Wie glaubt ...?

Theologin Bahr: „Ich habe einen gereiften Kinderglauben“

Streit, Schweigen, Aus-dem-Weg-Gehen: Die Gottesbeziehung der Regionalbischöfin Petra Bahr hat all das überstanden. Wie?

1. Was ist Ihr Lieblingsbuch aus der Bibel? Warum?

Petra Bahr: Die Psalmen. Das Gebetsbuch meiner Vorfahren und meiner Großmutter, mit den Gebrauchsspuren vieler Beterinnen und Beter – sie halten eine Sprache bereit, an die ich mich klammere, wenn ich den Halt verliere und wenn mir die Worte ausgehen, für jede Lebenslage, poetisch und doch intellektuell fordernd, ohne Kitsch wahrhaftig. Sie sind Gebet und Lebensweisung, Theologie und dabei absolut alltagstauglich. Auswendig im Herzen getragen, sind sie überall dabei.

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2. Wenn Jesus bei Ihnen zum Essen vorbeikäme, was würden Sie kochen? Und worüber würden Sie sich mit ihm unterhalten?

Bahr: Foul, frischen Humus, Tomatensalat mit Sumach, eiskalten Melonensaft mit frischer Minze. Ich stelle mir vor, dass das sein Lieblingsessen an warmen Tagen war. Meines war es, als ich in Israel gelebt habe.

Ich würde wissen wollen, ob hinter der Ruhe und Gewissheit auch Verzweiflung und Verlorenheitsgefühle stehen [in Bezug auf die Kreuzigung; Anm. d. Red.], denn „wahrer Mensch“ bedeutet ja auch das: sich von Gott verloren gegeben zu glauben. Und: Wie hat die Verbindung zu Gott diese Erfahrung überlebt?

3. Was ist Ihr Zugang zu Gott?

Bahr: Ein intuitiver. Ich komme aus einer Familie, in der der christliche Glaube selbstverständlicher Teil des Lebens war. Man musste nicht ständig wechselseitig die Richtigkeit der Bekenntnisse überprüfen oder andere in ihrem Stil des Glaubens zurechtweisen oder gar ausschließen.

Die Menschen, die ich aus der Nähe in ihrer Gottesbeziehung erlebte, waren großzügig. (Viele Gemeinden waren es nicht.) Das ist für mich im Rückblick ein Wunder und ein Geschenk.

Deshalb kann mich an keine Zeit erinnern, in der Gott kein Bezug war. Manchmal kindlich vergnügte Selbstverständlichkeit, manchmal eine Beziehung des Schweigens, des zornigen Streitens auch, des Fragens, des Aus-dem-Weg-Gehens. Aber das ist in jeder guten Beziehung möglich, die von Vertrauen geprägt ist.

Ich habe also, wenn man so will, einen gereiften Kinderglauben, der in dem Satz meines Konfirmators gebündelt ist: „Gott glaubt an Dich. Das zeigt sich im Leben und Sterben seines Sohnes. Es ist alles vollbracht. Du musst nur antworten.“

4. Welches Glaubensthema beschäftigt Sie in letzter Zeit? Warum?

Bahr: Das Böse und – gut lutherisch – die verborgenen Seiten Gottes. In der Bibel wird das Auf und Ab des Gottesverhältnisses, besonders im ersten Testament, ausführlich und offen erzählt. Die Abgründe und die Höhenflüge, Gottes und der Menschen Passion, mit theologischer und existenzieller Leidenschaft, schamlos ehrlich.

5. Wofür leben Sie?

Bahr: Für meine Liebsten. Und dafür, dass andere Gottes Liebe erfahren und ihren Zorn, ihre Gekränktheit, ihre Verlorenheit in Gott aufgehoben wissen.

Petra Bahr ist Theologin und Regionalbischöfin von Hannover.


Dieses Interview ist Teil unserer Serie „Wie glaubt … ? 5 Fragen, 5 Antworten“. Wir haben bekannten Christinnen und Christen Fragen zum Glauben gestellt.

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1 Kommentar

  1. Gereifter Kinderglaube eifert gegen Lieblosigkeit

    „Ich habe also, wenn man so will, einen gereiften Kinderglauben, der in dem Satz meines Konfirmators gebündelt ist: „Gott glaubt an Dich. Das zeigt sich im Leben und Sterben seines Sohnes. Es ist alles vollbracht. Du musst nur antworten.“! Da kann ich mich voll anschließen. Ich denke, ein wirklich gereifter Kinderglaube ist ein hoffentlich immer mögliches sehr großes Vertrauen in Gott, andere Zugänge und Glaubensformen zu respektieren, sowie den Glauben im eigenen Leben auch umzusetzen in ethische Realität. Wie etwa Jesus die Tische im Tempel umwarf, so würde er vielleicht heute die Schriftenstände der Fundamentalisten verwüsten, wenn diese Quere, die sich für eine gelingende Partnerschaft vielleicht segnen lassen würden, als völlig die Liebe verleugnende Menschen bezeichnen. Fromm ist nicht immer fromm – oder umgekehrt. Und die Liebe ist immer wichtiger und auch größer als die Moral, wobei mancherlei Moral in sich fragwürdig ist.

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