Die designierte niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) hat mit ihrer Forderung nach einem Kruzifixverbot an staatlichen Schulen eine neue Debatte um Religionsfreiheit ausgelöst.
Politiker vor allem aus der Union reagierten mit Widerspruch. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), wies die Forderung Özkans zurück. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte sich hinter Böhmer. Die Kanzlerin teile die Meinung der Integrationsbeauftragten, sagte der stellvertretende Regierungssprecher, Christoph Steegmanns, in Berlin.
Staatsministerin Böhmer sagte am Montag im Deutschlandfunk, Deutschland stehe in einer Jahrhunderte alten christlichen Tradition: «Kreuze in den Schulen sind Ausdruck unserer Tradition und unseres Werteverständnisses.» Die Forderung Özkans sieht Böhmer jedoch nicht als Hindernis für die CDU-Politikerin, das Ministeramt anzutreten.
Özkan hatte erklärt, ein Kind müsse selbst entscheiden können, wie es sich religiös orientiere. Darum hätten auch Kopftücher «in Klassenzimmern nichts zu suchen». Für Schulen in kirchlicher Trägerschaft solle allerdings kein Kruzifixverbot gelten. Die aus der Türkei stammende Juristin Özkan soll an diesem Dienstag ihr Amt als neue Sozial- und Integrationsministerin in Niedersachsen antreten.
Klaus Wowereit, stellvertretender SPD-Vorsitzender und Regierender Bürgermeister in Berlin, sagte im Deutschlandfunk, Özkan habe mit ihrem Vorschlag «im Prinzip das Bundesverfassungsgerichtsurteil aufgegriffen». Dafür werde sie jetzt kritisiert. Wowereit: «Wenn man sagt, Kopftücher und andere Symbole sind verboten, dann wird es eben nach der Verfassungslage, wo nicht differenziert wird zwischen der Religion, natürlich problematisch.» Das habe Özkan deutlich gemacht.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bezeichnete die Haltung Özkans als völlig indiskutabel. Der CSU-Politiker sagte der in Düsseldorf erscheinenden «Rheinischen Post» (Montagsausgabe), Deutschland sei von der christlichen Tradition geprägt. Der frühere bayerische Minister Thomas Goppel (CSU) verwies Özkan auf das Grundgesetz. Dieses sei nach der NS-Zeit mit Rückbesinnung auf das christliche Menschenbild verabschiedet worden, sagte Goppel, Vorsitzender des Geprächskreises der «ChristSozialen Katholiken».
Maria Flachsbarth, Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, sieht nach eigenen Worten im Kreuz nicht nur ein kulturelles Symbol, sondern ein Bekenntnis der Christen. «Auch in einer pluralen Gesellschaft hat es seinen selbstverständlichen Platz in der Öffentlichkeit», fügte die CDU-Politikerin hinzu. Sie verurteilte zugleich Drohungen und Hetzkampagnen gegen Özkan. Diese Vorfälle seien unnachgiebig zu ahnden.
Ingrid Fischbach (CDU), stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union unter anderem für Soziales und Kirchen, warnte vor einer Verbannung von Kruzifixen. 1995 habe das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entschieden, dass die Anbringung eines Kruzifixes in öffentlichen Schulen mit dem Neutralitätsprinzip des Staates unvereinbar sei. Dennoch habe es bislang wenig Vorstöße gegeben, Kruzifixe aus Klassenzimmern öffentlicher Schuleinrichtungen zu entfernen.
Memet Kilic, Sprecher für Migrations- und Integrationspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, unterstützte Özkans Anliegen, Kruzifixe aus staatlichen Schulen zu entfernen. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits in seinem Kruzifix- und Kopftuchurteil darauf hingewiesen, «dass die zunehmende Heterogenität unsere Gesellschaft eine stärkere Neutralität der staatlichen Stellen erfordert».
Die Konferenz Bekennender Gemeinschaften in den evangelischen Kirchen verlangte einen Verzicht Özkans auf das Ministeramt. Die Forderung der muslimischen Politikerin, Kreuze aus den Schulklassen zu verbannen, habe viele Christen verletzt, sagte der Vorsitzende, Pastor Ulrich Rüß, in Hamburg. «Immerhin gilt das Kreuz als Fundament unserer Kultur und Werte.»
(Quelle: epd)