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Gottesdienst eines schweigsamen Baumeisters

Unweit von Madrid baut der 91-jährige Don Justo seit mehr als 50 Jahren an einer Kirche – aus Dank für eine überstandene Tuberkulosekrankheit. Die Ziegel sind Ausschussware, für die Säulengänge hat er alte Lkw-Reifen verbaut.

Von Hans-Günter Kellner (epd)

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Justo Gallego Martínez wedelt energisch mit dem Zeigefinger von links nach rechts. „Nein, nein, nein, ich spreche nicht“, soll die Geste bedeuten. Er zeigt auf eines von mehreren Schildern, auf denen darum gebeten wird, ihn nicht anzusprechen und auch nicht zu fotografieren. Mit müden Beinen in viel zu weiten Hosen schlurft der spindeldürre 91-Jährige aus seiner Kammer ins große Schiff seiner Kathedrale.

Nein, Don Justo, wie ihn im spanischen Mejorada del Campo jeder nennt, will keine Interviews geben. Er will arbeiten. Seit 56 Jahren baut er in der Kleinstadt unweit von Madrid an einer Kirche – aus Dankbarkeit gegenüber Gott. Zuvor hatte er eine Tuberkuloseerkrankung überstanden. Das Trappistenkloster, in dem er neun Jahre lang als Novize gelebt hatte, hatte ihn 1961 aus Angst vor Ansteckung hinausgeworfen.

Eigentlich hat Don Justo den Bau der „Lieben Frau auf dem Pfeiler“ gewidmet, eine der Schutzheiligen Spaniens, deren Bildnis in Saragossa in der Basílica del Pilar zu sehen ist. Doch noch ist die Kirche weder geweiht noch fertig. Noch parken Helfer ihre Autos im Kirchenschiff, ragen Stahlträger aus den Türmen heraus – als Vorboten dafür, dass es noch höher hinauf gehen soll. Aber das Skelett für die riesige zentrale Kuppel ist bereits fertig. Sie ist eines der wenigen Elemente des Baus, an dem Fachkräfte gearbeitet haben. Sonst übernimmt Don Justo die Arbeiten selbst.

Lkw-Reifen für den Säulengang

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Wer sich dem 55 Meter langen, 25 Meter breiten und bislang 35 Meter hohen Bauwerk aus der Ferne nähert, muss unweigerlich an die – ebenfalls unvollendete – Sagrada Familia in Barcelona denken. Wie ihr Baumeister Antoni Gaudí (1852-1926) scheint auch Don Justo das Runde dem Eckigen vorzuziehen. Selbst die Stufen, die von der Straße steil zu einem der Eingänge emporführen, sind abgerundet, auf Pfeilern und Stufen liegen blaue und weiße Kugeln aus Beton.

Allerdings war Antoni Gaudí tatsächlich Architekt, Don Justo ist Autodidakt. Viele Ziegelsteine hat er aufrecht verarbeitet statt flach, so zeigen die Löcher in den Steinen der Kirchenmauern nach außen. Die Steine sind eigentlich Ausschuss, die die Fabrik dem Baumeister umsonst überlassen hat.

Überall verwendet Don Justo Schrott und Abfall. Zur Verschalung der Säulen hat er Fässer und Eimer für Farben und chemische Produkte verwendet, die Säulengänge wurden rund geschwungen dank alter Lkw-Reifen. Das Hinterrad eines Fahrrads dient als Flaschenzug, um die Baumaterialien in die Höhe zu transportieren.

Die spanische Fachzeitschrift „Kunst und Stadt“ erklärt Don Justo fasziniert zum Meister des Recyclings, der sich während eines halben Jahrhunderts jede Technik selbst beigebracht hat. Er sei ein echter Künstler. So wundert es nicht, dass die Kathedrale Don Justos sogar im Museum of Modern Art in New York schon mit einer Fotoausstellung gewürdigt wurde.

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Wer soll das alles bezahlen? 

Während der Bau spanische und internationale Besucher fasziniert, bereitet er den Behörden Kopfzerbrechen. Es gibt keine Baupläne, keine statischen Berechnungen. Don Justo baut eigentlich illegal auf einem Grundstück der Familie. Und auch im zuständigen katholischen Bistum von Alcalá de Henares können sie sich nicht so richtig freuen. Die Kirche soll das Bauwerk erben, hat Don Justo verfügt. Doch das Bistum hat kaum Geld für die bestehenden Kirchen. Die Diözese habe bereits eine Kathedrale und keinen Platz für zwei, formulierte es ein Sprecher des Bistums einmal schroff.

Zu alledem schweigt Don Justo. Ständig kämen Journalisten, er könne nicht dauernd Interviews geben, sagt er, seine Stimme versage schon. Ausnahmen macht er trotzdem und erzählt von hohen Geldbeträgen, die ihm internationale Fernsehanstalten für Interviews gezahlt hätten.

Die Höhe des Preises für ein Interview müsse man mit Ángel regeln, sagt er dem Journalisten. Ángel ist sein einziger ständiger Mitarbeiter. Die Medien verdienten mit ihren Geschichten über Don Justo doch auch Geld. „Warum sollte er für Interviews dann keines verlangen?“, fragt Ángel. Baumaterial als Spende würde auch akzeptiert. Denn natürlich will Don Justo nichts verdienen, das Geld ist für die Kathedrale.

Die wahren Schätze des Lebens

Der Baumeister sitzt inzwischen auf einer Sitzreihe alter Kinosessel und liest. Es ist ein altes katholisches Messbuch. „Da lies laut!“, sagt er. Der Text handelt von Gottesfurcht und vom Wunsch nach Intelligenz und Weisheit, gegen die alles Gold der Welt nichts als Sand sei. Sein glückliches Lächeln offenbart eine kaum noch vorhandene Zahnreihe.

Er wolle kein Geld anhäufen, denn er sei bereits reich an Freude und Erfüllung durch die Güte Gottes. Das hätten die in Madrid nicht verstanden, sagt der alte dünne Mann dann doch noch und schimpft über die immer geringere Achtung vor Gott, die Säkularisierung, die Familien, die keine Kinder mehr haben wollten und die vielen Protestanten in Deutschland. So, und jetzt müsse er aber wirklich an die Arbeit, sagt er und richtet sich auf.

Quelleepd

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