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Markenprofi: Katholische Kirche muss sich neu erfinden

Wie verändert der aktuelle Missbrauchsskandal das Image der katholischen Kirche? Ist das noch zu retten? Wie muss die Kirche in Zukunft auftreten? Bastian Kästner leitet als Christ das Marketingunternehmen „Markenwert“. Im Januar bringt er sein Buch „Abenteuer Macher“ (SCM) heraus. Mit uns warf er einen Blick von Marketing-Seite auf die aktuelle Debatte. 

Jesus.de: Wie wird die Missbrauchsstudie die Wahrnehmung der Kirche verändern?

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Bastian Kästner: Eine solche Studie umzusetzen und sich öffentlich dem erschütternden Ergebnis zu stellen, ist für sich gesehen positiv. Allerdings halte ich diesen Schritt für selbstverständlich. Schließlich sprechen wir nicht über eine Rückrufaktion eines PKW-Modells, weil der Kofferraum klemmen könnte. Wir sprechen über Missbrauch, der das Leben vieler noch sehr junger Menschen zerbrochen hat. Da ist das Image ganz klar zweitranging, aber letzten Endes auch nicht egal. Das Schlimme ist ja, dass man als Nachrichtenleser bei solchen Headlines im ersten Moment zwar betroffen ist, aber nicht unbedingt aus allen Wolken fällt. Die Wahrnehmung der katholischen Kirche hat sich also schon viel früher verändert.
Möchte man durch die Markenbrille auf dieses Thema schauen, stellt man fest, dass Wahrnehmung subjektiv ist. Deshalb sind mehrere Facetten entscheidend. Also nicht nur das „Wie erleben andere unser Angebot?“, sondern auch „Wie erleben wir es?“ bis hin zu „Welchen Anspruch erhebt die Marke an sich selbst?“.
Besonders die letzte Frage ist hier entscheidend: Wenn die katholische Kirche zum Beispiel in sich selbst die Vertretung Gottes auf Erden sieht, dann wird sie ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht. In dieser Konsequenz verändert sich nicht nur die Wahrnehmung der Kirche zum Schlechten, sondern auch das Gottesbild. Welcher Gott wählt eine Vertretung, die so handelt?

Lässt sich der Imageverlust beziffern?

Vielleicht sind Kirchenbeitritte rückläufig und Kirchenaustritte steigend. Vielleicht zeichnet sich auch ein Rückgang von finanziellen oder ehrenamtlichen Zuwendungen ab. Was ich wesentlich signifikanter finde, ist jedoch der Image- oder Vertrauensverlust, der sich eben nicht beziffern lässt. Letztlich verkauft die katholische Kirche keine Sportschuhe, die ich nun durch andere ersetze, mich umgewöhne und zufrieden bin. Der Schaden betrifft kein Produkt, das nun im Regal verstaubt. Der Schaden betrifft mich als Mensch ganz persönlich, wenn mein Vertrauen in die katholische Kirche bislang für mich existenziell war, abgesehen natürlich von den direkt Betroffenen an sich. Auch für Menschen, die nur wenige Berührungspunkte mit der katholischen Kirche haben, wird der Vertrauensverlust nachhaltig sein. Wer die Schublade „Kirche“ nicht häufig öffnet, wird das aufgeklebte Label erst nach langer Zeit wieder hinterfragen. Und diese Schublade hat im Alltag Gewicht.

Ich habe medial nicht wahrgenommen, dass Täter im angemessenen Maße entlassen, verurteilt und inhaftiert wurden. Bestürzung als Konsequenz reicht nicht aus.

Wie hast du die Kommunikationsstrategie der letzten Jahre empfunden?

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Die medialen Ereignisse habe ich seitens der Kirche als eine Aneinanderreihung von Statements der Bestürzung wahrgenommen. Das ist wichtig, aber auch das absolute Minimum, das sich eine Organisation abringen lassen muss. Denn gar nicht zu kommunizieren, ist in der Regel die schlechteste Alternative. Die Kirche mag sich aufgrund ihrer institutionellen und juristischen Besonderheiten schwerer in diesem Fahrwasser bewegen als andere Organisationen, doch letztlich darf hier nicht mit zweierlei Maß gemessen werden, denn Wort und Tat gehören zusammen. Jede andere Organisation würde sehr schnell Konsequenzen folgen lassen, um das verlorene Vertrauen wiederherzustellen. Nach dem Motto: „Der besagte Vorstand wurde entlassen, weil er die Ausbeutung von Entwicklungsländern begünstigte. Ab jetzt ist unser Produkt wieder sozial nachhaltig.“
Konsequenzen sind der erste Schritt eines langen Weges, um Vertrauen zurückzugewinnen. Die Aufgabe von Kommunikation ist es, diesen Weg zu begleiten und zu lenken. Ich habe medial nicht wahrgenommen, dass Täter im angemessenen Maße entlassen, verurteilt und inhaftiert wurden. Bestürzung als Konsequenz reicht nicht aus.

Kann Kirche jetzt noch glaubwürdig als moralische Autorität auftreten?

Ich persönlich glaube nicht, dass die Kirche als Institution theologische Autorität hat. Vielmehr hat sie einen Auftrag: Den Auftrag der Liebe Gottes in ihrer Selbstlosigkeit und Größe Raum zu geben und sie Gestalt annehmen zu lassen. Das ist für uns fehlerbehaftete Menschen schon Aufgabe genug. Ich glaube auch, dass die katholische Kirche vieles gut macht. Wer in solch einer Situation aber an dem Selbstverständnis der moralischen Autorität festhält, ist bereits gescheitert.
Glaubwürdig zu sein bedeutet, solche Ansprüche zu überdenken. Dazu zähle ich aber auch Strukturen. Die Studie betont, dass die Strukturen der Kirche Missbrauch leicht begünstigen und auch verdunkeln. Die Kirche ist sicherlich gut beraten, sich zunächst einmal nur auf das glaubwürdige Auftreten zu konzentrieren.

Ist die Situation am Ende auch eine Chance, dass sich Kirche neu zu bestimmten Werten bekennt und diese an eine breite Öffentlichkeit kommunizieren kann?

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Sich nun öffentlich dazu zu bekennen, Missbrauch streng zu verurteilen und jetzt erst recht für das Wohl der Menschen einzutreten würde über 2000 Jahre Kirchengeschichte in Frage stellen und viele Menschen vor den Kopf stoßen. In dieser Situation kann sich die katholische Kirche gar nicht zu Werten bekennen, sondern zunächst nur zu ihrem Versagen und der Frage, wie es weiter geht.
An dieser Stelle darf man nicht vergessen, dass diese Situation aufgrund ihrer heutigen Transparenz und Öffentlichkeit sicherlich ein Novum ist, eine Herausforderung, zu der es in dieser Form wenig Erfahrung gibt. In wenigen Fällen ist es wirtschaftlicher, eine Marke in einer eigenen Schublade verschwinden zu lassen und unter neuem Namen mit zeitlichem Abstand erneut zu starten, als alles aufzuarbeiten. Diesen Luxus hat die katholische Kirche nicht. Vor dieser Aufgabe muss man erst einmal Respekt haben, um sie adäquat auszufüllen. Das muss man auch den Menschen zugute halten, die genauso betroffen nach Lösungen suchen und von nun an auch persönlich zu Unrecht die Last des schlechten Images schultern müssen. Ich denke, die katholische Kirche muss sich ein Stück weit neu erfinden und sich selbst überraschen. Ich glaube, dass jede Organisation dazu im Stande ist.

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