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So erreichen Gemeinden säkular geprägte Menschen

Viele Freikirchen setzen bei den Menschen, die sie mit dem Glauben erreichen wollen, ein gewisses christliches Grundwissen voraus, sagen die Theologen Philipp Bartholomä und Stefan Schweyer. In der heutigen Zeit müssten die Gemeinden jedoch neue Anknüpfungspunkte finden.

Freikirchen sind in einer Zeit entstanden, in der die Volkskirchen gesellschaftlich noch eine gewichtige Stimme hatten und das Christentum die Kultur noch wesentlich prägte. Auch wenn viele „Namenschristen“ waren, so waren ihnen die christliche Kernbotschaft und der christliche Wertekanon dennoch in Grundzügen vertraut. Wer dagegen heute in einem durch und durch säkularen, nach-christentümlichen Umfeld einen Zeitgenossen zum Bibellesen einlädt, sollte nicht über die Antwort überrascht sein: „Warum nicht – worum geht’s da?“ Die kirchlichen und gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen sich Freikirchen jahrzehntelang verhältnismäßig gut entwickeln konnten, sind in unserem säkularen Kontext also nicht mehr gegeben.

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Ist der Modus Erweckung heute noch zielführend?

Im Rückblick wird deutlich: Freikirchen sind in einer kulturchristlichen Umgebung entstanden, als „intensivere“ Variante christlicher Gemeinde. Es ging prinzipiell darum, bereits zu einem bestimmten Grad christlich sozialisierte Menschen zu einem persönlicheren und überzeugteren Glauben zu „erwecken“. Wer sein Namenschristentum ablegte und sich zu einem wiedergeborenen Christsein „bekehrte“, vollzog keinen kompletten Religionswechsel und keine radikale Veränderung der eigenen Weltanschauung, sondern stieg in eine tiefere Erfahrung und konsequentere Umsetzung dessen ein, wovon er bereits geprägt war. Insofern operierten Freikirchen in einem „Modus der Erweckung“. Sowohl die gelebte Glaubenspraxis als auch die ethischen Normen freikirchlicher Gemeinschaften waren „verstärkte“ Formen einer grundsätzlich in der Gesellschaft akzeptierten Religiosität. Das ist inzwischen nur noch äußerst selten der Fall.

Freikirchen erreichen auch heute überwiegend Menschen, die bereits ein substanzielles Maß an christlichem Vorwissen und kirchlicher Prägung mitbringen. Lediglich acht Prozent der Freikirchenmitglieder kann man als „unkirchlich“ (vor ihrem Eintritt) bezeichnen. Bei den meisten Menschen, die in Freikirchen eine „Bekehrung“ erfahren, besteht diese in Erneuerung bisheriger Glaubenserfahrung (Vergewisserungstyp) oder in der Anknüpfung an ein bereits vorher vorhandenes religiös-kirchliches Erbe (Entdeckungstyp). Der Lebenswendetyp, der ohne christliche Vorprägung zum Glauben kommt, bleibt die Ausnahme.

Der Erweckungsmodus ist Geschichte!

Häufig wird (vermutlich unbewusst) bei den Menschen, die man erreichen will, ein gewisses christliches Grundwissen vorausgesetzt. Das spricht dafür, dass der vertraute „Modus der Erweckung“ in freikirchlichen Gemeinden immer noch weit verbreitet ist. Ob in der Predigt, bei der Gottesdienstgestaltung oder in Formulierungen auf der Gemeinde-Webseite: Häufig wird (vermutlich unbewusst) bei den Menschen, die man erreichen will, ein gewisses christliches Grundwissen, sozusagen ein geistlicher Grundwasserspiegel, vorausgesetzt, der aber inzwischen rapide gesunken ist.

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Der ehemalige Bischof der methodistischen Kirche, Walter Klaiber, bemerkt: „Dort, wo die Restbestände volkskirchlicher Frömmigkeit ganz fehlen und die Menschen der Kirche nicht einmal mehr entfremdet sind [wie zum Beispiel in Ostdeutschland], weil schon ihre Eltern und Großeltern nicht mehr zu ihr gehörten, da tun sich auch die Freikirchen mit ihrer missionarischen Arbeit sehr schwer. Ist es doch hilfreich, wenn der harte Boden der Areligiosität durch ein flächendeckendes volkskirchliches Wirken aufgelockert ist, damit die Saat des Evangeliums in die Herzen eindringen kann?“1

Diese Frage kann nur mit „Ja“ beantwortet werden. Freikirchen haben zweifellos von einem „kirchlich aufgelockerten Boden“ im Rahmen einer christentümlichen Gesellschaft profitiert. Nach wie vor finden sie missionarisch eher Zugang zu Menschen, die mit dem christlichen Glauben halbwegs vertraut sind. Wer nun aber in einem zunehmend säkularen Umfeld Menschen für den christlichen Glauben erreichen will, sollte bewusster und konsequenter als bisher verinnerlichen, dass das Ziel nicht mehr darin bestehen kann, bereits mehr oder weniger christlich Sozialisierte im Rahmen der Gemeinde zu einem lebendigen Glauben zu „erwecken“. Wir brauchen einen Mentalitätswechsel, ein „Umparken im Kopf“. […]

An Sehnsüchte der Menschen anknüpfen

Nach vielen Jahrzehnten Gemeindeerfahrung in glaubens- und kirchenfernen Milieus kommt Alexander Garth zum Schluss: Es gibt keine generelle geistliche Sehnsucht im Menschen, an die man problemlos anknüpfen könnte. Von einer prinzipiellen Offenheit für den christlichen Glauben auszugehen, ist seiner Ansicht nach eine Illusion. Die geistliche Dimension sei „so verschüttet, verborgen und von einem naturalistisch-materialistischen Weltbild überlagert, dass der homo areligiosus [also der ohne religiöse Vorstellungen auskommende Mensch] tatsächlich ohne jede religiöse Bedürftigkeit lebt. Völlig desinteressiert an metaphysischen Fragen und ohne die leiseste Ahnung eines religiösen Vakuums freut er sich des Lebens und ist glücklich und unglücklich wie andere Menschen auch.“2

Genauso entschieden hält Garth dann aber an der Grundüberzeugung fest, dass der Mensch dennoch „unheilbar religiös“ sei, „dass in jedem Menschen so etwas wie ein spiritueller Grundinstinkt, eine Ur-Sehnsucht, eine spirituelle Kernpersönlichkeit angelegt ist“. In der Tat spricht vieles dafür, dass Menschen ganz grundsätzlich religiös ansprechbar bleiben. Trotz Gleichgültigkeit und selbstverständlicher Diesseitsorientierung schlummern auch in unseren glaubensfernen Zeitgenossen tiefe Sehnsüchte, wie säkular überlagert diese auch sein mögen. Und auch heute nähern sich Menschen dem Glauben an, wenn sie merken, dass es auf die bislang verdrängten, großen Lebensfragen – also: Woher komme ich, wer bin ich, wohin gehe ich und wozu lebe ich eigentlich? – rein innerweltlich keine vernünftigen und emotional zufriedenstellenden Antworten gibt.3

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Schon der Kirchenvater Augustinus wusste: „Ruhelos ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir.“ Gemeinden, die in besonderer Weise Zugang zu postmodern-säkularen Menschen gefunden haben, nutzen nun genau diese „sehnsüchtige Ruhelosigkeit“ als wirksamen missionarischen Anknüpfungspunkt. Ihre Erfahrungen zeigen: Interesse an Gott und dem christlichen Glauben entsteht häufig dort, wo spirituelle Grundinstinkte stimuliert werden. In Gottesdiensten und Glaubensgrundkursen, aber auch im persönlichen Gespräch, greift man bewusst die existenziellen Wünsche und Hoffnungen noch-nicht-glaubender Menschen auf:

  • Was bewegt sie?
  • Wonach streben sie?
  • Was erfüllt sie?
  • Worauf hoffen sie?
  • Was gibt ihnen Sicherheit?
  • Worin liegen für sie die Quellen tiefer Freude und Zufriedenheit?

Ungestillte Sehnsüchte wecken Glaubensfragen

Evangelistisch wirkungsvolle Gemeinden zielen in ihrer Arbeit darauf ab, die ungestillten Sehnsüchte der Menschen ernst zu nehmen und aufzugreifen, um ihnen anschließend aufzuzeigen, dass diese Sehnsüchte nur in der Beziehung zu Gott in Jesus Christus vollkommen gestillt werden können.

Eine liebevolle Begegnung mit ihren dauerhaft unerfüllten Sehnsüchten ist für viele der Auslöser, sich näher mit dem christlichen Glauben auseinanderzusetzen. Glaubensprozesse kommen in Gang, wo man zu der schmerzhaften Einsicht kommt, dass irdische „Glücksbringer“ langfristig nicht halten, was sie versprechen. Zu diesem Ansatz gehört allerdings auch der Hinweis, dass die vollkommene Stillung menschlicher Sehnsüchte erst mit der Vollendung der neuen Schöpfung zu erwarten ist. Auch Christen müssen lernen, in der Gegenwart mit teilweise unerfüllten Sehnsüchten zu leben. Selbst das Gute, das wir erleben, bleibt bestenfalls ein „Vorgeschmack“ auf die vollkommene Erfüllung unserer Hoffnungen in der Ewigkeit.

Bereits vor über 80 Jahren hat der britische Autor C.S. Lewis auf solch „postmoderne“ Art versucht, den Glauben plausibel zu machen. Dabei nahm er gezielt Bezug auf tiefer liegende menschliche Herzensregungen und formulierte die bekannten Worte: „Wenn wir nun in uns selbst ein Bedürfnis entdecken, das durch nichts in dieser Welt gestillt werden kann, dann können wir daraus doch schließen, dass wir für eine andere Welt erschaffen wurden. Wenn keine irdische Freude dieses Verlangen befriedigen kann, heißt das ja noch nicht, dass die ganze Erde ein Betrug ist. Die irdischen Freuden waren vielleicht nie dazu bestimmt, es zu stillen, sondern nur dazu, es wachzurufen, auf das Wirkliche hinzudeuten.“4

Anders gesagt: Ungestillte Sehnsüchte wecken spirituelle Grundinstinkte und sind am glaubhaftesten dadurch zu erklären, dass wir eigentlich für eine andere Welt gemacht sind.

Mitten ins Herz der Menschen

Angesichts der Erfahrungsorientierung und emotionalen Ansprechbarkeit der Postmoderne ist unsere Kommunikation dort „erfolgversprechend“, wo wir „mitten ins Herz“ zielen. Wir können der Schönheit und Kraft des Evangeliums eine Gestalt geben, wenn wir es schaffen, die christliche Botschaft weise, einfühlsam und verständlich mit den tiefsten menschlichen Sehnsüchten, Bedürfnissen und Lebensfragen zu verbinden. Das ist kein Automatismus, aber anstelle von Gleichgültigkeit und Desinteresse entsteht so womöglich echter Glaubenshunger.

So gibt es also universelle menschliche Sehnsüchte, an die wir andocken können, um mit Menschen über den Glauben ins Gespräch zu kommen. Zwischen den eigenen biblischen Glaubensüberzeugungen und dem Denk- und Wertesystem säkularer Zeitgenossen liegen häufig Welten, doch diese spirituellen Grundinstinkte können Ansatzpunkte liefern, um zum Nachdenken über Gott anzuregen.

Große Themen, die alle „jucken“

Der britische Theologe Tom Wright benennt in seinem Buch „Warum Christ sein Sinn macht“ vier Sehnsüchte, die sich auch bei säkularisierten Mitmenschen als unterbewusste Hinweise auf Gott interpretieren lassen:5

  • die Sehnsucht nach Gerechtigkeit („Die Welt ins Lot bringen“)
  • die Sehnsucht nach Spiritualität („Die verborgene Quelle“)
  • die Sehnsucht nach Beziehungen („Füreinander geschaffen“)
  • die Sehnsucht nach dem Guten und Schönen („Die Schönheit der Erde“)

Ganz ähnlich hat Johannes Hartl in seinem Buch „Eden Culture“ die menschlichen Grundbedürfnisse nach Verbundenheit, Sinn und Schönheit beschrieben.6 Klar ist: Diese Sehnsüchte werden heute kaum noch religiös und schon gar nicht christlich gefüllt. Doch auch in säkularem Gewand gehören sie zum Grundbestand menschlichen Lebens. Selbst Menschen, die einem Gott-losen Weltbild anhängen und die der Glaube nicht mehr „juckt“, können sich dem „Juckreiz“ dieser existenziellen Fragen und Sehnsüchte nicht entziehen. Trotz gegenteiliger Beteuerungen suchen sie mit Nachdruck nach Dingen, die über das Diesseits und eine rein säkulare Deutung des Daseins hinausweisen.

Ähnlich argumentiert Timothy Keller in seinem Grundlagenwerk „Glauben wozu? Religion im Zeitalter der Skepsis.“7 Auf der Basis jahrzehntelanger Erfahrung im säkularen New York setzt er sich mit verschiedenen Annahmen („Glaubenssätzen“) auseinander, die in den Köpfen und Herzen unserer Zeitgenossen so stark sind, dass sie den christlichen Glauben von vornherein als wenig plausibel oder gar undenkbar erscheinen lassen:

  • „Man muss nicht an Gott glauben, um ein erfülltes Leben voller Bedeutung, Hoffnung und Zufriedenheit zu haben.“
  • „Man sollte frei sein, so zu leben, wie man es für richtig hält, solange man niemandem schadet.“
  • „Du wirst, wer du bist, wenn du deinen tiefsten Wünschen und Träumen treu bleibst.“
  • „Man muss nicht an Gott glauben, um eine Grundlage für ethisch-moralische Werte und Menschenrechte zu haben.“

Blickpunkt

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Es ist unschwer zu erkennen: Auch hinter diesen Glaubenssätzen verbergen sich letztlich Sehnsüchte nach einem erfüllten Leben, nach Freiheit, nach Ich-Entfaltung und nach einem friedlichen Zusammenleben. Denn auch eine noch so säkular geprägte Kultur kommt nicht an diesen grundlegenden spirituellen Instinkten vorbei – und steht vor der Aufgabe, den Menschen Bedeutung, Geborgenheit, Zufriedenheit, Freiheit, eine tragfähige Identität und eine der Gesellschaft dienliche Moral zu verschaffen, weil wir ohne diese Dinge einfach nicht leben können.8 Eine wichtige Frage für die Zukunft ist: Haben wir die richtige apologetische (den Glauben verteidigende) und evangelistische Weichenstellung?

Hierfür liefern Wright und Keller wesentliche Impulse. Sie helfen uns zu verstehen, wie Jesus jede dieser universellen menschlichen Sehnsüchte erfüllt, indem sie zeigen, „dass der christliche Glaube emotional wie kulturell am meisten Sinn ergibt, dass er die großen Lebensthemen am treffendsten erklärt und dass er unübertroffene Ressourcen bietet, um diesen unweigerlichen menschlichen Bedürfnissen zu begegnen.“9

Um all das freundlich und überzeugend zu vermitteln, werden intensives Nachdenken und viel Geduld nötig sein. Doch die Mühe lohnt sich: Auch wenn es vielen unserer Mitmenschen unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen geradezu unumgänglich vorkommt, nicht zu glauben, lässt sich missionarisch am „Sehnsuchtsfaktor“ anknüpfen, um Menschen auf diesem Weg auf Gott aufmerksam zu machen.

Philipp Bartholomä arbeitet als Professor für Praktische Theologie an der Freien Theologischen Hochschule (FTH) Gießen.

Stefan Schweyer arbeitet als Professor für Praktische Theologie an der Universitären Theologischen Hochschule (STH) Basel.

1 Walter Klaiber, „Landeskirche und Freikirche: Deutsche Verhältnisse und internationale Trends“, in: Holger Eschmann u. a. (Hg.), Freikirche – Landeskirche: Historische Alternative – Gemeinsame Zukunft?, Neukirchen: Neukirchener, 2008, 21.
2 Alexander Garth, Gottloser Westen? Chancen für Glauben und Kirche in einer entchristlichten Welt, Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2017, 93.
3 Vgl. dazu auch Garth, Gottloser Westen?, 99-100.
4 C. S. Lewis, Pardon, ich bin Christ: Meine Argumente für den Glauben, Gießen: Brunnen, 20. Aufl. 2009, 126.
5 Tom Wright, Warum Christ sein Sinn macht, Lahr: Johannis, 2009, 13-60.
6 Johannes Hartl, Eden Culture: Ökologie des Herzens für ein neues Morgen, Freiburg: Herder, 2021.
7 Timothy Keller, Glauben wozu? Religion im Zeitalter der Skepsis, Gießen: Brunnen, 2019.
8 Keller, Glauben wozu?, 12.


Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch „Gemeinde mit Mission“ (Brunnen-Verlag) von Philipp Bartholomä und Stefan Schweyer. Ergänzendes Material mit Reflexionsfragen zu den einzelnen Kapiteln gibt es auf der Webseite zum Buch.

In der aktuellen Ausgabe des Magazins „Christsein Heute“ (Juni 2023) findet sich ein weiterführendes Interview mit den beiden Theologen Bartholomä und Schweyer.

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2 Kommentare

  1. Völlig neue Wege beschreiten

    Viele Freikirchen setzen bei den Menschen, die sie mit dem Glauben erreichen wollen, ein gewisses christliches Grundwissen voraus, sagen die Theologen Philipp Bartholomä und Stefan Schweyer. In der heutigen Zeit müssten die Gemeinden jedoch neue Anknüpfungspunkte finden. Ich finde den Artikel ausgesprochen gut und zielführend. Vielfach setzen wir bei unseren Mitmenschen einen religiösen Grundwasserspiegel voraus, den es zwar auch gibt, der aber doch bei den Meisten eher nicht existiert. Evangelisation erreichte in unserer Zeit immer diejenigen, die dafür ein offenes Ohr hatten, die zumeist ihren Glauben vertiefen wollten und neu mit Gott beginnen möchten. Dabei sind wir, gleichermaßen dem Missionsbefehl Jesu verpflichtet, oft nicht an den Hecken und Zäunen der Welt. Die Botschaft Jesu, die Liebe Gottes, muss vor allem in der Sprache des Alltages ganz neu formuliert werden. Dazu benötigten wir Kirche teilweise völlig anders zu betreiben, egal ob landeskirchlich evangelisch, katholisch oder freikirchlich. Grundsätzlich wäre es auch wichtig, die Komm-Struktur (wir erwarten dass die Leute zu uns kommen) mit einer sehr starken Geh-Hin-Struktur zu ergänzen. Außerdem wäre es längerfristig wichtig, dass unser aller christliches Leben deutlicher in einem dann auch befriedigenderem exemplarisch gelebten Leben stattfinden sollte. Dies wäre für jeden von uns dann keine Existenz im Routinebetrieb. Dies kann mancherlei und daher verschiedenes sein: Etwa mit Menschen zusammen zu leben, die arm sind (nicht nur materiell) – wenigstens auf Zeit. Oder dass Christinnen und Christen sich mehr für ein gemeinsames Leben entscheiden, als christliches neues Modell gewissermaßen. Wir sind, ob wir es wollen oder nicht, Lebenssinn-Anbieter in Konkurrenz zu anderen Sinnanbietern. Es geht dann nicht darum, jenes was andere tun nur zu kritisieren oder falsch zu finden, sondern eine bessere Alternative anzubieten. Etwa könnte solches auch eine alternative Freizeitgestaltung sein. Oder andere Menschen zu unseren religiösen Ritualen einzuladen und sie festlich zu gestalten, beispielsweise größere Taufen an Flüssen, Seen oder auch in einem Schwimmbad. Oder zukünftige (vielleicht sogar Klima-)Flüchtlinge in die eigene Familie aufzunehmen. Sodann also auch diakonisches bzw. caritatives Engagement nicht nur den Institutionen zu überlassen, sondern es zum Sitz im eigenen Leben zu machen. Damit könnten wir andere Menschen bei ihren Sehnsüchten abholen: Nach mehr Liebe, Gemeinschaft, gemeinsamem Leben und auch mit gutem Ethos einer verbindlichen gegenseitigen Hilfe und Solidarität. Wir würden daher auch berechtigte Bedürfnisse erfüllen, für die es in einer immer mehr individualisierten Welt oft nur noch in Notrationen gibt.. Dabei wäre wichtig, auch wenn Kirche einmal nur noch eine Kirche der vielen kleinen Gruppen sein sollte, nicht zu einer Sekte zu werden und jedem Menschen seine innere Freiheit zu belassen. Als Christen sind wir von unguten Zwängen befreit. Glaube darf niemals manipulativ vermittelt werden, sonst würde er zum Gegenteil. So wie Gott uns auch unsere Freiheit lässt, obwohl wir offensichtlich auch mit Freiheit genauso wenig gut umzugehen vermögen wie mit unserer Pflicht nach dem Guten zu streben und alles – nach Paulus – daraufhin zu überprüfen.

  2. Ich denke nicht, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt Gemeinden völlig glaubensfremde Menschen erreichen können. Ich selbst bin in Ostdeutschland aufgewachsen und kenne daher die Situation sehr gut. In der damaligen Wochenzeitung „Wochenpost“ schaltete ich eine Anzeige mit der ich meinen Wunsch kundtat, mich über religiöse, philosophische und psychologische Fragen austauschen wollte. Dabei konnte man allerhand lernen, weil man nicht mit christlichen Stereotypen kommen konnte. Heute bin ich dazu in der Lage alles in einen großen, widerspruchsfreien Zusammenhang zu stellen, wie meine Beiträge beweisen: https://sites.google.com/view/manfredreichelt/startseite

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