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Bischof Bätzing wünscht sich jeden Tag eine Begegnung mit Gott

Bischof Georg Bätzing ist seit März der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. Sven Lilienströhm, Gründer der Initiative „Gesichter der Demokratie“, führt mit ihm in einem Gastbeitrag ein Interview über Demokratie, das Coronavirus und die Rolle der Kirche.

Die Fragen stellte Sven Lilienström

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Herr Bischof, als neuen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz möchten wir Sie zuallererst fragen: Welchen Stellenwert haben Demokratie und demokratische Werte für Sie ganz persönlich?
Bätzing: Für mich bedeutet Demokratie, dass jeder Einzelne über grundlegende Freiheiten und Rechte verfügt und seinen Teil zu einem gelungenen Zusammenleben im Staat beitragen kann. Es geht um die Idee von Gleichheit und Gerechtigkeit. Dass wir in einer Demokratie leben können, ist für mich eine große Errungenschaft, für die unsere Vorfahren hart kämpfen mussten, übrigens teils in konkreter Auseinandersetzung mit dem Christentum. Die Kirche hat sich aber weiterentwickelt und wir sind heute der festen Überzeugung, dass wir unbedingt das Vertrauen in die Demokratie stärken und sie mit Leben füllen müssen. Ich selber arbeite als Bürger, aber auch als Bischof der katholischen Kirche, daran mit.

Die katholische Kirche selbst ist keine Demokratie; Entscheidungen treffen die Bischöfe. Dennoch haben die Kirchen großes Interesse daran, dass die Demokratie als Regierungsform funktioniert. Warum?
Auch die katholische Kirche kennt in vielen Bereichen demokratische Strukturen. Als politische Ordnung garantiert die Demokratie – in Verbindung mit Rechtsstaatlichkeit – die Beteiligung aller Bürger an den politischen Entscheidungen. Somit ist die Demokratie diejenige Regierungsform, die mit dem christlichen Menschenbild am besten vereinbar ist, wonach der Mensch Abbild Gottes ist und als Person die Möglichkeit haben soll, ein Leben in Freiheit und Verantwortung zu führen.

„Die zeitweisen Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten aus gesundheitlichen Gründen waren […] angemessen und richtig.“

Corona und Demokratie: Wie erleben Sie die Reaktionen der Menschen auf die – obgleich temporären – Einschränkungen ihrer Grund- und Freiheitsrechte? Gefährdet das Virus unsere liberale Demokratie?
Die zeitweisen Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten aus gesundheitlichen Gründen waren, soweit ich das beurteilen kann, dringend erforderlich und insofern angemessen und richtig. Darin kann ich keine Gefahr für unsere Demokratie erkennen. Gleichzeitig gehört es zu den Grundlagen von Demokratie, dass alle Menschen am Wohlstand teilhaben und die Möglichkeit haben, gut zu leben, am besten von ihrer eigener Hände Arbeit. Wo diese Grundvoraussetzungen nun in der Wirtschaftskrise bedroht sind, könnte das Virus unsere liberale Demokratie im Letzten schon gefährden. Es muss uns also gelingen, als Gesellschaft zusammenzuhalten und auch in der Krise die Teilhabe aller sicherzustellen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Corona-Krise als „die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg“. Wie kann die Kirche bei der Bewältigung der Krise und deren sozialen Folgen helfen?
In der Krise sind viele Menschen mit existentiellen Fragen wie Einsamkeit und Angst, Trauer und Leid konfrontiert. Bei diesen spirituellen Grundfragen unseres Daseins ist die Kirche mit ihrer frohen Botschaft und den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Beratung und Seelsorge natürlich den Menschen nahe. Aber wir helfen auch auf ganz handfeste Art und Weise. Mit unserem caritativen Engagement stehen wir besonders den Menschen in Not bei, etwa den Obdachlosen, den Kranken, Menschen mit Behinderungen oder den Armen. Und nicht zuletzt erheben wir auch in dieser Krisenzeit immer wieder die Stimme, wenn wir grundlegende christliche Werte wie Solidarität und Nächstenliebe, oder eben die Demokratie, gefährdet sehen.

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Mitunter durch die Corona-Krise bedingt, ist der Reformdialog – der „Synodale Weg“ – ins Stocken geraten. Wie sieht der Fahrplan unter Ihrer Leitung aus? Welche Veränderungen braucht die katholische Kirche?
Wir sind dankbar für das vielfältige Engagement in unseren Gemeinden, Verbänden, auf der diözesanen und bundesweiten Ebene – gerade jetzt in Corona-Zeiten. Als Ortskirche in Deutschland haben wir vor einem Jahr den Synodalen Weg beschlossen, zu dem wir aufgebrochen sind – Bischöfe, Priester und Laien. Wir wollen fragen und suchen, was Gott uns in dieser Zeit zu sagen hat, wie wir unsere Kirche menschennah und lebensdienlich gestalten. Viele Themen drängen, auch in anderen Ländern. Die zweite Synodalversammlung kann – wegen Corona – jetzt erst im Februar 2021 stattfinden. Aber auf fünf Regionalkonferenzen – „Fünf Orte – ein Weg“ – werden wir uns des Weges vergewissern.

„Mit den Gläubigen will ich fragen und versuchen Antworten zu geben, was Gott heute von uns will.“

Erst kürzlich haben deutsche Bischöfe eine Mitschuld am Zweiten Weltkrieg eingeräumt – gleichwohl gebe es eine „Bekenntnislücke“. Warum tut sich die Kirche bei der Aufarbeitung dieses Kapitels so schwer?
Das Wort „Bekenntnislücke“ habe ich im Zusammenhang mit der Diskussion über die Haltung der damaligen Bischöfe zum Zweiten Weltkrieg verwendet. Ich hoffe, dass es bezüglich dieser historischen Phase nunmehr keine Erkenntnis- oder Bekenntnislücken mehr gibt – obwohl die Forschung weitergeht und die historische Reflexion ein unabschließbarer Prozess ist. Natürlich fällt es den heutigen Bischöfen nicht leicht, sich kritisch zum Verhalten der Vorgänger zu äußern. Diese mussten unter extrem schwierigen Bedingungen ihren Weg finden. Besserwisserei im Abstand von Jahrzehnten wäre für uns Heutige da sicher keine angemessene Haltung. Aber eine ehrliche, abwägende und auch kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist uns um der Zukunft willen abverlangt. Genau darum bemühen wir uns.

Herr Bischof, unsere letzte Frage ist immer eine persönliche: Was haben Sie sich für die sechsjährige Amtszeit als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz vorgenommen – beruflich und privat?
Ich möchte zuhören und Brücken bauen – in der Bischofskonferenz, aber auch von der Bischofskonferenz in die Bistümer hinein, hin zu den Menschen. Mit den Gläubigen will ich fragen und versuchen Antworten zu geben, was Gott heute von uns will. Das ist in einer säkularisierten Umwelt, in der die Kirche in Frage gestellt wird, nicht einfach. Aber ich lasse mich nicht entmutigen. Und privat – wünsche ich mir so viel Zeit, dass ich Gott jeden Tag neu begegne und davon anderen erzählen kann.

Vielen Dank für das Interview, Herr Bischof!

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