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„Wir hatten im Iran viel Gutes über die Christen gehört“

Nicht wenige Flüchtlinge und Migranten sind Christen, manche werden es am neuen Ort. Wie können sie in unseren Gemeinden ein Gefühl der Zugehörigkeit gewinnen? Dr. Alexandra Dierks stellt im „Magazin für Psychotherapie und Seelsorge: P&S“ ein Beispiel aus Hannover vor.

Die Gartenkirchengemeinde in Hannover ist eine etwas ungewöhnliche Kirchengemeinde. Wer am Sonntag in den – gut besuchten – Gottesdienst kommt, erlebt lutherische Liturgie und die evangelische Messe in besonders feierlicher Gestalt: Einzug mit Kerzen und Vortragekreuz, Messdiener und Messdienerinnen in entsprechender Kleidung, dazu eine Schola (Chor); Pfarrer oder Pfarrerin nicht im schwarzen Talar, sondern in farbigen liturgischen Gewändern; gregorianischer Gesang, Evangelienprozession, reiche, gesungene Abendmahlsliturgie; an hohen Feiertagen sogar Weihrauch. Selbst in der durchaus profiliert lutherischen hannoverschen Landeskirche bildet eine solche Gemeinde eine Ausnahme. Manche Besucher glauben zunächst, sie seien in einer katholischen Kirche gelandet; bald merken aber auch Außenstehende, dass es sich um eine evangelische Kirche handelt.

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Die Gartenkirche ist das, was Kirchensoziologen eine Profilgemeinde nennen. Um diesen Gottesdienst mitzufeiern, kommen Menschen von weither. Wer sich unter den Gottesdienstteilnehmern umschaut, sieht unter ihnen aber auch zahlreiche Menschen, die ganz offensichtlich von sehr weither kommen: junge Frauen und Männer aus dem Iran, dem Irak, Syrien, Afghanistan; vereinzelt sind auch Ältere und einige Paare darunter. Es sind Menschen, die als Flüchtlinge, als Asylbewerber nach Deutschland gekommen sind. Manche kamen, weil sie als Christen in ihrer Heimat diskriminiert oder verfolgt wurden. Manche sind vor Krieg und Gewalt geflohen. Manche haben in Deutschland zum christlichen Glauben gefunden und sich in der Gartenkirche taufen lassen. Und manche von ihnen tragen am Sonntag die liturgischen Gewänder der Messdiener.

Symbolbild Messdiener (Bild: epd-Bild / Thomas Lohnes)

In jedem Gottesdienst wirken meist vier oder fünf Ministrantinnen und Ministranten mit, und immer sind Christinnen oder Christen aus dem Iran dabei. „Teilst du heute mit aus?“, kann jede und jeder von ihnen gefragt werden. Das ist ein starkes Signal: Die neuen Gemeindeglieder dienen am Altar gemeinsam mit denen, die schon lange dabei sind; Männer und Frauen feiern gleichberechtigt und gemeinsam die Liturgie; die einheimische ältere Dame lässt sich beim Abendmahl den Kelch vom jungen Mann aus dem Iran reichen.

Die Gemeinde hat sich dem Zustrom der Flüchtlinge bewusst geöffnet. Zunächst stellte sie die Kirche für die Taufkurse und Taufgottesdienste der landeskirchlich zentral organisierten, offiziell beauftragten „Iranerseelsorge“ zur Verfügung. Seit 2014 ist aus dem Nebeneinander ein Miteinander geworden. Die Christen aus dem Iran und anderen Ländern werden aktiv willkommen geheißen und als Gemeindeglieder integriert. Einheimische Gemeindeglieder geben Deutschunterricht, helfen bei Behördengängen und Wohnungssuche, begleiten die Asylsuchenden zu ihren Anhörungen. Die Diakonin der Gemeinde, Sabine Clausmeyer, wurde vom Kirchenkreis in besonderer Weise mit der Flüchtlingsarbeit beauftragt. Pastor Dietmar Dohrmann trifft sich regelmäßig mit Taufkandidaten und Neugetauften zum Bibelgespräch. Beim Kirchencafé und bei Gemeindefesten bringen sich die neuen Gemeindeglieder gern ein.

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„Die Taufe war der Anfang von etwas sehr Schönem“

Symbolbild Taufe (Bild: epd-Bild / Andrea Enderlein)

Natürlich ist nicht alles leicht. Manchmal gibt es kulturell bedingte Missverständnisse; manche Anhörung verläuft schmerzlich; manche Flüchtlinge scheitern aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse an Aufnahme- oder Abschlussprüfungen. Aber es überwiegt das Gefühl, ein neues Zuhause gefunden zu haben und dazuzugehören. So geht es auch Babak und Saiid, zwei Männern aus dem Iran. Ihre Flucht dauerte Monate. Nach vielen Umwegen kamen sie in Hannover an, fanden Kontakt zur Gartenkirche und ließen sich taufen. Sie äußern sich dazu in einer Dokumentation für die Gemeinde.

„Jeder Mensch braucht etwas, woran er glauben kann“, versucht Babak dies zu erklären und findet dafür einen sehr poetischen Vergleich: „Man braucht eine Art Karte oder einen Atlas, um sich mit der göttlichen Energie verbinden zu können. Im Islam haben wir diese Karte nicht finden können.“ Und er führt aus: „Islamische Propheten haben ein Schwert in der Hand und sagen: ‚Wenn du nicht an den Islam glaubst, bringe ich dich um.‘ Christus hat Leute gerettet – von Krankheit und sogar vom Tod, und er hat niemanden getötet. Das können wir viel besser akzeptieren.“

„Oft weint man, weil etwas sehr Schlimmes passiert“, sagt Saiid ernst. „Aber manchmal weint man auch, weil etwas sehr Schönes passiert. Und die Taufe war der Anfang von etwas sehr Schönem. Viele Menschen kamen zu uns und schüttelten uns die Hände.“

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„Wir hatten im Iran viel Gutes über die Christen gehört“, pflichtet Babak bei. „Aber das hätten wir nicht erwartet. Ein ungeheuer gutes Gefühl.“

Dieses Gefühl begleitet die beiden jedes Mal, wenn sie einen Gottesdienst in der Gartenkirche besuchen. „Die Gartenkirche ist ein Ort mit Leuten, denen wir vertrauen können“, sagt Saiid mit fester Stimme. „Ob Pastor Dohrmann oder Kai, Martina und Sabine, die uns in Deutsch unterrichten – alle gehören jetzt zu unserer Familie.“

Die Gartenkirche hat sich weit geöffnet und zugleich ihr spezifisches Profil gewahrt. Vielleicht kann man sogar sagen: Gerade weil sie so ein besonderes Profil hat, verfügt sie über besondere Möglichkeiten, neue Gemeindeglieder zu integrieren. Alle merken, dass dieser Weg viel Kraft kostet. Aber keiner bereut es, ihn zu gehen.


Dieser Beitrag ist zuerst im Magazin für Psychotherapie und Seelsorge P&S des SCM Bundes-Verlags erschienen, zu dem auch Jesus.de gehört. 

 

 

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