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Andreas Weiß: „Ich bin ein ‚Segen-Durchlauferhitzer‘.“

Kirche muss die Chance des Segens entdecken. Pfarrer Andreas Weiß aus Blankenburg/Harz ist überzeugt: Der göttliche Zuspruch gehört nicht nur in den Gottesdienst, sondern auch auf die Marktplätze unserer Städte.

Die Fragen stellte Ulrich Mang

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Ihnen ist es wichtig, den Segen nicht nur in der Kirche zu spenden. Erzählen Sie uns von dem Segensangebot auf dem Markt!
Der Segen ist für mich ein zentrales Angebot. Eigentlich ist es ganz einfach: Gott ist mit uns auf dem Weg und wir müssen uns mit den Menschen in unserer Umgebung auf den Weg machen. Ich bin vor allem mit Menschen unterwegs, die nicht zur Kirche gehören. Das macht in Blankenburg ungefähr 80 Prozent der Stadtbevölkerung aus.

Wie kommen Sie zu diesen Menschen?
Wenn man sie einladen würde, wäre ihre Antwort: „Das ist nicht meine Tradition.“ Das ist wahr! Sie sind in der dritten oder vierten Generation raus aus der Kirche. Also kann es gar nicht so sehr um Kirche, sondern um Inhalte gehen! Denn über den Glauben kann ich mit den Menschen sprechen.

Konkret?
Wir bieten eine Segensfeier auf dem Marktplatz an. Im Juni gibt es das Altstadtfest. Von meinem Vorgänger wurde hierzu ein Gottesdienst am Sonntagmorgen auf der Hauptbühne angeboten. Als ich das das erste Mal machte, saßen dann da so dreißig Menschen, die sonst in die Kirche gegangen wären. Ich dachte damals: „Das ist jetzt irgendwie doch noch nicht das Richtige!“ Dann habe ich mir überlegt, dass wir doch eigentlich den Segen Gottes weitergeben müssten. Das Wort „Gottesdienst“ ist bei den Planungen in den Hintergrund getreten, denn zum „Gottesdienst“ komme ich nicht, da es eine kirchliche Sache ist und nur die Kirchenleute dort hingehen. Ich habe dann einfach ein Wort erfunden und die Veranstaltung „Festsegen“ genannt. Mittlerweile ist es so: Zum „Festsegen“ sind der Bürgermeister und viele Leute da. Denn den Segen zu empfangen, das ist unabhängig vom Glauben. Gesegnet sein, das wollen alle. Es ist noch keiner zu mir gekommen und hat gesagt: „Nee, ich will deinen Segen nicht!“ Das machen alle mit.

Was verstehen Sie unter Segen?
Ich kann es am ehesten beschreiben, wenn ich an Kreuzesdarstellungen aus dem Mittelalter denke. Of wird hier Christus am Kreuz nicht als der Leidende, sondern der Segnende dargestellt. Dabei streckt er nicht alle Finger aus, sondern klappt den kleinen Finger und den Ringfinger ein. Dadurch entsteht eine Segenshaltung: Christus segnet und leidet nicht! Natürlich hat der leidende Christus seine Berechtigung, das ist nicht die Frage. Was ich aber unter Segen verstehe, ist: Christus tröstet und stärkt uns. Gottesdienst und eigentlich alles Predigen sowie alles Handeln hat die Aufgabe des Trostes. Wir sollen die Menschen trösten. Ich glaube daher, dass der Segen das Stärkste ist, was wir als Christen in der Hand haben, um Menschen etwas weiterzugeben.

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Welche Bedeutung hat der Segen im Umgang mit kirchenfernen Menschen?
Heiligabend in der Bartholomäuskirche in Blankenburg: 500 Leute sind in der Kirche, davon mindestens 300 nicht kirchlich. Sie sitzen da und hören sich alles an. Es gehört für sie dazu, dass sie an Weihnachten in die Kirche gehen. Am Ende fordere ich sie auf, sich alle hinzustellen und sage: „Jetzt stehen Sie hier so dicht nebeneinander. Halten Sie mal Ihrem Nachbarn rechts mit der rechten Hand den Rü­cken. Die andere Hand strecken Sie aus und empfangen etwas. Wir empfangen nämlich etwas, damit wir es für uns haben, aber auch weitergeben. Dann spreche ich Ihnen den Segen zu.“ Sie werden es nicht glauben, wie viele Menschen in dem Moment mit Tränen in den Augen dastehen, weil sie zum ersten Mal körperlich fühlen, dass Gott es gut mit ihnen meint. Es ist ein Stück des Glaubens, der ihnen da zugesprochen worden ist, das hilf ihnen und vielleicht auch der Stadt. Wer reichen Segen sät, wird reichen Segen ernten. In Blankenburg sind wir einfach diejenigen, die dazu da sind, diese Stadt zu segnen

In welchem Verhältnis stehen Mission und Segen Ihrer Meinung nach zueinander?
Ich glaube, dass wir heute schon viel offener über Mission reden. Wir bieten den Menschen das Evangelium an. Ob sie es annehmen oder nicht, das können wir nur von Gott erbitten, aber wir werden niemanden zwingen. Es geht darum, dass wir von unserem Glauben sprechen, und zwar offen. Missionarisch zu sein, heißt dann, dass ich das Evangelium in Wort und Tat verkündige. Ich glaube, dass unsere Partnerkirchen weltweit, die den Segen stärker betonen, uns da etwas zu sagen haben. Sie wagen es nämlich, Menschen den Segen zuzusprechen. Und sie vertrauen darauf, dass Gott etwas bewirkt und sein Wort nicht leer zurückkommt. Das hat etwas mit dem Vertrauen in die Kraft Gottes zu tun. Vielleicht haben wir hier in unseren Kirchen, in denen wir den Menschen mit der Rechtfertigungslehre begegnen, etwas kurz gegriffen. Es könnte doch sein, dass die Menschen als Gesegnete Gottes die Dankbarkeit des Glaubens entdecken und über diesen Weg zum Glauben kommen. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht wenige Menschen gibt, die über den Segen den Glauben finden und dann im Rahmen ihres christlichen Lebens merken: Hier muss sich etwas ändern. Sie sagen: „Der Segen ist die schönste Sache, die uns gegeben ist.“

Wie kann der Segen wieder mehr Aufgabe und Thema der Kirchen und Gemeinden werden?
Wir brauchen wieder mehr Vertrauen in Gott, Kreativität und Mut. Es gilt, mutig neue Ideen und Formate auszuprobieren. Im Januar haben wir das Kalenderjahr mit einer Andacht begonnen. Darin laden wir die Menschen zu einem persönlichen Segen ein. Da stehen sie dann mit ihren unterschiedlichen Biografen vor uns. Sie sind ofmals berührt, wenn wir ihnen zusprechen: „Gott ist mit dir, egal wie dein Weg in diesem Jahr sein wird.“ Das ist einfach eine supertolle Möglichkeit, den Menschen die Nähe Gottes zuzusprechen. Wir sollten viel mehr Fantasie haben! Mit dem Segen haben wir wirklich ein Thema, das es noch mehr zu entdecken gilt.

Warum tun wir uns mit dem Segnen so schwer?
Manchmal haben unsere Pfarrer noch ein bisschen Angst, weil sie denken: „Das geht jetzt irgendwie nicht!“ oder „Das ist peinlich!“. Wir haben of Angst, peinlich zu sein. Deswegen trauen wir uns manches nicht zu. (lacht)

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Also mehr Mut zur Peinlichkeit? (lacht)
Ja, durchaus! Und auch zu der Unsicherheit, dass ich jetzt nicht weiß, was kommt. Da fürchten sich manche. Das sollten sie aber nicht. Der Geist Gottes weht so intensiv beim Segnen, wie selten oder eigentlich gar nicht an anderen Stellen. Wissen Sie, ich bin als Pfarrer oder Segnender – das ist außerdem nicht nur bei Pfarrern so – nur der, durch den etwas hindurchgeht. Ein „Segens-­Durchlauferhitzer“ oder so. (lacht) Ich habe als selbst Gesegneter die Aufgabe, den Segen einfach nur weiterzugeben. Das ist doch eine großartige Sache, hat aber merkwürdigerweise auch etwas Anstrengendes. Gebet und Segen sind intensive Dinge, die wir körperlich spüren können. Der Segen ist ein Pfund, das wir nutzen sollten und mehr in die Gemeinden hineintragen dürfen.

Gibt es für Sie auch ein Missverstehen des Segens?
Ja! Der Segen bei der Taufe wird of missverständlich, als so eine Art „Schutzritus“ dargestellt. Jedes zweite Kind hat den Taufspruch: „Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten.“ (Psalm 91,11, Anm. d. Red.) Nach dem Motto: Darum geht es! Mein Vater erzählte mal die schöne Geschichte, dass er ein Kind getauf hatte und drei Wochen später die Mutter auf der Straße traf. Und sie rief ihm von Ferne schon zu: „Es hat geholfen, er schläf durch!“ (beide lachen) Als wäre das die Aufgabe der Taufe! Es ist nicht so, dass das getaufe Kind fröhlicher, glücklicher oder behüteter ist als andere Kinder. Es wäre einfach falsch, dies zu behaupten. Es ist durchaus aber so, dass Gott bei gesegneten Menschen ist, wenn er verspricht: „Ich bin bei euch alle Tage.“

Welchen Segen haben Sie für unsere Lesenden?
Das ist ein Segen, den sich die Lesenden auch selbst zusprechen können:

Wir bitten Gott um seinen Segen.
(nach oben schauen und beide Hände nach oben strecken)
Gott nehme uns die Last von der Schulter.
(Hände auf den Schultern)
Gott erfülle unser Herz.
(Hände auf die Brust legen)
Er komme zu jedem von uns.
(den Nachbarn die Hände geben)
Gott segne und behüte dich, er lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Gott erhebe sein Angesicht über dich und schenke dir Frieden.
Amen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!


Dieser Artikel ist zuerst im Kirchenmagazin 3E erschienen, das wie jesus.de zum SCM Bundes-Verlag gehört.

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