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Neuer Anlauf: Wissenschaftler sollen Missbrauch in der Kirche untersuchen

Die Bischofskonferenz hat erneut Wissenschaftler beauftragt, die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche zu untersuchen. Psychiater und Kriminologen sollen Akten auswerten und mit Opfern und Tätern sprechen. Den Opfergruppen reicht das nicht.

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Die Deutsche Bischofskonferenz hat einen neuen Anlauf zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche gestartet. Wie der Missbrauchs-Beauftragte der Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, in Bonn mitteilte, wurde ein interdisziplinäres Forschungskonsortium mit der Studie beauftragt. "Wir wollen Klarheit und Transparenz über diese dunkle Seite in unserer Kirche", sagte Ackermann. Es gehe darum, Missbrauch in Zukunft verhindern zu können. Opfergruppen äußerten sich skeptisch.

 Leiter des Forschungsverbundes ist der Mannheimer Professor für Forensische Psychiatrie, Harald Dreßing. Zentrales Anliegen des Projekts sei es, die Erfahrungen der Opfer in den Mittelpunkt zu stellen, sagte Dreßing. Weiter sind an dem auf dreieinhalb Jahre angelegten und knapp eine Million Euro teuren Forschungsprojekt der Mannheimer Psychiater Hans-Joachim Salize, die Heidelberger Kriminologen Dieter Dölling und Dieter Hermann, die Heidelberger Gerontologen Andreas Kruse und Eric Schmitt sowie die Gießener Kriminologin Britta Bannenberg beteiligt.

 Dreßing betonte, das Forscherteam werde völlig unabhängig und nach streng wissenschaftlichen Kriterien arbeiten. Neben der Auswertung von kirchlichen Personalakten sollten nun auch Daten der Strafverfolgungsbehörden analysiert werden. Außerdem wollen die Wissenschaftler Interviews mit 100 Opfern und 70 Tätern führen. Die Erfahrungen der Opfer sollen nach Dreßings Worten zudem durch die Einrichtung eines Beirats miteinbezogen werden, in dem neben Wissenschaftlern und Kirchenvertretern auch Betroffene sitzen sollen.

 Es handelt sich um den zweiten Anlauf der Bischöfe, Forscher mit einem Aufklärungsbericht über Missbrauch in der Kirche zu beauftragen. Ein erstes Projekt zusammen mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen hatten die katholischen Bischöfe im vergangenen Jahr aufgekündigt. Der Direktor des Kriminologischen Forschugnsinstituts, Christan Pfeiffer, begrüßt den neuen Anlauf der Bischofskonferenz: "Ich finde im Prinzip den Ansatz richtig, dass man Tiefenforschung betreibt im Sinne von qualitativen Interviews mit Tätern und Opfern", sagte der Kriminologe dem Radiosender NDR Kultur. Nach Scheitern der Zusammenarbeit im vergangenen Jahr hatte Pfeiffer der katholischen Kirche vorgeworfen, Zensur auszuüben.

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 Betroffenengruppen kritisierten das neue Forschungsprojekt der Bischofskonferenz. Sie bemängelten unter anderem, dass das Projekt alle Missbrauchsopfer aus Institutionen katholischer Orden ausspare. Bischof Ackermann bestätigte, dass die Forscher keinen Zugang zu Personalakten der Orden hätten. Wohl aber würden Ergebnisse von Aufklärungsberichten einbezogen, die die Orden selbst hätten anfertigen lassen.

 Matthias Katsch vom "Eckigen Tisch", in dem sich Betroffene an Jesuitenkollegs zusammengeschlossen haben, mahnte mehr Beteiligung der Opfer an. "Aufarbeitung geht nur mit den Opfern, nicht für sie oder gar ohne sie." Heiko Schnitzler, Sprecher des Eckigen Tisches, forderte eine umfassende staatliche Untersuchung der kirchlichen Missbrauchsfälle. "Wir finden es nicht hinnehmbar, dass der Staat gerade beim Thema Missbrauch und sexueller Ausbeutung von Kindern das Ruder aus der Hand gibt."

 Auch die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" äußerte methodische Zweifel an dem Forschungsvorhaben. Es sei fraglich, "ob ein von der Deutschen Bischofskonferenz initiiertes und auch nur von ihr finanziertes Forschungsvorhaben überhaupt in der Lage sein kann, grundlegende Ursachen herauszufiltern, die sich aus der hierarchischen und zölibatären Struktur der römisch-katholischen Kirche ergeben", hieß es.

 Norbert Denef, Sprecher der Opferinteressenvertretung netzwerkB, rief den Gesetzgeber auf, Verjährungsfristen für Missbrauchstaten komplett und auch rückwirkend aufzuheben. Verjährungsfristen bei sexueller Gewalt gegen Kinder nützten nicht den Betroffenen, sondern nur den Tätern.

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(Quelle: epd)

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