Die weltweite Evangelisch-methodistische Kirche (EmK) befindet sich im Umbruch. Harald Rückert, Bischof der EmK in Deutschland, sieht in der Neuausrichtung eine Chance, die „historisch bedingten Abhängigkeiten von den USA abzuschütteln“.
Von Stephan Cezanne (epd)
Auf der Generalkonferenz Ende April in den USA sollen wegweisende Entscheidungen getroffen werden. Der Bischof der EmK in Deutschland, Harald Rückert, wird vor Ort daran mitwirken. Er freue sich darauf, «die Kirche der Zukunft mitzugestalten», sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Frankfurt am Main. Der EmK gehören in Deutschland rund 45.000 und weltweit rund zwölf Millionen Christinnen und Christen an. Die Freikirche ist aus einer Erweckungsbewegung in England im 18. Jahrhundert hervorgegangen. Sie betont verbindlichen Glauben und soziales Engagement.
epd: Vom 23. April bis 3. Mai tagt in Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina das weltweit höchste Kirchenparlament der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK). Die Generalkonferenz musste coronabedingt mehrfach verschoben werden. Was ist das Hauptziel dieser Konferenz?
Harald Rückert: Seit 2019 ist die Bereitschaft gewachsen, sich als weltweite Kirche neu auszurichten. Wir möchten die historisch bedingten Abhängigkeiten von den USA abschütteln, alle Teile der Kirche sollen sich weltweit gleichberechtigt aufstellen. Das ist eine organisatorische, aber auch eine inhaltliche Frage. Diese Ausrichtung auf eine weltweite Kirche wird befördert durch ein großes Beschlusspaket, das sich weltweite Regionalisierung («worldwide regionalization») nennt.
epd: Themen wie Homosexualität oder Ehe werden in Evangelisch-methodistischen Kirchen der Welt unterschiedlich ausgelegt, was immer mit Spannungen verbunden war. Eine Neufassung der sogenannten Sozialen Grundsätze – eines der grundlegenden Dokumente Ihrer Kirche – soll global relevanter sowie theologisch fundierter sein, eine Art ethisch-religiöse Leitplanke. Was hat es damit auf sich?
Rückert: Ja, die seit Langem in Arbeit befindliche Überarbeitung der Sozialen Grundsätze liegt jetzt vor. Diese sollen wieder stärker den Charakter von theologischen Grundsätzen bekommen. Bislang war der US-amerikanische Kontext und auch der US-rechtliche Kontext zu stark in diesen Sozialen Grundsätzen verankert. Jetzt liegt eine Überarbeitung vor, die dem weltweiten Charakter mehr entspricht. Die Aussagen sind komprimierter und grundsätzlicher und können in den Regionen der Welt jeweils kontextuell konkretisiert werden.
epd: Im Mai 2022 hatte sich die konservative und traditionalistische «Global Methodist Church» gegründet, eine Abspaltung von der weltweiten Evangelisch-methodistischen Kirche. Die Trennung resultiert hauptsächlich aus einem seit Jahrzehnten anhaltenden Streit über den Umgang mit Homosexualität. Welche Rolle spielt dieser Vorgang auf der Generalkonferenz?
Rückert: Der Prozess der Trennung, der bereits seit einiger Zeit im Gange ist, soll zu einem Abschluss kommen. Nur so können wir frei werden für die Zukunft. Dieser Abschluss der Trennung soll möglichst in einer respektvollen und einigermaßen friedlichen Weise vonstattengehen. Erst die Trennung wird uns die Freiheit geben, uns in die Zukunft zu entwickeln. Und es wird gleichzeitig den Geschwistern, die die Kirche verlassen haben, die Freiheit geben, ihre Kirche oder ihre Art des Zusammenseins neu zu organisieren.
epd: Welche Auswirkungen hat das alles für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland?
Rückert: Ich denke, wir haben unsere Hausaufgaben bereits erledigt. Wir sind natürlich Teil der weltweiten Kirche und deswegen auch an die Beschlussfassungen gebunden. Gleichzeitig haben wir bei unserer Zentralkonferenz im Jahr 2022 schon im Rahmen der Adaptionsmöglichkeiten, die uns zustehen, einen Weg beschritten, um in Vielfalt beieinanderzubleiben. Die vergangenen vier Jahre haben uns in Deutschland gelehrt, dass das gelingt. Diesen Weg möchten wir im Rahmen unserer weltweiten Verbundenheit beibehalten. Deswegen bin ich im Blick auf die Auswirkungen für Deutschland relativ entspannt.
epd: Sie sprechen den deutschen Sonderweg an, der eine Spaltung verhinderte. Die Gründung des sogenannten Gemeinschaftsbunds der Evangelisch-methodistischen Kirche gilt als großer Erfolg, weil damit in Deutschland die Einheit bewahrt werden konnte. Im Gemeinschaftsbund sind die traditionellen Positionen in sexualethischen Fragen beheimatet, konservative und liberale methodistische Christen konnten so unter dem Dach der EmK bleiben. Besteht eine Chance, das deutsche Modell auf Weltebene umzusetzen?
Rückert: Man kann unseren Prozess nicht einfach kopieren. Allerdings bin ich häufig von Bischofskollegen aus allen Teilen der Welt daraufhin angesprochen worden. Ich hatte auch die Gelegenheit, unser Modell unserem Bischofsrat zu präsentieren. Das hat große Aufmerksamkeit gefunden. Wir sind dazu auch beglückwünscht worden.
Gleichzeitig ist es so, dass die Art und Weise, wie wir das in Deutschland gemacht haben, eng mit unserer Kultur, mit unserer Art des theologischen Ringens und Streitens zu tun hat. Die Rahmenbedingungen in anderen Teilen der Welt sind einfach andere.
epd: Wie optimistisch sind Sie, dass die Einheit auf Weltebene weitgehend bewahrt werden kann, auch wenn zahlreiche Mitglieder die Evangelisch-methodistische Kirche voraussichtlich verlassen werden?
Rückert: Also, diejenigen, die sich bereits innerlich entschlossen haben zu gehen, die sollen in Frieden gehen dürfen; ich wünsche sehr, dass sie umgekehrt auch innerlich Frieden schließen können mit denen, die bleiben. Bei denjenigen, die bewusst bleiben, ist der Wille, beieinanderzubleiben und einander Freiräume zu gewähren, sehr, sehr groß. Ich freue mich darauf, die Kirche der Zukunft mitzugestalten.
Die Menschenrechte sind christlichen Ursprungs
Die Evangelisch-methodistische Kirche erfindet sich neu. Sich da also eher von den USA auch zu lösen (oder lockerer zu machen), und hier zu mehr Meinungsfreiheit zu finden auch in den ernsten Angelegenheiten des Glaubens, ist doch eine sehr gute Sache. Aber innerhalb einer (dann also immer noch Glied-)Kirche der Methodisten kann es aber ernsthaft und dauerhaft global nicht zwei konträre Auffassungen bezüglich Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung geben. Und/oder die (auch biologisch) nicht eindeutig Frauen und Männern (oder beides nicht), sind. Denn bei uns gelten immer die Menschenrechte und ich halte die Menschenrechte, die Unantastbarkeit einer Würde aller Menschen, sowie auch deren Unversehrtheit, für nicht kompatibel mit dem Gegenteil. Auch die Menschenrechte sind ursprünglich aus einem glasklarem christlichen Glauben hervorgegangen. Denn jeder Mensch ist ein Abbild Gottes – oder sollte es sein – und er verdient es nicht wegen einer möglichen Verschiedenheit beim Körper und in den Gefühlen, kein Christ zweiter Klasse zu sein, oder gar keiner sein zu dürfen (und dabei „gedacht“ als Sünder). Wenn wir anderen Menschen begegnen, sollte dies aber immer ein wenig so sein, als begegneten wir Gott selbst Daher darf niemand aussen vor bleiben. Leider sind in den USA viele Christen noch im tiefsten mittelalterlichen Denken gefangen – zumindest ethisch und daher auch christlich. Dafür dass ein Mensch so ist, wie er ist, also in seinen Äußerlichkeiten und in seinen durchaus hochstehenden Gefühlen, muss er auch akzeptiert werden. Da habe ich leider große Probleme, tolerant mit Intoleranten zu sein. Aber anscheinend muss man an bestimmten Fronten vergeblich gegen die riesigen Windmühlenflügel (auch der Vorurteile) kämpfen. Die biblischen Texte, die Homosexualität bannen, orientieren sich (auch unerwähnt) an antiken Realitäten, in denen wie heute Orgien gefeiert wurden nach dem Motto, der Körper sei (wie Griechen dachten) eigentlich nichts wert, also könne man mit ihm dann auch machen was man wolle. Heute ist Ehe und Partnerschaft selbstverständlich bestrebt – oder sollte es sein – sehr gute Partnerschaft zu leben und liebevoll zu gestalten. Denn Christinnen und Christen sollten gute Menschen sein und nicht im Reflex auf andere zeigen. Wer andere minderwertig, falsch orientiert oder als unanständig ansieht, der sollte eher daran denken gründlich in seiner eigenen Seele nachzusehen, ob da alles in Ordnung ist. Den Balken muss man erst aus seinem eigenen Augen ziehen und dann dem anderen anbieten, ihm bei der Beseitigung des Splitters zu helfen. Leider mündet das pure Gegenteil in Bigotterie. Abschließend: Zu ähnlichtem Thema sagten – mir gut erinnerlich – schon in den 1970er Jahren ganz normaler Gemeindepriester, dass die Kirche sich nicht dafür zu interessieren habe, was in den bundesdeutschen Schlafstuben geschehe. Damals ging die Thematik um Menschen, denen der christliche Glauben nicht geholfen hatte, sondern sie von ihm regelrecht psychisch krank geworden sind. (Die genaue Bezeichnung dieser Störung ist mir leider nicht mehr erinnerlich).Das meinte wohl Jesus nicht damit, dass man auch seinen Nächsten lieben soll wie sich selbst: Akzeptanz ist der Beginn, denn der andere ist wie ich, aber jeder ist vom anderen Menschen auch verschieden.