Dieses Morgenlied zeugt von der Angst, die Menschen früher vor der Nacht hatten. Der Dichter sucht Schutz bei Gott und seinen Engeln.
- Gott des Himmels und der Erden,
Vater, Sohn und Heilger Geist,
der es Tag und Nacht lässt werden,
Sonn und Mond uns scheinen heißt,
dessen starke Hand die Welt
und was drinnen ist, erhält. - Gott, ich danke dir von Herzen,
dass du mich in dieser Nacht vor Gefahr,
Angst, Not und Schmerzen
hast behütet und bewacht,
dass des bösen Feindes List
mein nicht mächtig worden ist. - Lass die Nacht auch meiner Sünden
jetzt mit dieser Nacht vergehn;
o Herr Jesu, lass mich finden
deine Wunden offen stehn,
da alleine Hilf und Rat
ist für meine Missetat! - Hilf, dass ich mit diesem Morgen
geistlich auferstehen mag
und für meine Seele sorgen,
dass, wenn nun dein großer Tag
uns erscheint und dein Gericht,
ich davor erschrecke nicht. - Führe mich, o Herr, und leite
meinen Gang nach deinem Wort;
sei und bleibe du auch heute
mein Beschützer und mein Hort.
Nirgends als bei dir allein
kann ich recht bewahret sein. - Meinen Leib und meine Seele
samt den Sinnen und Verstand,
großer Gott, ich dir befehle
unter deine starke Hand. Herr,
mein Schild, mein Ehr und Ruhm,
nimm mich auf, dein Eigentum. - Deinen Engel zu mir sende,
der des bösen Feindes Macht,
List und Anschläg von mir wende
und mich halt in guter Acht,
der auch endlich mich zur Ruh
trage nach dem Himmel zu!
Heinrich Albert (1642)
Angst vor der Nacht
Wer sich die Abend- und Morgenlieder in unseren Gesangbüchern anschaut, wird sich wundern: Die Nacht war für die Menschen noch vor zwei-, dreihundert Jahren eine Zeit der Schrecken und vielfältiger Gefahren. Unsere Vorfahren erlebten die Nacht ja auch ganz anders. Sie kannten kein elektrisches Licht, das man einfach anknipste, wenn der Tag zu Ende ging.
Die Nacht zum Tage machen – völlig ausgeschlossen! So fürchtete man die Finsternis. Sie war die Zeit, in der böse Mächte ihr Unwesen trieben. Man musste mit dem Schlimmsten rechnen: Feuersbrunst und Überschwemmung, Diebe und Räuber sowie – vor allem – „des bösen Feindes List“ oder „des Teufels Anschlag“, wie es im Lied „Gott des Himmels und der Erden“ heißt. Aber auch am lichten Tag war „des bösen Feindes Macht“ nicht müßig. Die Menschen hatten allen Grund, Gott um seinen schützenden Engel zu bitten.
Einige der bekanntesten Morgenlieder folgen in ihrem Text dem „Morgensegen“, den Martin Luther seinem Kleinen Katechismus beigegeben hat. Dieses Gebet sollte den Menschen helfen, ihre Morgenandacht in einer guten Form zu halten. Zu diesen Liedern gehört auch „Gott des Himmels und der Erden“ aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Es lohnt sich, den Text von Luthers Morgensegen und den dieses Liedes zum Vergleich nebeneinanderzulegen. (Luthers Morgensegen findet man zum Beispiel im Evangelischen Gesangbuch unter der Nummer 816.)
Melodie zum Text selbst komponiert
Der Dichter des Liedes, Heinrich Albert, war ein bedeutender Kirchenmusiker. Er war ein Vetter und gleichzeitig auch Schüler eines Mannes mit einem noch berühmteren Namen: Heinrich Schütz. Nach langen und vielfältigen Studien wurde Albert im Jahr 1630 Domorganist in Königsberg. Dort fand er Zugang zu dem Dichterkreis, der sich in Königsberg um Simon Dach gesammelt hatte.
Dazu passt, dass der Verfasser unseres Liedes sich nicht nur als Kirchenmusiker, sondern auch als Dichter einen Ruf gemacht hat. So hat er Text und Melodie zu seinem Morgenlied selbst geschaffen. Ein besonderes Kleinod ist die fünfte Strophe. Wer nach einem schlichten, leicht auswendig zu lernenden Morgengebet sucht, findet es hier!
Text: Reinhard Deichgräber