Zum 20. Mal zogen Abtreibungsgegner beim „Marsch für das Leben“ durch Berlin. Gegendemonstranten stürmten bei der Abschlussveranstaltung die Bühne.
Mehrere tausend Lebensschützer haben am Samstag beim 20. „Marsch für das Leben“ rund um das Brandenburger Tor gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche und gegen Sterbehilfe demonstriert. Der Bundesverband Lebensrecht (BVL) als Veranstalter sprach von 4.500 bis 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die Polizei schätzte die Zahl auf einige Tausend „im unteren vierstelligen Bereich“. An der Gegendemonstration für das Recht auf Abtreibungen beteiligten sich laut Polizei mehrere Hundert Menschen.
Die BVL-Vorsitzende, Alexandra Linder, kritisierte, „die Geburtenzahlen gehen runter, die Abtreibungszahlen steigen“. Zugleich müssten tausende Frauen nach einem Platz in den immer weniger werdenden Geburtsstationen suchen. „Wir wollen eine lebensbejahende Gesellschaft“, sagte Linder. Beim Lebensrecht gehe es um Inklusion, um den Schutz von Menschen am Anfang und Ende ihres Lebens, um die Hilfe für bedrängte und bedrohte Menschen in schwierigen Lebenssituationen.
Päpstliches Grußwort: „Jeder ist gewollt“
An der Kundgebung beteiligten sich auch in diesem Jahr wieder Vertreter der katholischen Kirche, darunter der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke und der Berliner Weihbischof Matthias Heinrich. Der Vertreter des Papstes in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, erklärte in einem Grußwort, beim „Marsch für das Leben“ verbänden sich Menschen guten Willens aus unterschiedlichen Religionen, Konfessionen, Weltanschauungen und politischen Strömungen zu einem friedlichen Statement: „Jeder ist gewollt, jeder ist geliebt, jeder ist gebraucht!“
Im Rahmen der Kundgebung präsentierten Mitglieder der brasilianischen Lebensgemeinschaft „Comunidade de Jesus Menino“ ihre Arbeit. Die Gemeinschaft organisiert die Adoption behinderter Kinder, die von ihren Eltern verstoßen wurden. Ihr Gründer Tônio Tavares (Englisch) hat 46 Kinder und Jugendliche adoptiert. Der kanadische Ethiker Pablo Muñoz Iturrieta sprach laut BVL über die ethische und universale Perspektive des Lebensrechts. Er unterstützt im US-Wahlkampf den republikanischen Kandidaten Donald Trump.
Während der Abschlusskundgebung stürmten mehrere Gegendemonstranten die Bühne (Video). Sie skandierten „My body, my choice, raise your voice!“ (Deutsch: Mein Körper, meine Wahl, erhebe deine Stimme) und versuchten ein Transparent zu entrollen. Die Polizei verhinderte dies und führte die Störer von der Bühne.

Parallelveranstaltung in Köln
Zeitgleich fand auch in Köln zum zweiten Mal der „Marsch für das Leben“ statt. Rund 2.000 Menschen nahmen daran teil. John Deighan, Geschäftsführer der „Society for the Protection of Unborn Children“ (SPUC), berichtete von seiner Arbeit in Großbritannien. Fabian, ein junger Mann mit Down-Syndrom, gab ein Statement für das Leben und das Recht auf Leben ab. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe wies auf die steigende Selektion von Kindern mit genetischen Besonderheiten hin.
Im Gegensatz zur Veranstaltung in Berlin war die Zahl der Gegendemonstranten in Köln höher – laut Polizei rund 2.500. Sie brachten den „Marsch für das Leben“ durch Blockaden mehrmals zum Stillstand.
Gegendemonstranten: Paragraf 218 streichen
Die Gegendemonstranten skandierten unter anderem „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat“ und forderten die Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch. Die aktuelle Regelung entmündige einen großen Teil der Bevölkerung in ihren persönlichen körperlichen Entscheidungen. Nach Paragraf 218 kann ein Schwangerschaftsabbruch mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden.
Kritiker des Marschs werfen den Initiatoren neben der unterschiedlichen Auffassung beim Thema Abtreibung vor, dass Christen beim „Marsch für das Leben“ gemeinsam mit Rechten und Rechtsextremen marschierten. So zählt die AfD-Fraktion im Bundestag zu den Unterstützern des Marschs. Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch war laut Tagesspiegel unter den Teilnehmenden.
Antifeminismus nehme eine Scharnierfunktion zwischen konservativen, christlich-fundamentalistischen und extrem rechten Gruppen ein, sagt Ronja Heukelbach von „Spotlight“ gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger. Das Projekt, das sich mit den Gefahren von Antifeminismus befasst, wird von Land und Bund gefördert. „Der „Marsch für das Leben“ sei problematisch, weil dessen Unterstützer „darauf hinarbeiten, die reproduktive Selbstbestimmung zu untergraben.“
ALfA kritisiert Stimmungsmache gegen Lebensschützer
Cornelia Kaminski von der „Aktion Lebensrecht für Alle“ (ALfA) kritisierte dagegen die „Diffamierung von Lebensrechtlern“. Das ZDF hatte in seiner Reportage Glaube, Macht, Ideologie – das gefährliche Netz der Abtreibungsgegner vor dem Einfluss rechtsextremer Gruppierungen auf Abtreibungsgegner gewarnt. ALfA bekenne sich zur „freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Verfassung“, so Kaminski, sei überparteilich und überkonfessionell und lasse sich politisch weder rechts noch links verorten.“ Kaminski weiter: „„Der als ,investigative Reportage‘ getarnte Beitrag ist in Wirklichkeit der so schamlose wie durchsichtige Versuch, zweier mit der Abtreibungslobby sympathisierenden Autoren, Bürger, die sich öffentlich für das Recht auf Leben wehrloser und unschuldiger Kinder im Mutterleib einsetzen, als ,rechtradikal‘ zu etikettieren.“
Schutz des ungeborenen Lebens im Grundgesetz
Das Grundgesetz verpflichtet den Staat in Artikel 1 zum Schutz des ungeborenen Lebens. Dies hatte der wissenschaftliche Dienst des Bundestags zuletzt 2018 in einem „Sachstand“ zum Thema unterstrichen. Darin heißt es:
„Durch das Grundgesetz werden dem Staat nicht nur unmittelbare Eingriffe in das menschliche Leben untersagt, er wird zugleich verpflichtet, sich schützend und fördernd vor jedes menschliche Leben zu stellen. Dies umfasst auch das ungeborene Leben.“ Und weiter: „Die Schutzpflicht beginnt […] mit der Einnistung des befruchteten Eis in der Gebärmutter […], denn fortan handelt es sich um ein individuelles, genetisch einmaliges und nicht mehr teilbares Leben. Das Ungeborene wird im Wachstumsprozess nicht erst zum Menschen, sondern entwickelt sich als solcher weiter […]. Das ungeborene Leben ist mithin bereits Träger von Grundrechten. Eine Verletzung seiner Men- schenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG kann verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden“
Der Bundesverband Lebensrecht ist ein Zusammenschluss 15 deutscher Lebensrechtsorganisationen. Er tritt laut Selbstbeschreibung ein (Auswahl) „für eine umfassende, individuelle, respektvolle Hilfe und Beratung im Schwangerschaftskonflikt, mit der die Mutter, das Kind und alle anderen Betroffenen leben können“ sowie den „Schutz von Embryonen vor Verwertung, Verzweckung und Vernichtung.“
Quellen: epd, Tagesspiegel, X, Kölner Stadt-Anzeiger, Aleteia.org, ALfA
Ich finde, dass die Märsche für das Leben ein sehr wichtiges Zeichen dafür sind, dass nicht 100% der Bevölkerung alles zum Thema egal ist. Die evangelische Kirche beteiligt sich nicht, was einen nicht wundert. Sie haben vieles aus dem Evangelium aufgegeben. Ich bin jedenfalls überzeugt davon, dass Jesus mit keiner einzigen Abtreibung einverstanden ist.
oder die EKD achtet schlicht darauf, mit wem sie zusammen demonstriert.
Auch möglich, dass sie das Thema nicht ganz so schwarz-weiß sieht.
> ich bin jedenfalls überzeugt davon, dass Jesus mit keiner einzigen Abtreibung einverstanden ist.
Man weiß es nicht. Aber ich denke, er hätte nicht an der Seite von Menschen demonstriert, die an der Grenze auf Kinder auch schießen lassen wollen, sofern es Migranten sind. ‚Lebensbejahend‘, nun ja, ist wohl auch Ansichtssache.
Ein emotional besetztes und schwieriges Thema. Eins vorab: Persönlich, in meinem Leben, bin ich gegen Abtreibung.
Aber ganz so einfach ist das mit der Bibel & Abtreibung nicht. Eine eindeutige Aussage zum Thema gibt es nicht. Obgleich Stellen aussagen, dass Gott uns kennt bevor wir empfangen wurden (Jeremia 1,5). Und das Leben heilig ist. Trotzdem gab und gibt es im Juden- und Christentum Vorstellungen und Regeln, die nicht der evangelikalen Lesart entsprechen. Der Embryo hatte im Mutterleib zu biblischen Zeiten nicht alle Rechte eines Menschen. Erst ab dem 40. Tag der Schwangerschaft bekam er nach jüdischem Verständnis eine Seele (wenn ich mich richtig erinnere), erst mit der Geburt war er/sie ein vollwertiger Mensch.
Christliche Apologeten wie Juden berufen sich dabei mitunter auf 2. Mose 21, 22+23, interpretieren die Stelle jedoch unterschiedlich. Jüdische Auslegung legt nah, dass der Embryo in erster Linie „Besitz“ des Vaters ist und bei Verletzung nur ein „Sachschaden“ entsteht. Vers 23 bezöge sich demnach ausschließlich auf Schaden am Leib der Mutter. Hier streiten die Aúsleger um eine potenzielle Fehlübersetzung in der Septuaginta. Auch im Talmud wird dem Embryo nicht derselbe Wert wie einem „fertigen“ Menschen beigemessen. Das bedeutet jedoch nicht, dass er nicht schützenswert ist! Es ist mindestens „werdendes „Leben, auch wenn das Leben der Mutter Vorrang hat. Und im Judentum gibt es heutzutage liberale wie konservative Ansichten zur Abtreibung.
In der frühen Kirche wurde Abtreibung auch nicht sofort ab Empfängnis als „Mord“ begriffen. Die Frist lag irgendwo zwischen 6 und 12 Wochen. Bin mir gerade unsicher, aber so müsste es z.B. auch beim Kirchenvater Augustin gewesen sein. Die Verschärfung, also „Mord“ ab Empfängnis, entwickelte sich erst viel später. Sie war nicht Teil der frühkirchlichen Auslegung und Lehre.
Unabhängig vom Thema Abtreibung an sich stellen sich in diesem Zusammenhang weitere Fragen. Wenn jemand 2.Mose 21 (und andere Stellen) als klare „Mord-Definition“ betrachtet, wie sieht es dann mit den dort vorgesehenen Strafen aus? Das würde konsequenterweise nahelegen, den Täter (Arzt) hinzurichten. Analog zu der Stelle wenige Verse zuvor: „Wer seinem Vater oder seiner Mutter flucht, muss getötet werden.“ Was sagen Konservative dazu? Mit welchem Argument werden die Strafen ausgeklammert (oder Gott „überlassen“?) Es ist klar, dass es sich im Buch Exodus um Strafen handelt, die direkt zu vollziehen waren.
Zur Erinnerung: Für meine Frau und mich käme eine Abtreibung nicht in Frage.
Deswegen treiben Christen ja auch nicht ab …
In Anbetracht der vielen Kindergräber auf kirchlichen Einrichtungen könnte man sagen: Stimmt, sie warten bis die Kinder geboren sind.
2 traurige Beispiele
https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/katholische-kirche-in-massengrab-in-irland-sollen-800-babys-liegen-a-972285.html
https://www.spiegel.de/panorama/nach-fund-von-graebern-indigener-kinder-katholische-kirchen-in-kanada-niedergebrannt-a-cf659aa3-2ea0-4b3e-8cb9-ecf2bdfaf08e
Alles was die Grünen und Linken nicht passt, wird als Rechtsextrem deklariert. Eine vernünftige und auf den Austausch von Argumenten beruhende friedliche Diskussion ist dadurch nicht möglich.
Deshalb auch die Nennung der AfD die bei dem Thema keine Bedeutung hat, aber zum negativen Framen verwendet wird. Leider erfolgt dies auch mit Unterstützung der Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die sich auch hier sehr einseitig positionieren. Leider vermisst man das Einschreiten von Kontrollgremien, die Vertreter von Politik, Gesellschaft und Kirche sind offensichtlich zu feige, zu faul oder finden das gut.
Aber nicht nur die positionieren sich Einseitig. Die Evangelische Kirche zum Beispiel ist ein sehr negatives Beispiel.
Wenn du dich mal mit den Geschichte dieses Marsches und der Rolle, die dabei führende AfD-Funktionäre spielten, beschöftigen würdest, würdest du merken, dass diese Nennung durchaus ihre Berechtigung hat.
Und wird das GRÜNEN-Bashing nicht irgendwann langweilig,
Eine Mehrheit der Bevölkerung ist für die Streichung des Abtreibungsparagraphen und mir wäre neu, dass DIE GRÜNEN 50 % der Wählerstimmen bekommen.
Die „Gesellschaft“ ist eine Fiktion. Genauso ist die „Beeinflussung der Gesellschaft“ eine Fiktion. Eine Masse von Leuten, von denen jeder und jede das Recht hat, sich selbst eine Meinung zu bilden bzw. eine Meinung zu haben, kann nicht als Masse beeinflusst werden.
Aber das Gute tun, das kann jeder, das ist von uns Christen auch verlangt.
Wir sollten aber nicht meinen, wenn wir das Gute tun, müssten wir das auch von allen anderen verlangen.
Warum können wir nicht einfach das Gute tun, die „Gesellschaft“ damit in Ruhe lassen, und hoffen, dass es doch den einen oder die andere zum Nachdenken bringt?
Ich meine, wir seien berufen, Frieden zu bringen, nicht absichtlich Unruhe zu stiften …
Ich finde es sehr überraschend, wie wir beide, die wir wohl eine sehr unterschiedliche Glaubensüberzeugung haben, doch oft zu einem ähnlichen Ergebnis bzw Ansicht kommen.
Ich stimme deinem post im großen und ganzen zu.
Warum sollte man in einem freien demokratischen Staat nicht auch friedlich das Recht auf Meinungsfreiheit nutzen dürfen?
Sind Sie auch mit den antisemitischen Protestaktionen und Aufrufen zum Kalifat einverstanden oder kritisieren Sie diese ebenso deutlich?
Jesus wurde nicht gekreuzigt, weil er in Ruhe „nur“ Gutes tat. Er wurde gekreuzigt, weil er der Weg, die Wahrheit und das Leben ist und das öffentlich verkündigt hat. Genauso wie er Menschen zur Umkehr aufgerufen und Sünde beim Namen nannte.
Warum also sollten mutige Menschen angesichts knapp 1 Millionen Morde in Deutschland pro Jahr schweigen? Und nein, medizinische oder kriminologisch begründet sind nur knapp 4% und gegen die gehen die Demonstranten auch nicht auf die Straße.
Jesus hat die Umkehr zu Gott verkündet und verlangt, dass die, die zu Gott umkehren, dann auch den Willen Gottes tun.
Aber er hat zu denen gesprochen, die es hören wollten, und nicht zu denen, die es nicht hören wollten.
Er hat auch seinen Jüngern geboten, das Heilige nicht den Hunden zu geben und die Perlen nicht vor die Schweine zu werfen.
Wir habn auch keinen Auftrag, die Sünde in der Welt abzustellen, wir sollen vielmehr die Sünde in unserem Leben abstellen.
Wir haben von Gott aber den Auftrag, im Umgang mit den Menschen nach dem zu trachten, was dem Frieden dient.
In einer sich empörenden und demonstrierenden Gesellschaft sich mitzuempören und mitzudemonstrieren dient nicht dem Frieden …
Jesus hat auch gesagt, dass er nur zu den Kindern Israels gesandt sei (Mt 15,24). Das war sein Selbstverständnis. Nur der Glaube der kanaanitischen Frau bewegt ihn laut Mt. dazu, ihr zu helfen.
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@Markus,
wie kommst du auf „… angesichts knapp 1 Millionen Morde in Deutschland pro Jahr… ?“
Es sind zZ 106.000 Schwangerschaftsabbrueche pro Jahr in D
https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Schwangerschaftsabbrueche/_inhalt.html
LG Joerg v NRW
Natuerlich, fuer fast jedes getoetete Kind im Mutterleib tragisch!
Hast recht, ich hatte die amerikanische Zahl immer Kopf. Nichtsdestotrotz sind 96.000 Tötungen ohne medizinischen oder kriminologischen nicht mit „mein Bauch gehört mir“ zu rechtfertigen.