- Werbung -

Judy Bailey: »Zuhause ist, wo die Menschen sind, die ich liebe!«

Sie ist seit 20 Jahren erfolgreich im Musikgeschäft, tourt durch die Weltgeschichte und findet neben drei Kindern und der Produktion an ihrem achten Album auch noch die Zeit, ihr erstes Buch herauszubringen: Judy Bailey sprüht vor Lebensenergie und Freude. Im Interview spricht die Sängerin aber auch über die dunklen Seiten ihres Lebens.

- Werbung -

Du bist in London geboren, aber aufgewachsen auf der idyllischen Insel Barbados. Würdest du dein Leben in der Karibik als Paradies bezeichnen? 

Im Paradies ist alles perfekt, das wäre natürlich ein sehr hoher Anspruch. Aber auf jeden Fall gibt es Dinge, die paradiesisch sind: Sommeeeer! Mit der Sonne kommt eine gewisse Freiheit, das sehe ich auch in Deutschland: Wenn die Sonne scheint und das Wetter super ist, sind alle Menschen fröhlich. Man kann barfuss laufen und kurze Hosen tragen und alle sind irgendwie ein bisschen freier. Aber natürlich gibt es auch die andere Seite: Leute, die keine Arbeit haben oder arm sind. Barbados ist eine echte Welt, wo das echte Leben spielt. Probleme gibt es überall. 

Gab es etwas, das du in deiner Kindheit auf Barbados vermisst hast? 

Ich glaube, als Kind hat man, was man hat. Aber eine Sache habe ich tatsächlich vermisst: An Weihnachten habe ich mir immer gewünscht, dass es mal schneien würde. In Barbados gibt es viele Weihnachtslieder, die von Schnee und Santa Claus handeln. Ich hätte auch gern einen Schornstein gehabt, durch den Santa Claus mir die Geschenke hätte bringen können.  

- Werbung -

Auf Barbados gibt es auch viel Armut. Musstest du deswegen auf Dinge verzichten? 

Ich habe eigentlich nicht das Gefühl, dass Barbados arm ist. Es gibt Armut, aber es ist nicht vergleichbar mit einigen Ländern in Afrika. Auf Barbados können wir zum Beispiel überall sehr gutes Wasser bekommen. In Afrika gibt es Millionen von Menschen, die kein fließendes Wasser haben. Wenn sie überhaupt Wasser bekommen, müssen sie 3 Stunden laufen – für Brunnenwasser mit schlechter Qualität. Ähm… Was war die eigentliche Frage? (lacht) 

Ob du auf Dinge verzichten musstest!? 
 
Ja, das musste ich auf jeden Fall. Ich hatte viele Leute um mich herum, die viel Geld hatten. Wir waren vielleicht irgendwo in der Mitte. Wir hatten nicht das bequemste Haus, nicht so viele Spielsachen wie die Nachbarskinder und konnten nicht in den Urlaub fahren. Unser Auto war immer das älteste in der Nachbarschaft, aber es gab auch Leute, die gar kein Auto hatten.  

Haben diese Dinge dein Leben und deinen Charakter beeinflusst? 

- Werbung -

Ich glaube schon. Wir hatten ein ziemlich großes Haus in London, das mein Vater verkauft hat. Nach und nach ist das Geld ausgegangen und mein Vater hat bereut, es verkauft zu haben. Er wollte immer mehr haben und war so traurig, weil er an materiellen Dingen hing. Ich hatte die Nase voll davon. Irgendwann habe ich gedacht: So werde ich nicht leben. Solche Dinge werden mein Leben nicht bestimmen und nicht darüber entscheiden, ob ich glücklich bin.

War die Armut, die du selbst als Kind erlebt hast, eine Motivation, dich für World Vision zu engagieren? 

Irgendwie habe ich gedacht, wenn wir etwas haben, können wir teilen. Und es ging mir immer sehr nah, wenn ich Menschen mit gleicher Hautfarbe sah, die leiden. Nicht nur wegen der Hautfarbe, sondern weil sie mein Bruder, meine Schwester oder meine Mutter sein könnten. Über die Jahre ist da etwas in mir gewachsen. Ich kann zwar nicht viel tun, aber das, was ich tun kann, das tue ich auch.  

Dir war es auch wichtig, deine Eltern finanziell unterstützen zu können. Findest du es wichtig, dass Kinder Verantwortung für ihre Eltern übernehmen? 

Das ist eine Frage der Kultur. Wenn wir in Deutschland mit Patricks Eltern essen gehen, bezahlen seine Eltern. Aber auf Barbados zahlen eher die Kinder, weil die nächste Generation mehr Geld als die vorherige hat. Ich denke, als Familie hat man Verantwortung füreinander. Wenn einer aus der Familie mehr hat, wird der eher dem helfen, der weniger hat.

Natürlich könnte sich meine Mutter ihr Leben auch selbst finanzieren, aber ich fühle mich so dankbar, weil sie mir so viel gegeben hat. Ohne sie hätte ich nicht, was ich heute habe. Als ich in London war, um zu studieren, hat sie mir jeden Monat Geld geschickt. Ich fühle mich auf jeden Fall verantwortlich für meine Mutter, weiß aber nicht, ob ich diesen Druck auf meine Kinder übertragen will. Sie sollen sich Patrick und mir gegenüber nicht verpflichtet fühlen. Natürlich wäre das schön, wenn wir später so eine Beziehung haben, dass wir miteinander zu tun haben möchten und uns gegenseitig unterstützen. 

Themenwechsel: Bist du eigentlich unordentlich? 

Neiiiin! (zeigt auf ihr Bücherregal und lacht). Ich bin schon eher unordentlich – obwohl ich es liebe, wenn es ordentlich ist. Aber wenn ich mich nur darauf konzentrieren würde, ordentlich zu sein, würde ich nicht zu anderen Sachen kommen. Zum Beispiel zu unseren 3 Kindern…

Du schreibst in deinem Buch davon, dass du den Ordnungssinn der Deutschen lustig findest… 
 
Ahhh, okay (lacht).  Aber im Buch habe ich damit eher Pünktlichkeit oder das Über-die-Straße-Gehen gemeint.  Und Gesetze, Verordnungen und Reglementierungen. Das geht vom Straßenverkehr bis zu Steuern und Gebühren zahlen, wie Strom geregelt ist – tausend Sachen eben.

In deinem Buch schreibst du: „Als Schwarze wird man nicht als ‚deutsch’ angesehen.“ Begegnet man dir in Deutschland häufig mit Vorurteilen? 

Meine Resonanz, die ich persönlich bekommen habe, ist eher positiv als negativ. Obwohl es auch negative Situationen gab. An einem Nachmittag habe ich zum Beispiel mit meiner Familie einen Sonntagsspaziergang gemacht. Wir wollten den Tag genießen und dann war da eine Gruppe junger Männer, die gesagt haben: „Da ist eine schöne Negerin!“ Das hat mich schon getroffen.  

Hast du Angst, dass deine Kinder ähnliche Situationen erleben werden? 

Wir hoffen immer, dass unsere Kinder genug Selbstbewusstsein haben werden, wenn sie blöde Sprüche bekommen. Sie haben mehr Potenzial, angegriffen zu werden, weil sie in die Schule gehen. Kinder sind Kinder. Und einige Eltern werden etwas gegen Schwarze haben. Bis jetzt ist es kein großes Problem, obwohl Levi schon im Kindergarten erlebt hat, dass ein Kind zu ihm gesagt hat: „Ich finde deine Haut nicht so schön!“.  

Durch deinen Beruf tourst du ja durch die ganze Welt. Welchen Ort würdest du als dein „Zuhause“ bezeichnen? 

Wenn ich an zu Hause denke, denke ich an Patrick und die Kinder. Und gerade sind wir alle hier Zuhause in Deutschland. Aber auch Barbados ist mein Zuhause, weil meine Mutter da lebt. Für mich ist Zuhause, wo die Menschen sind, die ich liebe. 

Du wärst auch gern Psychologin geworden…

Ja, das stimmt.

Was hat dich an diesem Beruf gereizt? 

Ich wollte Leuten helfen. Als ich ein Teenager war, sind Leute zu mir gekommen und haben mir Geschichten aus ihrem Leben erzählt. Ich hatte keine Ahnung, wie ich helfen könnte. Da habe ich zugehört und die Leute sind immer wieder gekommen. Ich dachte „wow“, ich wünschte, ich könnte helfen. Wirklich helfen. Da schien Psychologie eine Möglichkeit, etwas zu tun.  

Als Psychologin war dir, denke ich, bewusst, dass man sich anderen Menschen öffnen muss, um Heilung erfahren zu können.  Dann bist du selbst über ein Thema gestolpert, bei dem du dich anderen nicht so öffnen konntest: die Bulimie. Warum konntest du darüber mit niemandem sprechen? 

Um ehrlich zu sein – ich weiß es nicht. Vielleicht war es so, weil alle immer dachten: „Wow, du bist toll und machst so super Sachen mit Musik und so!“, oder „Du bist so gut in der Schule!“. Meine Eltern hielten mich irgendwie für ein „Special-Kind“. Ich war nie ein Problem für sie. Und vielleicht wollte ich einfach nicht zugeben, dass ich auch mal schwach war und nicht alles kontrollieren oder beherrschen konnte. 

Wie bist du in diesen Kreislauf geraten? 

Ich habe einfach gedacht, ich könnte auch ein bisschen dünner sein. Also nichts essen oder mich direkt wieder übergeben. Das habe ich dann gemacht. Nach einer Weile war ich in diesem Kreislauf gefangen. Einfach aufhören und sagen, okay, Schluss – das funktionierte nicht. Ich hatte ab dem Moment das Gefühl, dass Gott enttäuscht war. Und die anderen Leute schlecht über mich denken würden. Das war peinlich und ein Problem für mich. Ich dachte, vielleicht komme ich auch von alleine davon weg. 

Und wer oder was hat dir dann geholfen, wieder aus diesem Kreislauf rauszukommen? 

Das ist so schwer zu sagen. Aber als wir dieses Jahr das Buch geschrieben haben, da habe ich in meinen alten Tagebüchern gelesen, dass es mit der Bulimie weniger wurde, als Patrick in mein Leben trat. Mit Patrick zu sprechen – obwohl ich nicht weiß, ob wir wirklich viel darüber gesprochen haben – das hat mir vielleicht geholfen. Einfach bedingungslos geliebt zu werden. Jemandem sehr nahe zu kommen und ehrlich zu sein. Angenommen zu werden, egal wie man ist. Und ich glaube, dass Gott die ganze Zeit bei mir war und mich gehört hat. Ich habe auf jeden Fall keine Ahnung, was passiert wäre, wenn das nicht aufgehört hätte, weil Essstörungen manchmal sehr schlimm enden.

Beschäftigt dich das Thema auch heute noch, wenn du zum Beispiel Magermodels siehst?  

Das ist nicht vordergründlich in meinen Gedanken. Die Zeit liegt schon 15 Jahre zurück. Aber natürlich, wenn ich Magermodels sehe, dann denke ich, „wow“, ich weiß, wie das ist, ich muss mir das nicht mehr nur vorstellen. Und ich wünsche mir immer, dass die Leute den Mut hätten, irgendetwas zu tun. Und dass wir aufhören könnten, uns immer nur mit unserem Aussehen und mit Modesachen zu beschäftigen. Wir müssten noch mehr wegkommen von der Idee, dass alles ein ideales Maß hat und wir alle gleich aussehen müssen. Das stimmt nicht. Wir sind einfach alle anders. 

Du erzählst immer ziemlich offen aus deinem Privatleben – auch in deinem Buch. Gibt es denn persönliche Grenzen, die du dir dabei gesetzt hast?  

Auf jeden Fall gibt es Grenzen. Ich erzähle offen, aber trotzdem sehen die Leute nicht mein ganzes Leben. Ich verstecke nichts, aber alles hat seine Zeit. Das mit der Bulimie zum Beispiel – es ist nicht so, dass ich das versteckt hätte, aber ich fand bis vor kurzem eigentlich keinen Grund, darüber zu reden. Aber jetzt war es eben dran. Als das Buch geschrieben war, da dachte ich – es ist wunderschön, aber es gibt auch andere Teile in meinem Leben. Und ich möchte ein rundes Buch schreiben, das Höhen und Tiefen zeigt. Aber rede ich wirklich über alles in meinem Leben? Nein, über 98% Prozent vielleicht. Es gibt auch Dinge, die man mit Gott allein ausmachen muss.

Du gibst ja auch viele Konzerte im kleinen Rahmen. Macht es dir etwas aus, wenn du mal eine Konzerthalle nicht ganz füllen kannst?  

Ja, das ist schon schade. Aus verschiedenen Gründen. Der erste Grund ist, dass der Veranstalter normalerweise viel Geld ausgegeben hat, um die ganze Truppe dahin zu bringen, und es ist kein schönes Gefühl, wenn ich denke: „Oh, der Veranstalter hat Minus gemacht!“ Aber das passiert nicht so oft. Gott sei Dank (lacht).

Dann ist es natürlich auch viel einfacher, ein Konzert zu geben und die Leute zu begeistern, wenn es voll ist. Dann ist Stimmung, man muss nur einmal die Gitarre anschlagen und alle Leute sind dabei.

Aber ich erinnere mich auch an ein Konzert, wo vielleicht 30 Leute da waren. Da haben wir die Situation ausgenutzt. Wir dachten, mit denen, die da sind, müssen wir feiern. Und wir haben mit den 30 Leuten gefeiert wie verrückt. Das war schön. Wir haben tolles Feedback bekommen. Das sind die Konzerte, an die man sich erinnert. Und es ist vielleicht gut, wenn so was passiert, weil man demütig bleibt. 

Würdest du deine Musikkarriere als erfolgreich bezeichnen?  

Erfolg ist so relativ. Weil ich nicht geplant habe, beruflich Musik zu machen, sage ich: ja, auf jeden Fall. Denn eigentlich bin ich Psychologin. Ich habe nie wirklich Musik studiert. Trotzdem machen wir jetzt seit knapp 20 Jahren Musik und wir leben davon, wir sind glücklich, wir haben noch Ideen und wir sind noch da. Ich habe Bands gesehen, die angefangen und schon wieder aufgehört haben. Und wir sind immer noch da. Insofern sind wir erfolgreich. Auch, dass wir die Chance hatten, auf allen fünf Kontinenten Musik zu machen, ist toll. Wenn wir jetzt im Januar durch Indien touren, hat uns die Musik schon Auftrittsmöglichkeiten in 25 Ländern verschafft!

Wichtig ist, was wir mit der Musik erreichen möchten. Dass die Leute ein bisschen anders über Gott denken oder erleben, dass Gott da ist und was mit ihnen zu tun haben wollen. Ein Mädchen hat mir mal ein Stück Papier in die Hand gedrückt nach einem Konzert auf dem stand, dass meine Lieder ihr Leben gerettet haben. Oder eine Frau hat gerade vor zwei Tagen geschrieben, dass sie die Musik so berührt hat, wie es seit zwölf Jahren kein Mensch gemacht hat.

Aber wie gesagt, Erfolg ist relativ. Wir haben keinen einzigen Nummer-Eins-Hit gelandet – weder in Deutschland noch woanders. Ich hätte nichts dagegen, wenn da mal einer käme. Aber das war nie das eigentliche Ziel unserer Musik. Das Ziel ist, etwas von Gott zu vermitteln. Ich bin so dankbar und zufrieden damit. Wir versuchen alles und geben alles und machen weiter. Ja, es gibt verschiedene Wege, Musik zu machen. Und es sieht so aus, als ob es Gottes Weg für uns ist, so Musik zu machen.  

So und jetzt zu deinem neuen Album „Ready to fly“. Du schreibst, Du hast an diesem Album aktiver mitgearbeitet als an den Vorgängeralben. Was bedeutet das genau? 

Also ich habe natürlich bei allen Produktionen gesungen (lacht), habe immer die Lieder geschrieben, was ja auch ein großer Teil der Arbeit ist. Aber bei der ersten CD habe ich keine Ahnung gehabt und alles den Produzenten machen lassen.  

Bei den letzten drei oder vier Alben war ich teilweise nicht hundertprozentig zufrieden, weil ich gedacht habe, dass sie noch ein bisschen anders sein könnten. Es war immer schwer, einen Produzenten zu finden, der unsere ganze Bandbreite abdeckt. Wir haben Reggae, wir haben R’n’B, wir haben ein bisschen Rock, wir haben eine Ballade, wir haben afrikanische Einflüsse. Und dieses Mal hatte ich viel mehr Einfluss, habe gesagt, was geht und was nicht und wusste, ob es in die richtige Richtung geht. Ich habe mich auf mein Bauchgefühl verlassen. Ein Produzent hätte das nie so machen können. Zwischendurch wusste ich nicht genau, ob wir da die richtige Entscheidung getroffen haben, aber dann ist das Album wirklich gut geworden. Und auch unsere Band und alle, die unsere Musik kennen, fanden, dass es wirklich die beste CD ist, die wir je gemacht haben. 

Dein Album heißt  „Ready to fly“ – wo soll denn deine nächste Reise hingehen? 

Ich bin auf einer Familienreise – mit drei Kindern und meinem Mann. Unser Weg ist wirklich ein Abenteuer. Jeder Tag ist anders. Wir versuchen flexibel zu sein, flexibel für Gott und für den nächsten Schritt. Ich weiß nicht genau, wohin es geht. Aber vor allem zu Gott und mit ihm. Den Rest kann er bestimmen.

 

Mehr Informationen über Judy Bailey unter

www.judybailey.de
www.facebook.com/pages/Judy-Bailey/145866352789

(Quelle: jesus.de)

Konnten wir dich inspirieren?

Jesus.de ist gemeinnützig und spendenfinanziert – christlicher, positiver Journalismus für Menschen, die aus dem Glauben leben wollen. Magst du uns helfen, das Angebot finanziell mitzutragen?

NEWSLETTER

BLICKPUNKT - unser Tagesrückblick
täglich von Mo. bis Fr.

Wie wir Deine persönlichen Daten schützen, erfährst du in unserer Datenschutzerklärung.
Abmeldung im NL selbst oder per Mail an info@jesus.de

Zuletzt veröffentlicht