Wie lebte es sich als Christ in der DDR? Was prägt die Menschen und Gemeinden dort heute? Ein Pfarrer, selbst gebürtiger „Ossi“, erzählt – und äußert drei Wünsche.
Von Pastor Stephan Richter
Ich bin als Kind der DDR aufgewachsen. Meine Eltern waren als gläubige Christen – nicht staatstreu. Wer Christ war in der DDR, wusste, was diese Entscheidung kostete. Wer sich gegen den sozialistischen Staat entschied, erlebte Nachteile, die eine ganze Lebensbiographie veränderten.
Meine Schwiegermutter hatte sich mit 13 Jahren auf einer „Rüstzeit“ zu Jesus bekehrt anhand von Matthäus 7,14: der schmale und der breite Weg. Da ihr Ziel die Ewigkeit war, wählte sie den schmalen Weg und nahm die Einschränkungen in Kauf.
Daraufhin bezeugte sie, dass sie kein Jungpionier mehr sein möchte. Sie begann kritisch zu denken und ihr fiel die Ähnlichkeit zwischen den Pioniergesetzen und den Zehn Geboten auf: (sinngemäß) nicht lügen, nicht stehlen; allerdings auch das erste Gebot, sich dem Sozialismus zu verpflichten, mit allem, was ich bin und habe. In ihrem Zeugnis stand: „Ihr gesellschaftliches Verhalten entspricht nicht der Norm.“ Sie wurde vor ein Gremium geladen, bestehend aus 4–5 Erwachsenen im Direktorat, um zu erklären, warum sie nicht zur FDJ geht und statt Jugendweihe die Konfirmation wählte.
Von einer Missionierung oder Durchdringung unserer Gesellschaft sind wir noch weit weg
Von solchen Geschichten bin ich geprägt worden. Dieses Lebensgefühl lässt sich nicht vererben, denn es beruht auf Lebenserfahrungen, die ja jeder für sich selbst machen muss. Aber es erklärt einen der Hauptunterschiede zu Christen in Westdeutschland, die den Sozialismus nicht am eigenen Leib erlebt haben. Christen im Osten waren nie angepasst. Die Überschneidung von Staat und Kirche war sehr gering, dafür waren sich Volks-Kultur und Kirche näher. Heute, so scheint es mir, ist es anders herum.
Trotz 40 Jahren DDR und einer rasanten Veränderung seit der Wende haben Glaube und Gemeinden in vielen Milieus recht gut überwintert. Mehr aber auch nicht. Von einer Missionierung oder Durchdringung unserer Gesellschaft sind wir noch weit weg, obwohl wir auf einem großen Schatz hocken: dem geistlichen Erbe von Luther, Zinzendorf, Bach und Lehmann.
Warum sieht man aber in der Fläche keine großen geistlichen Aufbrüche und blühende Gemeinden? Um diese Frage zu verstehen, müssen wir ein Phänomen der Nachwendezeit betrachten: Viele Christen, vor allem aus der Mittelschicht, gebildete Menschen und Gewinner der Wendezeit, sind in die alten westlichen Bundesländer umgezogen. Gelockt von guten Jobs haben sie sich dort in Gemeinden integriert und vielleicht auch zu deren Aufleben und Erhalt beigetragen. In die andere Richtung war die Entwicklung nicht so stark. Nach der Wende in den Osten zu gehen, erforderte einen gewissen Abenteuergeist.
Das Phänomen des Wegzugs lässt sich heute nicht nur im Osten beobachten, sondern auch in anderen Bundesländern oder auch im ländlichen Raum. Wo gut gebildete junge Menschen gehen, fehlt die Zukunftsaussicht, fehlen potenzielle Leiter. Wenn es dann der gestaltenden Generation schwerfällt, eigene Antworten zu finden, wird sie schnell traditionell.
Gute Traditionen helfen gegen Gemeindeschwund
Auf der anderen Seite könnten gute Traditionen uns sehr weiterhelfen. Damit meine ich die, die man selbst gefunden und entwickelt hat, die einem viel bedeuten und zur Situation passen. Hinderliche Traditionen aber sind für mich die, welche man ungeprüft übernommen hat oder nicht versteht. Mit denen schleppt man Ballast falscher Entscheidungen und Erwartungen herum. Manche ostdeutschen Gemeinden haben den Punkt der Erneuerung und drastischer Entscheidungen verpasst und man beobachtet ihr Schrumpfen. Das bedrückt mich. Andere überraschen mich mit ihrem zähen Durchhaltewillen. Beides kann ähnlich aussehen, sollte aber unterschieden werden.
Dabei kann man im Osten an vielen guten Traditionen anknüpfen. Die Bedeutung kirchlicher Feiertage ist oft noch gegeben. Der Wert von Kinder- und Jugendarbeit wird sehr geschätzt. Es herrscht weniger gemeindliche Konkurrenz. Ein Verständnis für Selbstgemachtes ist grundlegend vorhanden, die Erwartungen sind oft nicht hoch.
Gleichzeitig haben wir hinderliche Traditionen und Eigenschaften: die Sehnsucht nach Leitenden, die einem das Denken abnehmen, die Angst vor Fehlern oder der Meinung Unbeteiligter, die Angst vor Fremdem.
„Der Osten hat seit der Wende zu wenige eigene kirchliche Strukturen aufgebaut. Die großen Bibelschulen und die christlichen Werke sitzen im Westen.“
Der „Ossi“ – sofern es DEN „Ossi“ überhaupt gibt – möchte nicht gerne in eine Schublade gesteckt werden. Ihm ist es fremd, wenn Menschen von außen über ihn urteilen und Schlüsse ziehen, ohne sein Leben zu kennen. Ganz deutlich wurde mir das vor wenigen Monaten, als man versuchte, die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen zu deuten und „der Ossi“ über sich viele unerträgliche Dinge hören musste. Viele Einschätzungen von außen, politisch, gesellschaftlich, aber auch christlich, sind gut – und dennoch mit einer Brille versehen, die nicht immer die gleiche ist wie die im Osten.
Hilfreich wäre hier ein von Grund auf neues Verstehen-wollen. Denn selbst wir „Ossis“ sind mega unterschiedlich. Um uns zu verstehen, braucht man einen geduldigen Blick in unser persönliches Umfeld und ein offenes Ohr.
Geplatze Hoffnungen und Träume
Wir „Ossis“ haben viele geplatzte Hoffnungen und Träume. Wir neigen zu einer erlernten Empfänger-Mentalität und müssen manchmal aus einer gewissen Opfer-Mentalität befreit werden. Wir haben eine andere gesellschaftliche Entwicklung genommen, z. B. sind die Ideen der 68er bei uns kaum diskutiert oder gar übernommen worden. Wir haben ein Gespür für Bevormundung und Ehrlichkeit. Wir fühlen uns fremd, wenn wir übergangen werden. Dann zieht man sich mehr und mehr in sein eigenes Milieu zurück. Dort wird bestätigt, was man sowieso schon denkt. „Dort bin ich Mensch, dort darf ich sein.“
Wir haben erhofft, dass mit der neuen Freiheit der Glaube insgesamt wieder gefragter ist und dadurch Gemeinden aufblühen. Das passierte auch, aber nicht im erhofften Maß. Die Ebene war schlicht eine andere. Glaube wächst nicht in der politischen Freiheit, sondern wenn das Evangelium gebraucht, verstanden und angenommen wird.
Der Osten hat seit der Wende zu wenige eigene kirchliche Strukturen aufgebaut. Die großen Bibelschulen und die christlichen Werke sitzen im Westen. Hier braucht es neben den Ressourcen auch ein neues Selbstbewusstsein, um das alte Gefühl „sie helfen“ – „wir empfangen“ zu überwinden.
Glauben aus dem Winterschlaf wecken
Wenn ich einen Wunsch an meine eigene ostdeutsch-christliche Kultur habe, dann dass wir das Wertvolle aus unserer Vergangenheit mitnehmen und die Zukunft mit einem stärkeren „Mir sin Mir“-Gefühl gestalten. Überall, wo Gemeinde selbstverständlich und selbstbewusst auftritt, hat sie eine Chance. Wo das Gemeindegeflecht schon stark war, scheint es stark geblieben zu sein, besonders zu sehen in der evangelischen Kirche oder den Brüdergemeinden.
Neulich war ich in der EFG Thierfeld im Erzgebirge, einer großen Gemeinde auf dem Land, fromme Prägung. Nebenan in Neuwürschnitz gibt es eine Jüngerschaftsschule. Aus vergleichbaren Gemeinden kommen einige meiner Gemeindemitglieder, wir profitieren von ihrer Vorarbeit.
So ein enges Geflecht hat die FeG im Osten noch nicht zu bieten. Außer im Leipziger oder Dresdner Raum, wo mehrere Gemeinden eng kooperieren, fällt mir keine vergleichbare Gegend ein. Die meisten FeGs in Ostdeutschland leisten treue Pionierarbeit.
Ich bin dankbar für alle Gründungsinitiativen und Zuzug von Knowhow nach Ostdeutschland. Ich bin dankbar für Pastorinnen und Pastoren, die sich auf finanziell schwache Gemeinden einlassen. Ich bin dankbar, hier in der FeG Dresden „Goldenes Lamm“ eine ausgeprägte Camparbeit zu erleben. Im Osten gibt es eine breite Akzeptanz für „Ferienlager“, wie sie früher hießen. Schon Margot Honecker entwendete dafür einen christlichen Gedanken: „Wer die Kinder hat, hat die Zukunft.“ Ich bin dankbar für Jugendgruppen, die einander besuchen. Ich bin dankbar für Jeff Ingram und sein Team, die die FeG Dresden-Süd in den letzten 10 Jahren als beziehungsstarke Gemeinde aufgebaut haben.
„Unsere Gottesdienste sind nicht niederschwellig, weil wir Wesentliches weglassen würden, sondern weil wir kleine Brücken gebaut haben, die gerade so hoch sind wie eine Türschwelle.“
Die FeG Dresden-Süd hat sich in ihrer Gründungsphase inspirieren lassen von dem VIP-Gedanken, wie er bei der Gemeindeaktion „42 Tage – Leben für meine Freunde“ kommuniziert wird: Wir brauchen Vertrauen in den Beziehungen zu Nichtchristen, damit sie uns beobachten können, uns zuhören und unseren Worten Glauben schenken. Dieses Vertrauen braucht viel Zeit und gemeinsame Beziehungsarbeit, bis es Früchte trägt.
Als Gemeinde im Aufbau war es eine strategische Entscheidung, dem ganzen Priorität zu geben. Alle paar Wochen entfällt unser Gottesdienst, damit die Christen Zeit für ihre „VIPs“ haben. Was für eine etablierte Gemeinde sicher nicht einfach umzusetzen wäre, hat die FeG Dresden-Süd in ihre DNA eingepflanzt.
Hier vor Ort erlebe ich Menschen, die ihre Beziehungen sehr bewusst leben, die sich weiter aus der Wohlfühlzone herauswagen, als ich es selbst kann oder erwartet hätte. Ich erlebe Menschen, die sich in der offenen Kinder- und Jugendarbeit investieren; Menschen, die im Rotlichtmilieu den Glauben an Jesus verkünden; Menschen, die in ihrem Haus oder mit ihren Schülerinnen und Schülern eine Vertrauensbasis bauen – die Früchte sehen wir als ganze Gemeinde.
An und für sich ist das alles nicht neu, viele Gemeinden kennen solche Methoden und arbeiten danach. Mir ist aber aufgefallen, wie selbstverständlich, liebevoll und modern dieser tägliche Dienst geworden ist. Unsere Gottesdienste sind nicht niederschwellig, weil wir Wesentliches weglassen würden, sondern weil wir kleine Brücken gebaut haben, die gerade so hoch sind wie eine Türschwelle.
Langfristig säen und ernten
Wenn ich auf den Osten und meine eigene Stadt schaue, wünsche ich mir mehr den Blick von Jesus. Über alle Probleme, Extreme, Desinteressen, Fehlentwicklungen und Images hinweg. „Ich habe ein großes Volk in dieser Stadt.“ (Apostelgeschichte 18,10) ist immer noch der visionäre, hoffnungsvolle, liebevolle Blick für Jesu Nachfolger.
Diesen Blick wünsche ich mir, auch wenn manches noch unsichtbar ist. Wenn wir ihn anwenden wollen, sollten wir auch hier „inkarniert leben“. Gott wurde ein Mensch-so-wie-wir, also müssen wir auch wieder als Einer-von-ihnen wahrgenommen werden. Einer der bleibt, der lange Wege mitgeht, der sich in die Kultur und die Beziehungen einlebt, um einen ganzheitlichen Glauben zu prägen.
Drei Wünsche für den Osten
Hier sind meine drei Wünsche für den Osten:
1. Kommt den Osten besuchen, am besten drei Mal. Erst als Tourist, dann als Zuhörer, dann als Beter. Kommt mit viel Verständnis und Respekt, mit Zeit und Geduld.
2. Für meine Heimat habe ich viele Wünsche: Neue Erweckung, wahrhaftiger Glaube, Vertrauen in die Bibel, die Kraft der Vergebung, inspirierende Gottesdienste.
3. Ich wünsche mir Menschen, die sich in den Osten investieren, um etwas Bleibendes zu schaffen. So wie unser Gemeindegründer sich zurückziehen darf in dem Wissen, dass die Arbeit weitergeht. Das ist „Entwicklungs-Hilfe“ im besten Sinne.
Stephan Richter ist Pastor der FeG Dresden-Süd.

Dieser Artikel ist in der Zeitschrift Christsein Heute erschienen. Christsein Heute ist die Zeitschrift für Mitglieder und Freunde der Freien evangelischen Gemeinden (Bund FeG). Sie erscheint im SCM Bundes-Verlag, zu dem auch Jesus.de gehört.
Dieses nicht angepasst sein der „Ossi-Christen“ schlägt sich vermutlich auch in der politischen Ausrichtung nieder, ich vermute mal die ist eher rechts, was ich für keinen großen Schaden halte.
Auf einem großen Schatz (geistliches Erbe) zu sitzen ist das Eine, ihn zu heben das Andere. Erweckung darf man sich wünschen und erbeten, aber bleiben wir realistisch, kann man sie auch erwarten?
Unsere Gesellschaft in Ost und West ist abgedriftet in den Hedonismus, oder in die Esoterik, wir wollen das Klima retten und die Lurche, sehen hinter jeder Ecke einen Nazi lauern, demonstrieren für den Weltfrieden und streiten mit der Familie und den Nachbarn.
Zugegeben ein etwas düsteres Bild, aber auch mit einer Priese Selbstkritik, wir Nachfolger Jesu strotzen auch nicht gerade vor Kraft und leider überschaubar überzeugend.
Dann hoffe ich, dass ich falsch liege mit meiner „Analyse“ und der geistliche Aufbruch kommt, von mir aus soll die „Sonne “ im Osten aufgehen!
Ich habe das Glück in so einem gallischen Dorf gelandet zu sein. Zu Corona-Zeiten kamen Sonntags sogar Leute aus NRW in die Heilige Messe. Man hängt die innerliche Ausrichtung allgemein nicht so sehr an die große Glocke, denn sonst kommt der Bischof und macht Schwierigkeiten.
wenn die gesichert rechtsextreme AfD in Thüringen über 38 % bei der Bundestagswahl holt, ist es ja auch nicht ganz unrealistisch, hinter jeder Ecke einen Nazi lauern zu sehen, oder?
Ich denke, da ist das Problem weniger die Lurche oder die Esoterik.
Ich bin froh, dass die Christen aus dem Osten, die ich hier im ehemaligen Zonenrandgebiet kennen gelernt habe, allesamt nicht politisch rechts stehen. Sie haben allzu leidvolle Erfahrungen mit einem politischen System gemacht, welches zwar offiziell sozialistisch war, real aber die braune Vergangenheit niemals aufgearbeitet hat. Die Frage, warum beim „antifaschistischen Schutzwall“ die Schrauben auf unserer, westlichen, Seite angebracht waren, könnte man auch so interpretieren, dass sie genau wussten, wo die eigentlichen Faschisten wohnen! 😉
Genau genommen zeigt sogar Dein Kommentar, dass es gar nicht so verkehrt ist „an jeder Ecke einen Nazi“ lauern zu sehen. Nur allzu oft wird rechte Propagana nicht mehr als solche erkannt, weil sie so oft wiederholt wurde, dass sie viele für normal und wahr halten. Und was genau ist verkehrt daran, wenn man sich für den Umweltschutz einsetzt? Das Zitat mit dem Apfelbäumchen, welches Luther zugeschrieben wird, sollte uns in dieser Hinsicht ein Ansporn sein!
An den Christen, die noch die DDR erlebt haben, bewundere ich, dass sie ihren Glauben häufig unmittelbarer und kompromissloser leben als wir „Wessis“. Manche berichten davon, wie sie Verfolgung unmittelbar erlebt haben, z.B. wenn selbst ihre heimlichen Gottesdienste in Privatwohnungen von der Stasi infiltriert waren oder wenn ein Wehrdienstverweigerer als „Bausoldat“ misshandelt wurde. Solche unangepassten Christen brauchen wir auch im „Westen“.
Antwort an Stammtischbruder
Ein hedonistischer Lebensstil zeichnet sich vor allem durch die ausgeprägte Suche nach Freude und die unbedingte Vermeidung von Leid aus. Da bin ich hier eher bei Chey: „Wenn die gesichert rechtsextreme AfD in Thüringen über 38 % bei der Bundestagswahl holt, ist es ja auch nicht ganz unrealistisch, hinter jeder Ecke einen Nazi lauern zu sehen, oder? Ich denke, da ist das Problem weniger die Lurche oder die Esoterik“! Das Klima zu retten scheint in Ost und in West nicht mehr ganz forne auf der Agenda zu stehen, aber es ist als Bewahrung der irdischen Schöpfung keine Frage des Schöngeistigen, sondern ob unsere Nachkommen unendlich leiden werden und wir dann daran ursächlich schuldig wurden – ganz individuell.
Allerdings gibt es im Artikel oben eine zwar unkonkrete Bemerkung, aber sie ist wichtig. Nämlich die guten Traditionen zu bewahren und die nicht sinnvollen eben nicht. Die gute Tradition war, damals mit dem DDR-Regime keinen Frieden zu schließen, weil man sich – vereinfacht gesagt – nicht für eine Kirche im Sozialismus, der faktisch unmenschlich war, sich entscheiden konnte, wenn man zu den Guten gehören wollte. Ich denke, dass dies auch unseren Westen betrifft und hier auch mit gelebtem und möglichst exemplarischem Christsein. Es sollte sich jeder eigentlich bewusst sein – was aber nicht so ist – daß die AfD unseren Staat und auch unsere Demokratie, so wie wir sie kennen, abschaffen möchte. Sie bläst ins selbe Horn wie die Trumpisten in den USA, die imgrunde genommen dort eine andere Art von Staatsreich versuchen, indemdort alle demokratische Gewaltenteilung abschaffen wollen. Ich denke daß der Begriff „Demokratie“ nicht aus der Bibel stammt. Aber diese Form von einer relativ guten repräsentativen Volksherrschaft sollten wir möglichst vollständig bewahren. Die Leute, die nun im Parlament bei uns eine Regierung gründen können, haben erst einmal Verantwortung. Wenn aber auf jedem Marktplatz (wie von der AfD gewünscht), basisdemokratisch entschieden wird, wäre dies auch ein Aus für alles, was gute Langzeitprojekte sind und auch der Klimarettung. Denn die reine Volksstimmung hat leider fast seit Jahrtausenden den Nachteil, daß zwischen Hosianne und kreuziget sich heftig der Wind zu drehen vermag. Da denke ich, handelte es sich dann wirklich um den gelebten Hedonismus eines überbordenden Individualismus, der nur dem eigenen Wohl und nicht dem Weh des Gesamten gilt. Auch unsere (noch) volkskirchlichen Seelen benötigen auch ein Mehr an Bergpredigt, weil es zu den Genen unserer Christlichkeit gehört, bisweilen auch kräftig gegen den Strom zu schwimmen. Wenn sich die jetzige kommende Koalition in Berlin darin so einig ist, die Flüchtlinge nicht mehr mit ein wenig Menschlichkeit und Herzlichkeit hier aufzunehmen, sondern sie möglichst schon an der Grenze abweisen möchte, kann man dabei dazu nicht immer schweigen. Kirchlich christlich darf durchaus auch eine politische Gesinnung sein, die keineswegs eine parteiiche sein sollte. Der Staat sind nämlich wir alle und in ihm sind Christ:innen, die wie das Salz in der Suppe den Geschmack des Lebens anheben dürften. Und Christen dürfen auch den Staat, wie wir ihn kennen, durchaus wertschätzen. Wenn nicht böse Menschen regieren, dann gibt es keine Denkverbote und niemand muss den Anderen hassen, weil er politisch oder religiös anders tickt. Nur Toleranz gegen Intolerante ist unintelligent und letztlich fatal.