Immer wieder machen Archäologen Entdeckungen, die die Erzählungen der Bibel stützen. So auch der überraschende Fund der „Silberröllchen“ im Hinnom-Tal bei Jerusalem im Jahre 1979.
Von Hella Thorn
Es ist kaum zu glauben, dass viele der bedeutendsten Funde der biblischen Archäologie rein zufällig geschahen. Der bekannteste Fall: 1947 sucht der Beduine Muhammed Edh-Dhib eigentlich seine Ziege und findet stattdessen alte Bibelabschriften des jüdischen Volkes – über 1.200 Schriftrollen, unter anderem mit Teilen des Alten Testaments. Dreißig Jahre später, 1979, begeistert wieder ein zufälliger Fund die Forscher-Welt. Der israelische Archäologe Gabriel Barkay will eigentlich im Hinnom-Tal bei Jerusalem herausfinden, was die Menschen vor den Mauern der Stadt machten. Bauten sie Gemüse an? Begruben sie dort ihre Angehörigen? Gab es Straßen, militärische Versammlungsplätze oder Wachtürme?
Grabungen im Hinnom-Tal
Da Barkay nur wenig Geld für seine Nachforschungen zur Verfügung hat, sucht er sich Unterstützung bei einer Jugendorganisation in Jerusalem, die Gelder für Ausgrabungen bereitstellt, und dazu noch einige junge Freiwillige, alle zwischen zwölf und dreizehn Jahren. Barkay und sein Team fangen in der Nähe der schottischen St. Andrews-Kirche an einem Abhang oberhalb des Hinnom-Tals an zu graben. Und man findet tatsächlich etwas: alte Grabkammern, mit Grabbänken, auf denen die Toten abgelegt wurden, bevor man später ihre Knochen unter den Bänken in Kästen verstaute und mit Grabbeigaben versah. Enttäuschung macht sich dennoch unter den Mini-Archäologen breit. Man hatte gehofft, Wertvolleres zu finden, doch die Gräber waren bereits geplündert und teilweise eingebrochen.
Der nervige Nathan
Trotzdem müssen natürlich die bisherigen Ausgrabungsergebnisse festgehalten werden, und so sucht sich Barkay den Jungen aus, der ihn am meisten nervt, und beauftragt ihn damit, eine der kleinen Kammern unter einer Grabbank akribisch zu reinigen. Gabriel Barkay erzählt später: „Unter den 13-jährigen Ausgräbern war ein nerviges Kind namens Nathan, das immer wieder an meinem T-Shirt gezerrt hatte. Und so beschloss ich, dass das die perfekte Aufgabe und der perfekte Ort für ihn waren – weit weg von mir. Ich habe ihm gesagt, dass die Lagerstätte am Ende so sauber sein soll wie die Küche seiner Mutter – und wenn er dafür den Staub weglecken müsse.“ Und Nathan macht sich zunächst auch mit Eifer an die Arbeit. Doch schon bald wird ihm langweilig, und er beginnt, mit einem herumliegenden Hammer auf den Boden der Kammer einzuschlagen.
Ein erstaunlicher Fund
„Nicht lange, nachdem ich ihn zum Saubermachen weggeschickt hatte, zerrte Nathan schon wieder an meinem T-Shirt“, erzählt Barkay. „In seiner Hand hielt er gut erhaltene Tonkrüge.“ Sofort schickt Barkay die Kinder nach Hause und bittet Archäologie-Studenten der Universitäten von Tel Aviv und Jerusalem um Hilfe. Rund um die Uhr wird nun gegraben und gebuddelt. Der Pastor und ein Gemeindemitglied der St. Andrews-Kirche unterstützen die Archäologen mit Elektrizität, Kaffee und Sandwiches. Und tatsächlich finden die Grabenden etwas: Eine der Grabkammern ist über und über gefüllt mit mehreren tausend Objekten: Gold, Silber, alte Knochen, Pfeile, Elfenbein und Edelsteine. Was für ein Fund! Alle werden zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet – niemand darf zu diesem Zeitpunkt etwas von dem Fund wissen. Da die Kammer sehr staubig ist und es kaum Sauerstoff gibt, arbeiten die Archäologen in Wechselschichten. Während Barkay sich kurz ausruht, kommt eine junge Studentin auf ihn zu. Judy Hadley hält ein violett-schimmerndes „Etwas“ in der Hand, das vage an einen Zigarettenstummel erinnert. Ein gewickeltes, silbernes Amulett? Beim Sieben des Sandes finden die Archäologen ein ähnliches Röllchen, ein bisschen kleiner. Sofort werden beide Silberröllchen zu Experten der Universität Leeds in England geschickt, damit diese die beiden Röllchen vorsichtig aufrollen, ohne sie zu zerstören. Doch die Restaurateure kapitulieren. Zu groß sei das Risiko. Auch in Deutschland trauen sich die Forscher nicht an diese beiden kleinen Röllchen heran.
Der Aaronitische Segen
Es dauert insgesamt drei Jahre, bis es israelischen Forschern gelingt, die beiden Silberröllchen aufzurollen. Das eine misst dabei ungefähr zehn Zentimeter, das andere vier. Und jetzt endlich tritt auch langsam die Bedeutsamkeit dieses Funds zutage: Beide Silberstreifen tragen eine hebräische Inschrift. Paläographen (Erforscher alter Schriftformen) identifizieren sie als Verse aus dem 4. Buch Mose 6,24-26 – der Aaronitische Segen (auch priesterlicher Segen genannt): „Der Herr segne dich und behüte dich; der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.“ Eingebettet in verschiedenste Anweisungen, die Gott seinem Volk gibt, steht dieser Segen. Und er macht deutlich, wie genau eine Segenshandlung zu verstehen ist. Der Segen Aussprechende ist zwar der Mensch, doch der Segnende ist und bleibt Gott, der Herr. Diese Erkenntnis gilt es zu bewahren und an die nächsten Generationen weiterzugeben. Vermutlich – so die Forscher – trugen die nächsten Generationen diesen Segen als Schmuck-Amulett um den Hals, um sich gesegnet und von Gott beschützt zu wissen.
Neue biblisch-historische Erkenntnisse
Die Inschrift im Inneren des Amuletts kann auf die Zeit um 600 vor Christus datiert werden – wenige Jahrzehnte vor der Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier. Somit ist sie rund vierhundert Jahre älter als die Schriften aus Qumran. Damit werden bisherige biblisch-historische Erkenntnisse verändert. Zuvor galt der Aaronitische Segen eher als spät entstandener Text. Nun ist ein Bestandteil der fünf Bücher Mose für die Zeit vor dem Exil nachweisbar. Weitergehende Schlussfolgerungen auf das Abfassungsdatum der fünf Bücher Mose insgesamt sind aus diesem Fund kaum zu ziehen. Jedoch bilden die Silberröllchen das älteste Zeugnis des Namens Jahwe außerhalb der Bibel. Wer hätte gedacht, dass ein kleiner, nerviger Junge durch unbedachtes Verhalten so eine sensationelle Entdeckung macht!
Hella Thorn ist Autorin, Lektorin und Redakteurin. Sie ist aktiv im Fresh X-Netzwerk und arbeitet an der CVJM-Hochschule.
Dieser Artikel ist in der Zeitschrift Faszination Bibel erschienen. Faszination Bibel wird vom SCM Bundes-Verlag herausgegeben, zu dem auch Jesus.de gehört.
Schlussfolgerungen auf das Abfassungsdatum der fünf Bücher Mose muss man aus dem Fund ja auch gar nicht ziehen.
Es ist ja schließlich bekannt, wann Mose gelebt und geschrieben hat …
Ja, besonders bemerkenswert ist, dass er in seinem 5. Buch seinen eigenen Tod beschreibt.
Ja, das ist tatsächlich erstaunlich …