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Sonntagsmorgensingle: Wie es ist, der einzige Christ in der Familie zu sein

Der Theologe Matthias Kleiböhmer sitzt sonntagmorgens ohne Familie im Gottesdienst. Seine Frau glaubt nicht an Gott. Er klärt über Vor- und Nachteile auf und wie seine Ehe trotz der Unterschiede funktioniert.

Sonntagmorgen: Die Familie sitzt fröhlich am Frühstückstisch. Wir sprechen über den Gottesdienst heute und welche Songs die Lobpreisband wohl geprobt hat. Die Kinder freuen sich auf ihre Freunde. Natürlich gehören die auch zur Gemeinde. Ein kurzer Blick auf die Uhr – jetzt aber los! Die ganze Familie ab ins Auto und dann gemeinsam zur Kirche.

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Eine ganz normale Szene in einem der christlichen Filme aus den USA – aber keine Situation aus meinem Leben. Familie habe ich von Montag bis Samstag. Wenn ich in den Gottesdienst gehe, bin ich Single. Sonntagmorgensingle. Dabei bin ich oft der Prediger. Und mir fällt immer öfter auf: Ich bin nicht der Einzige, dem es so geht. Vielen geht es wie mir. Wir gehen allein, weil unsere Partner nicht an Gott glauben. Unsere Familien machen am Sonntag lieber etwas anderes.

Der Platz neben mir bleibt leer

Ohne Frage ist das eine Herausforderung. Man muss es aushalten können: Dass gefühlt alle mit Kind und Kegel in die Gemeinde kommen und der Platz neben einem leer ist. Dass das außergewöhnliche Glaubenszeugnis des jungen Mannes beim Mittagessen kein Thema sein wird. Und dass wir weder zusammen singen noch gemeinsam beten. Also nie. Ich verzichte auf vieles, was andere Paare selbstverständlich miteinander teilen.

Das hat im Alltag viele praktische Konsequenzen. Mein Glaube ist, wie alle der unterschiedlichen Interessen, Teil der familiären Verhandlungsmasse. Qualitätszeit ist in einer Familie eine knappe Ressource. Das betrifft die kostbaren Stunden am Sonntagmorgen und vor allem die Feiertage. Besonders vor Weihnachten und Ostern handeln wir immer wieder neu aus, was in anderen, rein christlichen Beziehungen selbstverständlich ist – nämlich dass neben Familie, Freunden, Geschenken und Feiern auch Zeit sein soll für Gott. Manchmal fühle ich mich deswegen, als wäre ich in einer missglückten Dreiecksbeziehung. Immer zwischen den Stühlen, nur weil die Beziehung der beiden anderen untereinander nicht funktioniert.

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Dabei könnte der gemeinsame Glaube die Paarbeziehung stärken. Den Glauben als gemeinsame Leidenschaft zu teilen, würde ja bedeuten, die Beziehung durch gemeinsame Erlebnisse – etwa Veranstaltungen, Lieder, Begegnungen – zu vertiefen. Gemeinsame Gewohnheiten wie der Gottesdienstbesuch würden die Vertrautheit stärken. Damit wären zwei von drei Faktoren erfüllt, die der Psychologe Michael Stockmann in seinem Modell für eine gelingende Paarbeziehung ausgemacht hat. In Beziehungen wie meiner fällt das weitgehend aus.

Unerfüllte Sehnsucht

Soweit die Diagnose. Aber wie geht man damit um? Zuerst muss man ehrlich zu sich selbst sein. Das heißt in meinem Fall: So schlimm ist es auch wieder nicht. Ich habe die Sehnsucht nach einer gläubigen Familie in mir, aber es hat mich noch nie wirklich aus der Bahn geworfen. Meine Glaubenskrisen hatten immer andere Ursachen. Und auch wenn mein Glaube kein Kuschelthema in der Beziehung ist, haben wir uns deswegen selten wirklich weit voneinander entfernt. Das liegt vor allem daran, dass meine Frau den Glauben als Hilfe für das Leben und Hoffnung über den Tod hinaus respektiert. Ohne das ginge es wohl auch nicht für mich.

Es hat auch einen zweiten wichtigen Grund: Wir haben gemeinsame Werte. Auch wenn sie sich aus unterschiedlichen Quellen speisen. Aber wir sind nur sehr selten unterschiedlicher Meinung, wenn es um Geld, Kindererziehung, Politik oder die Art geht, wie man eine Beziehung führen sollte. Da können wir uns diese eine grundlegende Verschiedenheit leisten.

Mir persönlich hilft es auch, zu wissen, dass ich damit nicht allein bin. Solche – sagen wir hybriden – Beziehungen hat es schon immer gegeben. Solange die Christen in der Minderheit waren (oder sind), gab und gibt es sie sogar recht häufig. Zumindest, wenn das Umfeld die Gläubigen glauben lässt. Deswegen war es für Paulus genauso selbstverständlich wie für Augustin (354–430 n.Chr.). Der große Theologe lebte selbst lange, aber letztlich unglücklich mit einer Heidin zusammen. Das Problem dieser Beziehung war aber nicht der fehlende Glaube an Jesus, sondern der ungleiche soziale Status. Es gibt ja so vieles, was eine glückliche Ehe verhindern kann.

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Wohltuend schmerzhaft

Kommen wir zu den Vorteilen. Das ist vor allem einer: Wir müssen über den Glauben sprechen. Vielleicht sogar mehr als viele rein christliche Paare. Wohlgemerkt: Ich meine Gott, den Glauben an ihn und warum er wie trägt oder nicht. Ich meine nicht die Gemeinde oder die Kirche. Das war das, was ich als Erstes in unserer Beziehung lernen musste: Kritik an der Kirche ist kein Grund, beleidigt zu sein. Und es ist auch kein Vorrecht von Christinnen und Christen, andere Christinnen und Christen an das Gebot der Nächstenliebe zu erinnern.

Kirche – das ist Hobby oder Beruf, das ist Verein, Struktur oder was auch immer. Das ist nicht das Wesentliche. Das Wesentliche ist Gott. Und mit Nichtchristinnen und -christen über Wesentliches zu sprechen, ist gar nicht so einfach. Es ist sogar eine Herausforderung. Denn was wir Gläubigen für selbstverständlich halten, können andere sehr befremdlich finden.

Nehmen wir mal die selbstverständliche christliche Meinung, Gott würde mit seinem Segen in unserem Leben wirken und uns Gutes erleben lassen. Da muss meine Frau nur oft genug „Warum?“ fragen. Und plötzlich bin ich mir nicht mehr sicher. Und das ist gut so. Denn ein „Warum?“ sollte mein Glaube schon aushalten können, oder? Und wenn ich es nicht beantworten kann, dann ist es an der Zeit, das Thema mal wieder anzuschauen. Und ich sollte mich auch selbst einmal fragen, wie es so weit kommen konnte. Das ist unbequem. Aber dem Glauben tut es gut.

Als Liebespaar über den Glauben zu sprechen, ist kein Ort für Triumphe. Es ist der Ort für ehrliches Interesse und gemeinsame Erkenntnis.

Es bringt mich immer wieder zurück zu Gott, und es hilft mir, Worte dafür zu finden, wie ich ihn erlebe. Es bringt mich sogar wieder neu dazu, ihn in meinem Leben zu suchen. Damit solche Gespräche ein Gewinn sind, müssen sie in einer Atmosphäre stattfinden, in der niemand gewinnen will. Als Liebespaar über den Glauben zu sprechen, ist kein Ort für Triumphe. Es ist der Ort für ehrliches Interesse und gemeinsame Erkenntnis.

Auf dieser Grundlage können wir als Paar auch die Themen in Angriff nehmen, die nicht nur uns betreffen, sondern auch unsere Kinder: Lassen wir sie taufen? Beten wir mit ihnen? Oder bete ich, und du nicht? Und vor dem Essen, was machen wir da? Ich glaube, in vielen dieser Fragen gibt es nur eine gute Lösung, wenn beide damit leben können. So haben wir es immer erlebt. Unter dem Strich ist es sicher so, dass ich weniger Zeit im Gottesdienst verbracht habe, als ich gern gewollt hätte – und meine Frau viel mehr, als überhaupt denkbar gewesen wäre. Wir haben beide verzichtet, aber beide unendlich viel gewonnen. Kompromisse gehören einfach zur Ehe dazu.

Ich komme noch einmal auf den Psychologen Stockmann zu sprechen: Der Glaube fällt als gemeinsame Leidenschaft, als stützendes Element in der Beziehung aus. Dafür wächst durch diese Art Gespräche die Vertrautheit der Partner – das zweite Element ist also erfüllt. Denn gemeinsame Gespräche und die Einsicht in das „Warum“ des Partners stärken die Beziehung. Und es kommt zu bewussten Entscheidungen füreinander. Nach Stockmanns Ansatz der dritte Faktor. Denn Liebe ist auch eine Entscheidung. Deswegen schließen wir Ehen durch ein „Ja“ der Eheleute. Bei mir war es übrigens „Ja, mit Gottes Hilfe“. Bei meiner Frau natürlich ein einfaches „Ja“. Auch ein bewusster Kompromiss.

Ein anderer Partner muss her

Man kann nicht allein verheiratet sein und man kann nicht allein Christ sein. Was man mit Gott erlebt, was einen beschäftigt, das muss man irgendwann auch mal mit jemandem teilen, der das in der ganzen Tiefe im Herzen nachvollziehen kann. Der eben nicht nach dem „Warum“ fragt, sondern einfach verständnisvoll nickt. Der nicht „Aber“ sagt, sondern „Amen!“. Und das finden wir Sonntagmorgensingles in unserer Beziehung nicht. Das brauchen wir aber. Denn wir können für unseren Alltag Kompromisse schließen und für unseren Einsatz in Kirche und Gemeinde – für den Glauben selbst geht es nicht.

In der Praxis heißt das: Wir müssen uns jemanden suchen, mit dem wir den Glauben teilen können. Eine konkrete Person, die diesen Teil unseres Lebens nicht von außen betrachtet, sondern von innen. Schließlich schickt Jesus die Jüngerinnen und Jünger auch immer zu zweit los – ohne sie zu trauen.

Aber wer weiß, vielleicht finden sie ja noch zueinander. Meine Frau und mein Gott. Bis dahin bleibe ich wachsam, dass es uns dreien gut geht. Das ist anstrengend. Und sehr schön.

So jemanden zu finden, ist nicht einfach. Denn auch in der Gemeinde gehen nicht alle Menschen verständnisvoll miteinander um. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass man so jemanden findet, indem man sich selbst als Gesprächspartner für den Glauben anbietet. Nicht im Sinne von „Sollen wir mal über Jesus reden?“, sondern indem man es einfach macht.

Man merkt dann schon, wer noch auf der gleichen Wellenlänge ist oder ähnliche Erfahrungen teilt. Ein Sonntagmorgensingle bleibt man trotzdem. Aber wer weiß, vielleicht finden sie ja noch zueinander. Meine Frau und mein Gott. Bis dahin bleibe ich wachsam, dass es uns dreien gut geht. Das ist anstrengend. Und sehr schön.

Matthias Kleiböhmer ist mit einer atheistischen Naturwissenschaftlerin verheiratet. Der Theologe leitet den YouTube-Kanal der Stiftung Creative Kirche. Mehr zum Thema erfährst du in der nächsten Ausgabe von Family.

BUCHTIPP:

Matthias Kleiböhmer: „Sonntagmorgensingle – Wie es ist, der einzige Christ in der Familie zu sein“ (Gütersloher Verlagshaus)

[Redaktioneller Hinweis: In der ursprünglichen Fassung des Artikels hatten wir Matthias Kleiböhmer Pastor irrtümlich als Pastor bezeichnet. Tatsächlich ist er Theologe. Wir haben diesen Fehler korrigiert.]


Ausgabe 4/23

Dieser Artikel ist in der Zeitschrift Family erschienen. Family ist Teil des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.

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8 Kommentare

  1. Nachtrag: Eine Freundschaft zum Partner ist auch viel Wert. Man muss sich nicht endgültig trennen, wenn man andere Ansichten vertritt.

  2. Mit dem Partner hat man schon ein Leben aufgebaut. Aufgrund diverser Umstände kann man sich nicht einfach trennen. Es ist normal, dass man sich im Laufe der Jahre verändert und andere Sichtweisen und Wertvorstellungen hat. Dann ist es halt so. Eine Beziehung ist auch nicht für die Ewigkeit. Auch wenn das andere anders sehen.

  3. Ich empfinde, den Raum zwischen Atheist und Christ sehr angenehm, das mag daran liegen, dass ich mich nicht gezwungen sehe, mich für eine Seite zu entscheiden, ich kann beide Seiten miteinander verbinden. Jesus bzw. ein Jesuit und sein Glaube an Jesus haben mich dazu befähigt, denn vorher habe ich das Leben nicht unterschieden, es war für mich selbstverständlich. Er, dieser Glaube an Jesus, machte mich darauf aufmerksam, was es bedeutet, ein Leben in der Fülle zu haben, wie sie nur von Gott kommen kann. So ein Leben verpflichtet, denn es gehört mir nicht alleine in seiner ganzen Fülle. Wie anders aber könnte ich seine Fülle vermitteln, wenn nicht durch Jesus, der sie für uns bei seinem Vater erwirkt hat?

    Was mir letztendlich geblieben ist, das ist die Einheit, aus der ich heute schöpfen kann, was sie für mein Leben in ihrer täglichen Erneuerung bedeutet. An ihrer Zeit erfüllte sich mein Name in seiner Einheit neu. Ich habe sozusagen aus einem mir unbekannten Namensträger etwas gewonnen, was nur ein Leben weitertragen kann, das seinen belibenden Wert mit Jesus Christus, unter dem wir alle getauft sind verbinden kann. Vielleicht sollte der Mensch mehr nach der Familie suchen, die sich durch Jesus aus der ganzen Menschheit ergibt, als am Patriarchat aus der eigenen Familie zu Grunde zu gehen.

    Ich denke, auch ehrliche Atheisten werden am Ende ihrer Weisheit einen Weg finden, wie sie dem Leben danach noch etwas von ihrer Erkenntnis zurückgeben können. Auch wenn ich nicht an Jesus glaube, so zweifle ich nicht an seiner Geburt, denn wer sollte einen Menschen erfinden, der sich so vorbildlich verhalten hat, dass er ohne große Schlachten in ein Testament Einzug fand, das in seiner Einheit den Nachlass sucht, der an seinem Namen festgemacht ist?

  4. Ich bin seit drei Jahren Sonntagmorgensingle und es tut sehr weh, besonders da es mal anders war. Mein Mann geht leider nicht mehr mit zum Gottesdienst, weil er den Glauben anscheinend nicht mehr „braucht“, sozusagen überwunden hat. Sich nun viele Vorträge von Agnostikern und Atheisten anhört. Christlich geheiratet und drei Kinder segnen lassen. Hmmm. Die Kinder gehen ab und zu mit zum Gottesdienst und die Älteste arbeitet auch schon als Mitarbeiterin bei den Kinderbibeltagen mit. Aber wo führt die Reise der Jungs hin? Und die der Familie auf geistlicher Ebene? Der Artikel hat mir geholfen zu sehen, dass es auch Vorteile für die Beziehung haben kann. Sich nämlich ständig mit dem Partner über den Glauben auseinander zu setzen. Das tun wir fast täglich.

  5. Pastor mit atheistischer Familie – eine moderne Glaubenserrungenschaft.
    Je stärker das Ego , desto schwächer Gott.
    Mein Mitgefühl hält sich also in Grenzen, zumal schon allein die Erwähnung amerikanischer Filme im Zusammenhang mit familiär glücklichen Sonntagsgottesdienstbesuchen doch die Ernsthaftigkeit dieses Artikels zumindest fragwürdig erscheinen lassen.

    Solches Singledasein ist nicht ungewöhnlich, denn Träume von glücklichen Familien , die andachtsvoll der Predigt lauschen sind doch wirklich ein Ammenmärchen.
    Aber wenn der Glaube nicht verbindet , sondern eher spaltet, oder Anlass zu Spott wird, dann dürfte die Sonntagsmorgeneinsamkeit auf Abwege führen.

    Andererseits, es gibt auch Filme, wie Pater Brown z.B.., der ja irgendwie auch eine Familie hat, und doch unverheiratet ist.

    Das bringt mich auf ein anderes Thema, nämlich den Zölibat.
    Und den Sinn dessen.

  6. Ich bin seit 15 Jahren sozusagen Single mit 3 teils bereits erwachsenen Kindern. Mit meinem damaligen atheistischen Mann, wäre ich nie auf die Idee gekommen mich in das Thema Glaube so zu vertiefen und so viel zu beten, um Gott nahe zu sein. So nahe, das Gott/Jesus mir am 05.05.2020 sein wiederkommen offenbart hat. Ich habe so gar das Gefühl Gott/Jesus will gar nicht, das ich einen neuen Partner habe, er ist mein Partner. Einen besseren kann ich gar nicht bekommen. Ohne Gott ist mir mittlerweile langweilig und ich finde als Lösung für alles Gott, darüber kann ich mit einem atheistischen Menschen aber nicht sprechen, soll ich mir dann etwas anderes ausdenken? Das wäre nicht ehrlich.

  7. Hmm, als nicht ganz freiwilliger Single könnte man sich da (nicht ganz ernst gemeint) fast fragen, was denn besser wäre: Sonntagsmorgensingle oder „nur“ Single?

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