SonntagsZeitung:

Das geheime Leben des Kirchenfürsten: Kyrill I. war KGB-Spion

Spionage, Ölgeschäfte und Immobiliengeschenke: Recherchen der Schweizer SonntagsZeitung haben brisante Details aus der Vergangenheit des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. zutage gefördert.

Kyrill war laut Akten der Schweizer Bundespolizei in den 70er-Jahren als Agent des russischen Geheimdienstes KGB in Genf tätig. Sein Deckname lautete „Michailow“. Er sollte Informationen über die Mitglieder des Weltkirchenrates sammeln und deren Haltung zur Sowjetunion beeinflussen, schreibt die SonntagsZeitung. Ein ehemaliger KGB-Kollege von Kyrill aus dieser Zeit beschreibe ihn als „lebensfrohen Menschen, der gerne bei Cognac und Champagner bis in die Morgenstunden feierte“. Er ging gerne Skifahren und fuhr eine weiße BMW-Limousine.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion brauchte die russisch-orthodoxe Kirche dringend Geld für ihren Wiederaufbau. Der neue russische Staat gewährte ihr deshalb Handelsprivilegien, zum Beispiel bei der Einfuhr von Zigaretten. Kyrill galt laut SonntagsZeitung als Kopf des Zigarettenhandels. Auch überließ der Staat der Kirche Ölkontingente zum Verkauf. Der damalige Patriarch Alexei II., vermutlich ebenfalls ehemaliger KGB-Agent, und Witali K., ein russischer Geschäftsmann, kümmerten sich um die Ölgeschäfte. 1998 begannen die Schweizer Behörden gegen K. wegen Geldwäscherei zu ermitteln. Das Verfahren wird wegen „mangelnder Kooperation der russischen Behörden“ eingestellt.

Kyrill entwickelt sich zum „Immobilientycoon“

Beweise für eine Verwicklung Kyrills gibt es laut der SonntagsZeitung nicht. Allerdings sei er in dieser Zeit für die Außenbeziehungen der russisch-orthodoxen Kirche zuständig gewesen und habe Alexei II. sehr nahegestanden. Auch sei er für ein Konto bei einer Schweizer Großbank zeichnungsberechtigt gewesen, auf dem zeitweise mehrere Hunderttausend Franken gelegen hätten. Angeblich sei das Geld für Ausgaben beim Weltkirchenrat verwendet worden.

Kyrill habe sich seit seiner Wahl zum Patriarchen 2009 zu einem „wahren Immobilientycoon“ entwickelt, schreibt die SonntagsZeitung. Neben seinem Amtssitz bei Moskau besitze er ein Anwesen mit Wochenendhaus in einem Moskauer Nobelviertel sowie ein Anwesen bei St. Petersburg. Dessen Umbau habe den russischen Staat etwa 40,5 Millionen Euro gekostet. Außerdem habe ein Schweizer Geschäftsmann Kyrills Cousine eine 120 Quadratmeter große Wohnung in einem St. Petersburger Luxusviertel geschenkt.

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Die Vorliebe des Patriarchen für Luxus zeige sich auch an anderer Stelle. 2009 geriet ein Foto von Kyrill mit einer rund 39.000 Euro teuren Schweizer Uhr in die Schlagzeilen. Die kirchliche Medienstelle wollte die Uhr mithilfe von Photoshop verschwinden lassen, vergaß aber die Spiegelung im Tisch. 2020 wurde Kyrill laut SonntagsZeitung mit einer deutlich billigeren Ulysse Nardin Dual Time fotografiert. Der Patriarch habe sich nie dazu geäußert, ob die Uhren ein Geschenk oder gekauft gewesen seien.

Link: Putins Patriarch war Spion in der Schweiz (SonntagsZeitung) – Zum Lesen des Artikel muss ein Account angelegt werden.

Korrektur: In einer vorherigen Version hieß es im ersten Satz „sowjetische Akten“.

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8 Kommentare

  1. Kyrill auf der dunklen Seite der Macht

    Niemand von uns ist Gott und kann daher auch nicht endgültig den Stab über Kyrill brechen. Und natürlich besitze auch ich nicht unmittelbare bzw. persönliche Infos über diesen russischen Kirchenfürsten. Allerdings ist das meiste, was uns die Medien regelmäßig berichten, nie unmittelbar nachprüfbar. Allerdings gibt es beispielsweise öffentlich-rechtliche Medien und andere vertrauenswürdige Presseblätter, die alles ganz genau recherchieren. Da ich solchen Quellen sehr vertraue, halte ich die Darlegungen für insgesamt vertrauenswürdig. Was aber schon fast töricht ist von Kyrill, selbst wenn er wider alle Wahrscheinlichkeit ein Unschuldslamm wäre: Dass er sozusagen auf Tuchfühlung mit dem russischen Regime lebt und regiert, fast wie ein Aushängeschild einer Quasi-Diktatur für ihr Gutsein und ihrer Religion. Aber niemand ist quasi per Kirchenmitgliedschaft im Versicherungsschutz des Himmels. Das Heil gibt es völlig kostenfrei und ohne menschliche Vorleistung, und zu diesem Heil rechnet die Liebe Gottes zu allen Menschen. Allerdings sind wirklich nur diejenigen Menschen auch Jesusnachfolger*innen, die seine Liebe auch im ganz normalen Leben (oder in der Art ihrer Regierung in Staat oder Kirche) praktizieren. Leider wird es zu allen Zeiten auch Scheinchristen geben. Christinnen und Christen sollte man eigentlich an ihrer Liebe erkennen. Was auch bedeutet, dass sie wenigstens den guten Willen haben, den Glauben authentisch zu leben. Staatsreligionen, oder wie in China Religionsdiener mit staatlicher Alimentierung (der Staat zahlt das Gehalt), tragen in sich einen so fast vorprogrammiertem Absturz aus ihrem Amt. Sie sind wie zahnlose Tiger, leider. Und sich hier anpassen zu müssen, unbestreitbar manchmal auch erforderlich, ist wie ein Balancieren auf einer Rasierklinge. Die Alternative einer russischen Kirche, die wirklich die Bergpredigt und zugleich den Missionsbefehl achtet, wäre in täglicher Gefahr einer staatlichen Reglementierung oder gar Verfolgung. Bei solchen Gelegenheit werde ich immer sehr dankbar, dass bei aller berechtigten Kritik wir doch in keiner Bananenrepublik leben. Unsere Kirchen in Deutschland wissen seit der Hitler, der sogar Ev. Kirchenvorstände in Wahlen infiltrierte: Eine partnerschaftliche aber kritische Distanz zum Staat ist bei uns Christenpflicht. Leid tun mir in Russland nur die vielen Menschen leid, denen Herr Kyrill mit frommem Gesicht in die Augen blickt und dabei seine wahre Haltung jeden Tag versteckt. Er wäre dann ein Wolf im Schafspelz. Da bekommt man fast etwas Mitleid. In der Sprache einer Weltraumsage ist der Kirchenfürst Kyrill auf die „dunkle Seite der Macht“ gewechselt. Entgegen der Phantasie der Drehbuchautoren hat er aber ein menschliches Gesicht behalten.

  2. Was ist jetzt tatsächlich neu (aus welcher Quelle) ans Licht gekommen, und was schon seit Jahrzehnten bekannt? Vgl. .

    • Hallo, wirklich neu sind nur die Details aus den Akten der Schweizer Bundespolizei, die die SonntagsZeitung eingesehen hat. Dort heißt es, dass Kyrill I. in den 70ern als KGB-Agent in Genf tätig war. Im ersten Satz unseres Artikels hieß es ursprünglich „sowjetische Akten“. Die beinhalteten jedoch nur die Info, dass Kyrill Agent war. Der Fehler ist jetzt ausgebessert. Danke für den entscheidenden Impuls.

      Über den Rest hatten schon andere Medien berichtet, z.B. einige russische. Die SonntagsZeitung hat diese Infos (z.B. die Beziehungen zu Schweizer Geschäftsleuten) zusammengetragen und versucht bei den Kontakten nachzufragen.

      Liebe Grüße,
      Pascal vom JDE-Team

  3. Liebes NewsTeam, warum so ein Artikel? Sind die Fakten wahr? Sind sie bildend? Sind sie erbaulich/nützlich für uns Leser? Ich musste unweigerlich an das „Erfolgsmodell“ BILD-Zeitung denken … keinesfalls ein redaktionelles Konzept, dem „Ihr“ (trotz weltlich implizierten Erfolgsversprechens) nacheifern solltet 😉

    • Guten Tag Herr Oelmann, wir werden sicher nicht der BILD nacheifern. Ich bin ein BILDBlog-Nutzer der ersten Stunde, also ein überaus kritischer Begleiter dieses Mediums. Die Fakten sind meiner Meinung nach „bildend“, im aktuellen Zusammenhang des Krieges interessant (-> Unterstützung der orthodoxen Kirche für den Krieg). Über Kyrills KGB-Verwicklungen haben unter anderem Guardian und Forbes schon 2009 berichtet. Insofern nützlich. Aber das ist nur meine persönliche Meinung. Mit besten Grüßen, Daniel vom Jesus.de-Team

  4. Ich hätte nicht gedacht, daß es im 21. Jh. noch sein kann, daß ein so skrupelloser und gieriger Machtmensch in die Spitzenposition einer christlichen Großkirche aufrückt. Irgendwie hatte ich mich der Illusion hingegeben, daß die christlichen Kirchen dem finsteren Mittelalter entrückt wären und es einen Minimalkonsens bezüglich Nächstenliebe gäbe. Sicher Machtmißbrauch, Gewalt, Gier wird es „immer“ geben, auch in christlichen Kirchen, aber so rücksichtslose und gewalttätige Menschen kämen nur noch in kleinen Sekten an die Spitze – dachte ich – wie dumm von mir.

    • Man lernt nie aus, oder ?
      Genau deshalb finde ich auch, dass hier Details nicht von Nutzen sind.
      Es reicht zu wissen, was er in der Vergangenheit war, was ja auch schon lange bekannt ist, und mit ein bisschen allgemeiner Menschenkenntinis weiß man, dass so jemand kaum vom Saulus zum Paulus sich wandelt, höchstens nur formal, heißt, er wechselt sein Amt, nicht die Gesinnung.

      All das beendet den Krieg nicht, schafft aber genügend Raum für Medien und Politik , um Putin immer noch unbehelligt zu lassen.
      Und die Kirche zusätzlich zu entmachten.

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