Wieder eine Bombennacht in Königsberg. Doch dieses Mal verliert die 20-jährige Emma alles, was ihr lieb ist. Ihr Zuhause, ihre Schwester, ihre Sicherheit. Sie kann zwar auf dem Land unterkommen, doch auch diese neue Zuflucht muss sie bald verlassen, denn die Bevölkerung flieht vor der Roten Armee.
Die überstürzte Reise in Eiseskälte ist einfach nur schrecklich. Doch es kommt noch schlimmer. Eine russische Einheit überfällt die Gruppe der Flüchtlinge. Mord, Vergewaltigung, Verschleppung. Emma wird zusammen mit anderen Frauen gefangen genommen, denn eine von ihnen soll schuld am Tod eines russischen Spions sein.
Nach Kriegsende will Emma einfach nur in Ruhe die Fäden ihres zerstörten Lebens aufsammeln und neu anfangen. Die Ereignisse haben sie schwer gezeichnet. Dann taucht auch noch einer ihrer Peiniger aus der Zeit ihrer Gefangenschaft auf. Er will sie für weitere Befragungen mit nach Russland nehmen. Emma will nicht mit, aber sie hat keine Wahl. Wegen einer unüberlegten Bemerkung dort, ist ihr Leben in Gefahr. Es gibt nur einen Ausweg. Doch dieser Weg ist unsagbar schwer.
Dieser Roman ist sehr tiefgründig und gefühlvoll geschrieben. Der christliche Glaube spielt eine große Rolle. Dabei werden schwere Lebensfragen angesprochen, teilweise auch offengelassen.
Emma sehnt sich nach Heilung, Versöhnung mit der Vergangenheit und Liebe. Doch an den Gott des Christentums kann sie nicht glauben. Sie versteht nicht, warum er sie nicht vor dem Schlimmen, das sie mitmachen musste, bewahrt hat. Ihre lange Suche nach Antworten wird überzeugend dargestellt.
Zentral sind die Themen Versöhnung und Fremdenhass. Emma wurde viel Schreckliches von Russen angetan. Es fällt ihr schwer, nicht alle Russen deswegen abzulehnen. Doch auch sie als Deutsche trifft in Russland auf Wut und Hass.
Die Handlung überrascht mit immer neuen Wendungen. Gegen Ende des Buchs scheint manches ein wenig unglaubhaft und Zusammenhänge werden teilweise nicht genügend erklärt. Doch das stört kaum. Die Charaktere sind wunderschön gezeichnet, mit all ihren Zweifeln, Kämpfen und Sehnsüchten.
Von Marianne Müller