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Theologe: Popmusik ist wichtig für die Weitergabe des Glaubens

Die Kirchen in Deutschland verlieren immer mehr Mitglieder. Theologe Klaus Depta ist überzeugt: Popmusik hat das Potenzial, diese Erosion aufzuhalten.

Herr Depta, wieso sind die Rock- und Popmusik wichtig für die Zukunft der Kirche?

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Klaus Depta: Rock- und Popmusik, hier als Oberbegriff für sämtlich populären Musikstile, sind nicht wichtig für die Zukunft der Kirche, sondern wichtig für die Weitergabe des Glaubens. Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der der Glaube immer mehr verschwindet. Eine bereits vor Jahren beschworene „Neuevangelisierung“ hat nicht stattgefunden, im Gegenteil!

Je nach Umfrage und Jahr der Erhebung geben 80 bis über 90 Prozent der Befragten an, sich in ihrem Alltag mit Rock- und Popmusik zu beschäftigen. Eine gute Melodie und eine moderne Produktion eröffnen Chancen, eine gute Geschichte zu erzählen. Es reicht schon, Alltagssituationen und -probleme aus einer christlichen Weltsicht heraus anzugehen. Das gelingt zurzeit Michael Patrick Kelly – ein Mann mit einem frommen Hintergrund – hervorragend.

Songs wie seine können dazu beitragen, in einer Gesellschaft, in der nur noch ein Rudiment eines christlichen Milieus vorhanden ist, den Glauben an einen gütigen Gott zumindest offenzuhalten. Noch einmal: offenzuhalten! Mehr scheint mir im Moment in unserer Gesellschaft nicht möglich zu sein.

Woher nehmen Sie dieses Vertrauen in die Musik?

Depta: Wer an der Kraft von Rock- und Popmusik zweifelt, mag in die Geschichte schauen: Gospel und Reggae sind zwei Spielarten populärer Musik, die – auch wenn das hier nicht näher ausgeführt werden kann – beide auf je ihre eigene Weise wesentlich dazu beigetragen haben, das Überleben einer ganzen Kultur und der dazu gehörenden Religion entscheidend zu tragen.

Schauen wir uns den Hip-Hop an. Die größte Jugendkultur, die es jemals gegeben hat. Es erscheint mir geradezu fahrlässig, populäre musikalische Ausdrucksformen nicht als Transportmittel für die christliche Botschaft zu nutzen.

Wie können durch Rock- und Popmusik Jugendliche mit dem Evangelium erreicht werden?

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Depta: Insgesamt hat sich die Musikszenerie in den letzten Jahren gewaltig verändert: Durch einfache, bezahlbare Technik kann jeder aktiv Musik machen. Vor allem am Computer. Mit den modernen Streamingdiensten ist Musik überall verfügbar. Beides führt dazu, dass Musik den Charakter des Besonderen verloren hat.

Hinzu kommt, dass Songs, die Alltagssituationen aus einer durchaus christlichen Weltsicht beleuchten, auch die Chance auf Airplay [Sendezeit; Anm. d. Red.] bei den säkularen Radiostationen haben. Lieder, die – um es zuzuspitzen – Bibelstellen in moderne Situationen transportieren, „einfach fromm“ sind und explizit vom „lieben Jesulein“ erzählen, haben dies nicht.

Es gibt immer weniger bekannte christliche Bands in Deutschland. Außerdem auch weniger christliche Musikfestivals. Was ist das Problem?

Depta: Die finanzielle Bedeutung von Radio-Airplay hat für Musikerinnen und Musiker zwar abgenommen und das nicht erst seit Corona, dennoch macht fehlendes Airplay es gerade für christliche Künstlerinnen und Künstler immer schwieriger, außerhalb von Gemeindeveranstaltungen gebucht zu werden. Dieser Umstand gehört sicherlich zu den Gründen, warum „die dezidiert christliche Szene“ immer kleiner wird.

Dass christliche Festivals verschwinden, ist natürlich bedauerlich. Jede Form von Festival kommt und geht mit ihren Machern. Fast alle christlichen Musikfestivals, die es in Deutschland gab oder gibt, sind von einer Handvoll höchst engagierter Privatpersonen initiiert worden. Dass denen irgendwann „die Puste ausgeht“, zumal solche Festivals immer mit einem unglaublichen Aufwand an Arbeit, viel Verantwortung und natürlich auch einem großen finanziellen Risiko verbunden sind, ist – noch einmal: bedauerlich, aber – völlig normal.

„Gesellschaftlich ist das Bild von Kirche, die ja der offizielle Träger des Christlichen in unserer Gesellschaft ist, im Moment desolat […] Das ist kein Klima, das Einzelpersonen und Gruppen Mut machen könnte, neue christliche Festivals zu starten.“

Für neue Initiativen gibt es zurzeit keine guten Rahmenbedingungen. Gesellschaftlich ist das Bild von Kirche, die ja der offizielle Träger des Christlichen in unserer Gesellschaft ist, im Moment desolat: Missbrauchsfälle bestimmen die Schlagzeilen. Und selbst wenn diese zum Teil Jahrzehnte zurückliegen, bleiben die Vorwürfe des Hinhaltens und Verschleierns, die jegliches Vertrauen erschüttern. Das ist kein Klima, das Einzelpersonen und Gruppen Mut machen könnte, neue christliche Festivals zu starten.

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Könnte der Mangel an christlichen Bands und Festivals auch ein Zeichen dafür sein, dass Rock- und Popmusik doch nicht der richtige Weg sind, um Jugendliche zu erreichen?

Depta: Wir leben in einer Gesellschaft, in der christliche Traditionen in den Familien mit dem Tod der Großmutter abreißen und für immer verschwinden. Für mich ist der klare Auftrag von Kirche, in die Welt hinauszugehen und die Frohe Botschaft zu verkünden. Da ist es zwar gut, wenn Lobpreis und Neue Geistliche Lieder diejenigen erreichen, „die man schon hat“. Aber das reicht nicht.

Klar, dass Kirche schleunigst aus dem desolaten Bild, das von ihr gezeichnet wird, herauskommen muss. Klar ist aber auch, dass sie auf die, „die man nicht hat“, zugehen muss. Es gilt alles zu fördern, was die Erosion christlicher Tradition abbremst, vielleicht sogar aufhalten kann. Rock- und Popmusik gehören für mich zweifelsfrei dazu.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Pascal Alius.

Klaus Depta studierte Theologie, Germanistik, Philosophie und Erziehungswissenschaften. Später arbeitete er als Leiter der Privatfunkredaktion im Bistum Fulda und wurde dort Rundfunkbeauftragter. Neben seiner Dissertation beschäftigte er sich rund 30 Jahre lang mit christlichen Inhalten in der Popmusik. Depta veranstaltete auch selbst Konzerte mit christlichen Künstlerinnen und Künstlern und betreibt die Webseite HeavenOnAir.

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2 Kommentare

  1. Vielen Dank Herr Hehner, dass Sie Ihre Bedenken offen aussprechen.
    Worum geht es denn bei diesen Versuchen, mit einer populären Musik Menschen anzulocken? Geht es nicht ausschliesslich darum, eine grössere
    Anzahl Menschen in eine Kirche zu haben?
    Ist dies Glaubensvermittlung? Nach meiner Meinung wohl kaum. Ich kenne viele suchende Menschen, die sich von den Kirchen enttäuscht abwenden, weil sie keine geistigen, sondern nur weltliche Antworten finden.
    Es gibt eine Unmenge an weltlichen Angeboten, die der Unterhaltung dienen und nur kurze Zeit Gültigkeit behalten.
    Wo bleiben die geistigen Antworten, die über das Weltliche hinausgehen?
    Ich bedaure es sehr, dass die Kirchen nicht bereit sind, diese Antworten zu suchen und sie für suchende Menschen – dazu gehören auch junge Menschen – bereithalten, um sie zu vermitteln.

  2. Weltweite Evangelisation wichtig

    Ich kann dem (allerdings nur bedingt) zustimmen. Denn neben der populären Musik gibt es auch die klassische Musikform und bei der Aufführung des Weihnachtsoratoriums hatten wir – nicht ungewöhnlich – eine volle große Kirche. Und hier in meiner Kirchengemeinde gibt es mindestens 80 Kinder und Jugendliche in der sogenannten Singschule – also den Kinder- und Jugendchören. Und die singen und spielen alle Formen von Musik. Übrigens wird von der weltweiten Evangelisation – dann im Verbund vieler oder aller Kirchen und Konfessionen – kaum gesprochen oder geschrieben – und schon gar nicht angefangen. Es wäre wichtig.

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