Paul Gerhardt will mit diesem Lied Jesus würdigen. Es wurde als Teil eines Oratoriums weltweit bekannt.
- Wie soll ich dich empfangen
und wie begegn‘ ich dir,
o aller Welt Verlangen,
o meiner Seelen Zier?
O Jesu, Jesu, setze
mir selbst die Fackel bei,
damit, was dich ergötze,
mir kund und wissend sei. - Dein Zion streut dir Palmen
und grüne Zweige hin,
und ich will dir in Psalmen
ermuntern meinen Sinn.
Mein Herze soll dir grünen
in stetem Lob und Preis
und deinem Namen dienen,
so gut es kann und weiß. - Was hast du unterlassen
zu meinem Trost und Freud,
als Leib und Seele saßen
in ihrem größten Leid?
Als mir das Reich genommen,
da Fried und Freude lacht,
da bist du, mein Heil, kommen
und hast mich froh gemacht. - Ich lag in schweren Banden,
du kommst und machst mich los;
ich stand in Spott und Schanden,
du kommst und machst mich groß
und hebst mich hoch zu Ehren
und schenkst mir großes Gut,
das sich nicht lässt verzehren,
wie irdisch Reichtum tut. - Nichts, nichts hat dich getrieben
zu mir vom Himmelszelt
als das geliebte Lieben,
damit du alle Welt
in ihren tausend Plagen
und großen Jammerlast,
die kein Mund kann aussagen,
so fest umfangen hast. - Das schreib dir in dein Herze,
du hochbetrübtes Heer,
bei denen Gram und Schmerze
sich häuft je mehr und mehr;
seid unverzagt, ihr habet
die Hilfe vor der Tür;
der eure Herzen labet
und tröstet, steht allhier. - Ihr dürft euch nicht bemühen
noch sorgen Tag und Nacht,
wie ihr ihn wollet ziehen
mit eures Armes Macht.
Er kommt, er kommt mit Willen,
ist voller Lieb und Lust,
all Angst und Not zu stillen,
die ihm an euch bewusst. - Auch dürft ihr nicht erschrecken
vor eurer Sünden Schuld;
nein, Jesus will sie decken
mit seiner Lieb und Huld.
Er kommt, er kommt den Sündern
zu Trost und wahrem Heil,
schafft, dass bei Gottes Kindern
verbleib ihr Erb und Teil. - Was fragt ihr nach dem Schreien
der Feind und ihrer Tück?
Der Herr wird sie zerstreuen
in einem Augenblick.
Er kommt, er kommt, ein König,
dem wahrlich alle Feind
auf Erden viel zu wenig
zum Widerstande seind. - Er kommt zum Weltgerichte:
zum Fluch dem, der ihm flucht,
mit Gnad und süßem Lichte
dem, der ihn liebt und sucht.
Ach komm, ach komm, o Sonne,
und hol uns allzumal
zum ewgen Licht und Wonne
in deinen Freudensaal.
Paul Gerhardt
Jesus angemessen würdigen
Ein Fest steht bevor! Ein ranghoher Gast wird erwartet. Wie bereitet man sich darauf am besten vor? Es sind Absprachen zu treffen. Paul Gerhardt, Dichter des Liedes „Wie soll ich dich empfangen?“, hat sich entschlossen, die zu erwartende Person direkt anzusprechen: Jesus. Fünf Strophen sind an ihn gerichtet. Dabei nimmt Gerhardt Bezug auf ein biblisches Ereignis aus der irdischen Biografie Jesu, aber auch auf eigene Erfahrungen des Lebens. Angesichts der Bedeutung des Erlösers bittet er Jesus um Erleuchtung. Wie kann ich angemessen dich, den Ehrengast würdigen? Die Antwort: mit seiner speziellen Begabung – neuen geistlichen Liedern.
Die will er aber keineswegs beisteuern, um als Dichter selbst ein Ruhmesblatt zu ergattern. Ihm ist es ein Anliegen, Gott allein zu ehren. Das wird, für uns überraschend, auch darin deutlich, dass er – nach einem Brauch der damaligen Dichtkunst – in der zweiten Strophe markant, wenn auch verdeckt, das Kürzel S D G für „soli Deo gloria“, einarbeitet. Zweimal! Denn die Anfangsbuchstaben von drei aufeinander folgenden Wörten sowie dann drei in drei Zeilen vertikal untereinander angeordneten (betonten) Wörtern verweisen so auf sein Herzensanliegen: Allein Gott ehren soll auch dieses Lied.
Jesus danken
Und dann dankt Gerhardt Jesus persönlich. Für das Heil. Für Rettung und Hilfe angesichts vieler schwieriger, ja katastrophaler Situationen, die er damals selbst erlebt und miterlebt hat. Für dessen Liebe, die gewissermaßen die ganze Welt umarmt, umfangen hat. Nicht ganz zufällig greift der Poet hier am Schluss des ersten Liedteils ein ähnliches Wort (empfangen) aus der Eingangsstrophe auf.
Danach wendet sich Gerhardt in noch einmal fünf Strophen an die singende Gemeinde. Denn das, wofür er persönlich zuvor gedankt hat, gilt allen, auch uns. Wer das Lied „Wie soll ich dich empfangen?“ singt, soll und wird es sich hoffentlich zu Herzen nehmen: Jesus verdanken wir jede Art Hilfe (Strophe 6), er erwartet keine Eigenleistung unsererseits, er kommt gern (Strophe 7), er vergibt uns die Sünde und schenkt uns Heil und Trost (Strophe 8), er wird den Widerstand besiegen (Strophe 9). Denn er kommt wieder und wird die Welt richten, seine Gnade aber wird ewig leuchten (Strophe 10).
Weltweit bekannt
Am Anfang des Liedes bat der Dichter um Erleuchtung und benutzte das damals jedem verständliche Bild einer Fackel. Jesus Christus aber ist die himmlische Sonne, das ewige Licht. Ihm verdanken wir die Einladung und den Zugang in den Freudensaal.
Das Lied „Wie soll ich dich empfangen?“ ist weltweit bekannt, nicht zuletzt, weil es in dem berühmten Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach erklingt, dort allerdings mit einer anderen Melodie. In unseren Gesangbüchern steht aber die Originalmelodie. Sie stammt von dem Komponisten Johann Crüger, der in seinem Gesangbuch „Praxis Pietatis Melica“ als Erster viele Texte Gerhardts veröffentlichte. Markant hebt in dieser Melodie der höchste Ton mehrfach die Bitte um und die Freude über die Ankunft Jesu hervor. Wenn Jesus kommt, beginnt ein besonderes Fest!
Text: Günter Balders