diskrepanz aus?
Mailänder: Die Aussage „Gott ja. Kirche nein.“ begegnet mir sehr häufig, wenn ich Menschen erzähle, dass ich als Gründungsmentorin und Kirchenpionierin arbeite. Trotzdem glaube ich trotzig an die Kirche!
Weil ich an Gemeinschaft und ein Miteinander glaube, wo man um gute Lösungen ringt. Dass sich Gott darin zeigt, Spiritualität nur für sich alleine zu leben, halte ich für verkürzt. Wir brauchen Kirche. Sie sollte aber anders aussehen als das, was wir oft als Kirche erleben.
Warum haben wir Angst vor Neuem?
Mailänder: Veränderungen, ob sie positiv oder negativ, gewollt oder ungewollt sind, haben immer Unsicherheit im Gepäck. Das ruft Angst hervor. Ich nenne diese Unsicherheit Wildnis – denn stell dir vor, du bist in der Wildnis unterwegs: Du weißt nie, was hinter der nächsten Ecke wartet, wo du etwas zu essen herbekommst oder wie du übernachtest. Ganz schön beängstigend.
Wenn du also gerade Angst vor Veränderung spürst, lohnt es sich, dir klarzumachen, dass das normal und okay ist. Gleichzeitig darfst du darauf vertrauen, dass dich jede Veränderung auch voranbringt und du die Schönheit der „Wildnis“ entdecken wirst. Außerdem sage ich gerne, dass da draußen ein Feuer für uns brennt. Das hat Gott entzündet, um uns in der Wildnis-Veränderung zu begegnen.
„Jede Veränderung birgt das Potenzial, dass unser Vertrauen wachsen kann und wir Selbstwirksamkeit erleben können.“
Daniela Mailänder
Was ist gut an Veränderungen?
Mailänder: Jede Veränderung, die wir erleben, bietet die Chance, neue Entdeckungen zu machen. Lass mich ein Beispiel geben: Eine Freundin hat vor kurzem ein Studium gestartet. Sie hatte Angst, ihren Job aufzugeben, umzuziehen und in die Uni-Welt einzutauchen.
Jetzt sagt sie: „Das war das Beste, was ich machen konnte. Schon nach wenigen Wochen habe ich das Gefühl, ganz anders über die Welt nachzudenken. Ich habe neue Leute kennengelernt und ich lerne, mir selbst zu vertrauen. Ich kann das schaffen.“ Jede Veränderung birgt das Potenzial, dass unser Vertrauen wachsen kann und wir Selbstwirksamkeit erleben können. Das meine ich mit „Schönheit der Wildnis“.
Wie kann Veränderung stattfinden?
Mailänder: Wer nicht bereit ist, einen Schritt zu gehen, der wird keine Veränderung erleben, sondern immer nur beim Alten bleiben. Ich erlebe das oft in der Beratung von Gemeinden: „Es kommt niemand in unsere Gottesdienste. Aber wir sind nicht bereit, über die Uhrzeit, die Musik, die Sprache und die Rahmenbedingungen zu sprechen …“
Lass es mich noch drastischer sagen. Im persönlichen Leben kann das heißen: „Ich will mich echt ändern und damit beginnen, etwas fürs Klima zu tun. Aber es darf mich nicht meine Gewohnheiten kosten, was ich esse, mit wem ich meine Zeit verbringe, wie ich wohne oder wofür ich mein Geld ausgebe.“ Will sagen: Veränderung gelingt nur in der Bewegung – innerlich und manchmal auch äußerlich.
Manche Umbrüche sind aber auch nicht selbst gewählt. Wie kann ich mit dem, was gerade in der Welt abgeht, umgehen?
Mailänder: Wir bewegen uns gerade alle miteinander in der Wildnis der Unsicherheit – einer globalen Veränderung. Angst zu spüren, ist erst mal OK. Aber was macht man bei Angst? Man versucht, ruhig zu bleiben, um klar zu denken.
Ich wünsche mir, dass wir miteinander ruhig bleiben und klug die nächsten Schritte gehen. Dass wir wachsam, nüchtern und ruhig Gefahren, Möglichkeiten und Informationen, was um uns herum passiert, zusammentragen und dann mutig eine Entscheidung treffen. Oft habe ich den Eindruck, dass wir stattdessen blind drauflosrennen, wenn wir nach Lösungen suchen.
„Suche Gott dort draußen in der Wildnis.“
Daniela Mailänder
Wie kann ich mich besser auf neue Situationen einstellen?
Mailänder: Suche das Feuer! Damit meine ich im übertragenen Sinne: Suche Gott dort draußen in der Wildnis. Ich stelle mir gerne vor, dass ich bei ihm am Feuer sitze (manchmal tue ich das auch tatsächlich). Es wärmt mich und macht Licht, außerdem steht da ein warmes Essen.
Suche Gott in den neuen Herausforderungen! Mir begegnet er oft, wenn ich durchatme und zur Ruhe komme. Dann sage ich mir: „Bleib ein bisschen beim Feuer sitzen und ruhe dich dort aus, bevor es weitergeht.“
Wie kann ich besser durch Krisen gehen?
Mailänder: In dem du dir bewusst wirst, dass es gerade eine Krise ist, dass es also Aufmerksamkeit für die derzeitige Situation braucht und sie zur ersten Priorität gemacht werden sollte. Das Wort „Krise“ bedeutet ja auch „Wendepunkt“. Eine Krise hat das Potenzial, zu einem Wendepunkt zu werden. Dafür braucht es Achtsamkeit, das Zulassen von Emotionen und konkretes Handeln, das in die Bewegung führt.
Nimm eine andere Haltung ein, nimm Hilfe an, wage einen Schritt. Oft hilft auch äußerliche Bewegung: Geh spazieren, beginne eine neue Sportart oder fahre eine Runde mit dem Fahrrad. Wir unterschätzen oft die Kraft der äußeren Bewegung und wie sie in unser Innenleben hineinwirkt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Priska Lachmann.
Daniela Mailänder ist Theologin, Pädagogin und Designthinkerin. Sie coacht Pionierprojekte im Kircheninnovationsprogramm „MUT“ und im CVJM Bayern.
Dieses Interview ist in der Zeitschrift DRAN erschienen. DRAN ist Teil des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.
„Wie sieht eine perfekte Kirche für dich aus?“ „Wenn du eine perfekte Gemeinde findest, dann schließe dich ihr nicht an. Denn sobald du das tust, ist sie nicht mehr perfekt.“
„etwas fürs Klima zu tun.“ . weil es gerade angesagt ist?
Am Feuer mit Gott sitzen? Aha. Nicht einmal wird die Bibel erwähnt, durch die Gott zu uns spricht. Die Wildnis spricht nicht zu uns, sonst wären alle Grünen Christen.
Guten Tag Morgenstern, die Autorin verwendet das Wort „Wildnis“ bildlich, nicht wörtlich 😉 MfG, das JDE-Team