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Kurzzeit-Seelsorge: „Hier erfahre ich Gottes Segen sehr konkret“

Ulla Herwig ist in der Notfallseelsorge im Main-Taunus-Kreis aktiv, Harald Henkel in der Telefonseelsorge Marburg. Beide betreuen ehrenamtlich Menschen, die in Not geraten sind oder von sich aus Hilfe suchen. Mit Christsein heute-Redakteur Artur Wiebe sprachen sie über ihre Motivation und die Chancen der Kurzzeit-Seelsorge.

Christsein heute: Ulla Herwig und Harald Henkel, ihr seid beide in kurzen Begegnungen Seelsorger. Wie lange macht ihr die Seelsorgearbeit schon? Was hat euch dazu motiviert?

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Ulla Herwig (UH): Als meine Kinder erwachsen wurden, habe ich nach einer Aufgabe gesucht, die ich auch bei eingeschränkter Gesundheit ausüben kann und die mich ausfüllt. Seit sechs Jahren bin ich nun schon bei der Notfallseelsorge (NFS) im Main-Taunus-Kreis dabei.

Harald Henkel (HH): Ich bin seit gut fünf Jahren in der TelefonSeelsorge (TS) Marburg engagiert. Ich habe lange überlegt, welchen Themen ich nach meiner aktiven beruflichen Zeit Aufmerksamkeit schenken möchte. Neben meinem Beruf bin ich für lange Wegstrecken meines Lebens gemeindlich engagiert gewesen. Dabei ging es oft um die Frage, wie wir Menschen erreichen, wie wir mit Fremden in Kontakt kommen. Die TS vermittelt für mich genau das. Das Telefon klingelt und ein Mensch mit seinen Themen und Fragen „steht“ vor mir, ich komme in Kontakt mit ihm.

Wie sieht ein typischer Einsatz bei euch aus? Wie werdet ihr alarmiert?

UH: Die Alarmierung in der NFS erfolgt über die Feuerwehr-Leitstelle der 112. Meistens werden wir von Notarzt oder Polizei angefordert, z. B. bei erfolgloser Reanimation, Suizid, schwerem Unfall oder dem Überbringen einer Todesnachricht.

HH: Die TS in Deutschland bekommt von der Deutschen Telekom kostenfrei eine 0800 Rufnummer zur Verfügung gestellt. Das über diese Rufnummer aufkommende Anrufvolumen wird nach bestimmten Regeln auf die einzelnen TS-Stellen in Deutschland verteilt. Damit wird sichergestellt, dass der Ratsuchende dann auf einen Seelsorger am Telefon trifft.

Mit welchen Seelsorge-Fällen habt ihr hauptsächlich zu tun? Wie bereitet Ihr euch auf euren Einsatz vor?

UH: Meistens geht es in der NFS um die Betreuung von Angehörigen nach einem plötzlichen Todesfall. Mit der Bitte an Gott bereite ich mich vor, dass er mich begleitet und diesen Einsatz leitet. Denn auch wenn bei der Alarmierung schon grob gesagt wird, worum es geht, ist es immer wieder überraschend, mit was man vor Ort konfrontiert wird.

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HH: Häufig sind es in der TS Beziehungsfragen, die mich erreichen, aber auch Fragen zu akuten Lebensbrüchen, beruflicher, gesundheitlicher, seelischer Natur.

Wie findet ihr den Abschluss in der Kurzbegleitung des Hilfesuchenden?

HH: Der Abschluss eines Gesprächs am Telefon ergibt sich aus dessen Verlauf. Gespräche enden bei mir in der Regel, wenn das besprochene Thema gehört wurde und sich dazu eine neue Perspektive, eine Erleichterung oder eine konkrete Handlungsabsicht des Ratsuchenden ergibt. Es gibt auch das Phänomen des Auflegers, dem Ratsuchenden, der das Gespräch abrupt durch Auflegen beendet.

UH: Mir ist wichtig in der NFS, den Menschen nicht unversorgt zurückzulassen. Wenn aber Familie oder Freunde inzwischen da sind, alle Dinge besprochen sind und der Betroffene ruhiger geworden ist, ist es Zeit zu gehen. Hier ist Empathie gefragt. Manche nutzen die Möglichkeit des Gespräches gerne, andere machen Dinge lieber mit sich selbst oder im vertrauten Umfeld aus.

„Gott hat mich mit viel Empathie und einem kühlen Kopf begabt, beides kann ich hier einsetzen“

Warum habt ihr diese Form der kurzen Begleitung von Menschen gewählt? Habt ihr für euren ehrenamtlichen Einsatz eine Ausbildung absolviert?

UH: Ich habe eine Aufgabe gesucht, die mit Menschen in Not zu tun hat und für die ich nicht zu introvertiert bin. Gott hat mich mit viel Empathie und einem kühlen Kopf begabt, beides kann ich hier einsetzen. Und es wurde eine Ausbildungsmöglichkeit in unmittelbarer Nähe angeboten.

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HH: Dem Einsatz am Telefon geht eine einjährige Ausbildung voraus, die gemeinsam in einer Gruppe von Lernenden, mit einem Psychologen und einem Theologen inhaltlich bestimmt und durchgeführt wird. Daneben gibt es regelmäßig Supervisionstermine und sehr gute passende Fortbildungen.

Welches Erlebnis im Rahmen der Notfall- oder Telefonseelsorge hat euch

besonders beeindruckt?

UH: Da gibt es nicht nur ein Erlebnis in der NFS: Einmal standen Notarzt und Polizei auf der Straße. Sie waren unerwünscht und ich durfte ins Haus. Oder das Überbringen einer Todesnachricht an einen sehr gläubigen Mann, den viele für einen Spinner hielten. Oder die Eskalation zwischen Polizei und Hinterbliebenem, die sich durch meinen Einsatz etwas entspannte.

HH: Was mich an der Arbeit der TS fasziniert ist, wie es gelingen kann, dass Menschen trotz zum Teil beachtlicher Herausforderungen und Konflikte, während eines Gespräches Hoffnung, Mut oder Zuversicht schöpfen. Etwas, bei dem ich Gottes Segen sehr konkret erfahre.

Welche Chancen und Grenzen seht ihr in der kurzen Begleitung von Menschen?

HH: Das seelsorgerliche Gespräch am Telefon ist für viele Ratsuchende eine Möglichkeit der Entlastung, der neuen Orientierung. Es ist unglaublich berührend und kostbar, wenn es gelingt, neben der Erörterung des Problems, auch die Ressourcen und Talente des Ratsuchenden zu entdecken. Nicht jedes Gespräch gelingt. Nicht jeder Ratsuchende „passt“ zu jedem Seelsorger. Manche Themen gehören in ärztliche, professionelle Hände und sind durch TS nicht „einfach“ lösbar.

UH: Es tut einfach unendlich gut, seinen Gefühlen Luft zu machen und auszusprechen, was einen beschwert. Dieses bei einer fremden Person zu tun, belastet keine Beziehung und ist ohne Folgen. Bei zusätzlichen Problemen wie z. B. Ängsten, zerrütteten Beziehungen, Abhängigkeiten, unverarbeiteten Schicksalsschläge oder Einsamkeit und materieller Not können wir allerdings nur kleine Impulse setzen oder weitervermitteln. Aber beten kann ich noch für die Men-schen auch nach den Einsätzen.

Vielen Dank euch für das Gespräch.


Dieses Interview ist zuerst in der Christsein heute erschienen, dem Magazin des Bundes der Freien evangelischen Gemeinden in Deutschland (FeG).

Ulla Herwig ist Teil der FeG Oberursel und in der Notfallseelsorge aktiv nfs-mtk.de.

Harald Henkel ist in der Gemeindeleitung der FeG Frankenberg und macht mit bei der TelefonSeelsorge Marburg telefonseelsorge-marburg.de.


Falls ihr selbst in einer verzweifelten Situation seid, sprecht mit Freunden und Familie darüber. Hilfe bietet auch die Telefonseelsorge.Sie ist rund um die Uhr anonym und kostenlos erreichbar: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222. Auch die Beratung über E-Mail ist möglich. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.

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