Der Schweizer Theologen Thomas Harry stellt er in seinem neuen Buch die Frage, was uns an bekannten Personen fasziniert, wie Mutter Theresa oder Papst Franziskus. Schnell wird klar: Es geht weder um Finanzen noch Mode, Schulbildung oder den größten Freundeskreis. Der Autor identifiziert die Persönlichkeit als das entscheidende Merkmal hierfür. Dabei soll es jedoch keinesfalls darum gehen möglichst „perfekt“ zu werden, sondern nach biblischen Maßstäben (die Früchte des Geistes) zu einer reifen Persönlichkeit werden – durchaus mit Ecken und Kanten – die folglich natürlich auch reif handelt!
Im ersten Teil des Buches geht es zunächst darum, was Persönlichkeit überhaupt bedeutet und welche zwei elementaren Eigenschaften (beziehungsfähig und eigenständig) dafür vorhanden sein sollen. Härry bezeichnet die Reifung der Persönlichkeit als „via spiritualis“. Dabei geht es dem Theologen in erster Linie um das Empfangen von Gott, nicht um das eigene Leisten. An der Persönlichkeit zu arbeiten kann für Christen deshalb nur bedeuten mit Gott gemeinsam diesen Prozess zu gehen und ihn um Leitung und Führung zu bitten. Hier spricht der Autor auch die Herausforderung des „Nachreifens“ an. Dabei geht es Defizite in unserer Entwicklung, die sich oft familiär bedingt ergeben haben und wo uns jetzt als Erwachsene fehlen und „Unreife“ darstellen (vgl. S. 49).
Der zweite und größere Teil des Buches geht sehr praktisch mit reifem Handeln im Alltag um und wendet die gewonnenen Erkenntnisse auf verschiedene Situationen an: Abgrenzung, Konflikte, Problemlösung, Zeitmanagement u. a. Besonders stark fand ich das Kapitel zu den „christlichen Polaritäten“ (S. 211ff), in dem deutlich wird, in welchen Spannungsfeldern wir als Christen stehen und dabei erkennen dürfen, dass wir von beiden Polen positive Merkmale in unsere Persönlichkeit integrieren dürfen. Jedes Kapitel endet mit Fragen und Impulsen für das eigene Weiterarbeiten. Deshalb ist dieses Buch nicht zum schnellen Lesen nebenbei gedacht, sondern eignet sich gut in einzelnen Etappen alleine oder in der Kleingruppe zu lesen und darüber ins Gespräch zu kommen.
Schon der Titel „Kunst des reifen Handels“ macht deutlich, dass es nicht von heute auf morgen gelingt alle Aufgaben durchdacht und weise auszuführen. Eine Kunst will gepflegt und ausprobiert werden. Dazu lädt Thomas Harrys Buch ein.
Von Andreas Schmierer
