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Missbrauchskandal: Erstes Treffen der Jesuitenspitze mit Opfern

Vier Monate nach Bekanntwerden von Missbrauchsfällen an Jesuitenschulen ist die deutsche Ordensspitze am Samstag in Berlin erstmals mit Opfern zusammengetroffen.

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 Die knapp sechsstündige Zusammenkunft, die unter anderem von Ex-Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) moderiert wurde, verlief nach einhelliger Aussage von Teilnehmern streckenweise «sehr emotional». Die über 30 aus dem ganzen Bundesgebiet angereisten Opfer übergaben der Ordensspitze einen Forderungskatalog, in dem sie weitere Aufklärung, therapeutische Hilfe und finanzielle Genugtuung verlangen.

 Der deutsche Jesuitenprovinzial Stefan Dartmann, der von seinem designierten Nachfolger Stefan Kiechle und drei weiteren führenden Patres begleitet wurde, zeigte sich nach Abschluss des bewusst als «eckigen Tisch» benannten Treffens dankbar über die Einladung zu dem Gespräch. «Es tut sehr weh zu sehen, was der Missbrauch angerichtet hat, selbst wenn er 50 Jahre zurückliegen mag», so der Ordenschef. Dartmann lehnte die bei der nicht-öffentlichen Sitzung vorgetragenen Entschädigungsforderungen auch nicht mehr so entschieden ab wie noch zwei Tage zuvor bei der Vorlage des Abschlussberichts der Missbrauchsbeauftragten des Ordens, Ursula Raue.

 Die persönliche Begegnung mit den Opfern habe ihn «nachdenklich» gemacht und die Thematisierung dieser Frage eine «heilsame Provokation» dargestellt, «die wir jetzt mit nach Hause nehmen», sagte Dartmann. Allerdings sei er dankbar, dass nicht sofort konkrete Summen genannt wurden. Von Opferseite wurde allerdings nach dem Gespräch darauf verwiesen, dass der Orden in den USA Missbrauchsopfern eine Million Dollar und in Irland 80.000 Euro gezahlt habe.

 Dartmann kündigte ferner an, dass die Jesuiten in den nächsten Tagen eine weitere Persönlichkeit mit Ermittlungen über Missbrauchsfälle am Bonner Aloisiuskolleg beauftragen werden, so wie das zuvor die Opfer gefordert hatten. Die frühere Bundesgesundheitsministerin Fischer nimmt diese Aufgabe bereits seit Mitte Mai für das Berliner Canisius-Kolleg wahr.

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 Die dort Ende Januar bekanntgewordenen Fälle, die im Gegensatz zu anderen Einrichtungen mehrere Jahrzehnte zurückliegen, hatten den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche ins Rollen gebracht. Laut Abschlussbericht der Berliner Rechtsanwältin Raue, die ebenfalls an dem Berliner Treffen teilnahm, haben sich beim Orden bundesweit bislang 205 Opfer gemeldet.

 Ungeachtet des Abschlussberichts seien noch viele «Nachermittlungen» nötig, sagte einer der Sprecher der Missbrauchsopfer, Matthias Katsch. So kämen darin weder die 50er Jahre vor noch die jüngere Vergangenheit: «Es fällt schwer zu glauben, dass nach 1990 keine Taten mehr begangen werden und bekannt geworden sind.» Auch seien bisher weder möglicherweise mit sexuellem Missbrauch in Zusammenhang stehende Suizidfälle noch die Auswirkungen auf Angehörige untersucht worden, «die uns mit unseren Beschädigungen ertragen haben».

 Katsch regte ferner an, zum Zwecke der Aufarbeitung Opfer an die Jesuitenschulen einzuladen, sie vielleicht sogar um eine Rede zu den jetzt anstehenden Abiturfeiern zu bitten. «Das ist ein interessanter Vorschlag», reagierte darauf der Rektor des in Berlin als Elitegymnasium geltenden Canisius-Kollegs, Klaus Mertes. «Aber ich weiß noch nicht, was die Schulleitung und die Schüler dazu sagen.»

 Inwieweit der «Eckige Tisch», der als Kontrast zu dem von der Bundesregierung eingesetzten «Runden Tisch» erdacht wurde, fortgesetzt wird, blieb unklar. Beide Seiten wollen die geführten Gespräche zunächst intern auswerten. «Wir haben begriffen, dass wir von der Konfrontation mit den Jesuiten keinerlei Lösung erwarten können», sagte Katsch.

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 Von manchen Opfern wurde allerdings deutlich gemacht, dass der Orden in den nächsten Wochen ein deutliches Signal auch in der Entschädigungsfrage werde setzen müssen, um juristische Klagen abzuwenden. Einige von ihnen haben bereits eine Berliner Anwaltskanzlei mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt. «Die Zeit der Besinnung währt nicht ewig», sagte das Missbrauchsopfer Robert Schulle. Gleichzeitig verwies er darauf, dass der Orden mit einem offensiven Umgang in der Auseinandersetzung eine Vorbildrolle auch für andere Institutionen einnehmen könne. «Die Jesuiten haben eine historische Chance.»

(Quelle: epd)

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