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Forschergruppe: In Berlin boomen die „hippen“ Gemeinden

Forscher wollen ein Erstarken religiöser Bewegungen in Großstädten festgestellt haben. Im Projekt "Global Prayers" untersuchen sie die Auswirkungen des Wachstums von "Neuen Religiösen Bewegungen" wie Pfingst- oder evangelikalen Gemeinden weltweit. Am Donnerstag haben sie ihre Ergebnisse in Berlin vorgestellt – und auch einen Blick auf das religiöse Geschehen in der Hauptstadt geworfen.

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"Wir müssen uns fragen, ob die Säkularisierungsthese je gültig war", fordert Klaus Teschner, Fachreferent für städtische Entwicklung bei "Misereor". Er ist einer von zahlreichen Forschern, die sich im Rahmen des von der Heinrich-Böll-Stiftung unterstützten Projekts "Global Prayers" dem Phänomen Religion in der Stadt nähern. Am Donnerstag stellte er die Arbeit gemeinsam mit dem Anthropologen Werner Schiffauer, dem Religionsethnologen Hansjörg Dilger und den Sozialwissenschaftlern Kathrin Wildner und Stephan Lanz in Berlin vor. Die Experten waren sich einig: Der These, dass die Religion sich mehr und mehr aus der modernen Gesellschaft zurückzieht, muss widersprochen werden. Teschner etwa stellte fest, dass religiöse Bewegungen die Arbeiterbewegungen vielerorts als Protestgemeinschaften abgelöst hätten. Antworten auf typisch städtische Probleme wie Armut und Vereinsamung suchten die Menschen vermehrt in Pfingstgemeinden oder anderen religiösen Gemeinschaften und nicht mehr in linken Ideologien wie dem Marxismus. Während die Stadt für Amtskirchen noch immer oft eine Art Sündenpfuhl sei, in dem sie schwer Fuß fassen könnten, blühten die "Neuen Religiösen Bewegungen" in Berlin, Buenos Aires oder Rio de Janeiro gerade auf.

Schiffauer bezeichnete die "Neuen Religiösen Bewegungen" als "umstritten und unheimlich". Sie bedrohten Machtstellungen, etwa die der alteingesessenen Kirchen. Daher kursierten Verschwörungsmythen über sie. Gesellschaftliche Strömungen bemühten sich, Bewegungen wie die Evangelikalen als "Rattenfänger" darzustellen. Die Fremdheit solcher Gemeinschaften werde überbetont, dabei stecke in ihnen ein "großes Entwicklungspotenzial" und sie seien keineswegs homogen, sondern eigenständige und höchst unterschiedliche Einzelgruppen. Den Erfolg von Pfingstkirchen, aber auch islamischen Bewegungen, erklärte Schiffauer mit einem Verlust an den Fortschrittsglauben. Seit den 60er Jahren sei die Hoffnung auf eine moderne Welt ohne Probleme nach und nach zerbrochen. Die Kernkraft sei gescheitert, ebenso wie ein Glaube an einen Sieg gegen die globale Armut. "Wir wissen nicht mehr, wohin wir gehen sollen", sagte Schiffauer. Die Wiederentdeckung des Glaubens sei eine Konsequenz aus dieser Entwicklung. Gemeinden vereinigten Anbindung und Selbstentfaltung, Askese und Aufstieg oder die Hoffnung auf sowohl diesseitiges wie auch jenseitiges Heil.

"Ambivalenz des religiösen Wirkens"

Dilger berichtete von Erfahrungen aus Tansania, wo er selbst geforscht hat. Dort gebe es zahlreiche religiös geprägte Schulen, christliche wie muslimische. Er beobachte nicht selten eine Entwicklung von karitativen hin zu unternehmerischen Einrichtungen, wie er es am Beispiel einer von Pfingstlern betriebenen Schule erklärte. Zu Beginn seien Kinder dort bedingungslos untergekommen, mit steigendem Erfolg der Schule seien aber auch die Schulgebühren angestiegen. Mittlerweile befördere ein privates Busunternehmen die Kinder zum Unterricht. "Neue Religiöse Bewegungen" könnten gerade den Armen beim sozialen Aufstieg helfen. Oftmals vergrößerten sie aber auch die soziale Schere, folgerte Dilger. Religiöses Wirken sei höchst ambivalent.

Lanz, der auch Mitherausgeber eines Buches zum Forschungsprojekt ist, erklärte den Erfolg junger Gemeinden so: "Die Armen folgen denjenigen, die ihnen etwas bieten können." "Konservative" Pfingstkirchen mit ihren "reaktionären Geschlechterrollen" propagierten Werte wie Enthaltsamkeit, Fleiß und Disziplin. Das führe zu einer Verbesserung der Lebenssituationen ihrer Mitglieder.

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Berlin: Boom der "hippen" Gemeinden

Die Forscher fragten auch, wie religiös die "Hauptstadt des Atheismus", Berlin, eigentlich sei und stellten fest: Von einem Verschwinden christlicher Gemeinden kann auch in dieser Großstadt keine Rede sein. Es gebe hier "wahnsinnig viele religiöse Gemeinschaften", sagte Schiffauer. Gleichzeitig nehme er aber auch ein starkes Ablehnungsgefühl und eine Skepsis der Berliner gegenüber dem Glauben wahr. Teschner will eine allgemeine Abkehr von der Kirche, aber keineswegs eine Abkehr vom Glauben bemerken. Lanz hob hervor, dass gerade evangelikale, "hippe" Gemeinden derzeit in Berlin aus dem Boden schössen. Kirchen wie das "Berlinprojekt" feierten ihre Gottesdienste in modernen Locations wie dem Kino "Babylon" und zögen vermehrt junge Menschen an. "Es gibt hier eine Dynamik", sagte Lanz.

(Quelle: Christliches Medienmagazin Pro)

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