- Werbung -

Osteuropa: Französischer Priester forscht nach Spuren des Holocaust

Es könnte zu einem der letzten größeren Prozesse über Verbrechen aus der Zeit der Nationalsozialismus werden. Mitte Juli erhob die Staatsanwaltschaft München Anklage gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher John Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord.

- Werbung -

  Er soll 1943 im Vernichtungslager Sobibor Tausende Juden in die Gaskammern getrieben haben. Doch die organisierte Ermordung der europäischen Juden in den Konzentrationslagern ist nur eine von vielen furchtbaren Seiten des Holocaust.

Daneben gab es auch eine Praxis des Tötens, die Morde «von Mann zu Mann» umfasste, ausgeführt von deutschen Besatzern und ihren Helfern in Osteuropa. Einen «Holocaust durch Erschießen und Gewehrkugeln» nennt der französische Priester Patrick Desbois die Massaker an Juden, Zigeunern und Behinderten. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Stätten der Massenerschießungen in Osturopa aufzuspüren.

  Um das Richten und die Schuldfrage geht es dem 54-Jährigen nicht. «Ich will wissen, was geschah zwischen dem Moment, in dem ein Deutscher in ein Dorf kam, und dem Zeitpunkt, als er wieder wegging und es dort keinen Juden mehr gab», sagt der ehemalige Schüler des verstorbenen Kardinal Jean-Marie Lustiger.

  Mindestens zwei Millionen der sechs Millionen Opfer des Holocaust wurden nicht vergast, sondern von Angesicht zu Angesicht ermordet, schätzt der Priester. Von Nazi-Einsatzgruppen, aber auch von Feldgendarmen oder der ukrainischen und weißrussischen Polizei, von deutschen Bewohnern der Dörfern, selten von Soldaten der Wehrmacht.

- Werbung -

  «Wir haben 850 Orte gefunden, in denen Massenerschießungen stattfanden», berichtet der Priester, der Beauftragter der französischen Bischofskonferenz für die Beziehungen zum Judentum ist. Seit fünf Jahren sucht Desbois in der Ukraine und in Weißrussland nach Augenzeugen, stößt dank deren Angaben auf Massengräber und gräbt Leichen aus – damit die Opfer endlich ein würdiges Grab bekommen.

  Desbois arbeitet «nicht für die Justiz», sondern dafür, dass die Opfer anerkannt und die Massengräber bekannt werden. Er hat rund 1.000 Zeitzeugen befragt. Viele von ihnen mussten Juden aus dem Dorf bringen, die Gräber ausheben und sie nach der Hinrichtung wieder zuschütten: «Diese Leute wurden für einen Tag zwangsverpflichtet, und sie wollen heute reden, bevor sie sterben. Es bleiben nur noch wenige Jahre, um diese Zeugen zu finden und die Beweise zu sammeln.»

  In seinem Buch «Porteur de mémoires» (2007), das kürzlich auf Deutsch erschienen ist, beschreibt der Priester, wie er zu seinem Engagement kam. Desbois entschied sich für die Priesterausbildung, nachdem er drei Monate als Freiwilliger bei Mutter Teresa in Kalkutta gearbeitet hatte. Als Priester und Leiter von Pilgergruppen wurde ihm deutlich, wie gering die Kenntnisse der französischen Pilger über den Holocaust waren. Ab 1997 organisierte er Studienreisen für Katholiken nach Auschwitz und in andere Konzentrationslager. In Gesprächen mit Zeitzeugen in ukrainischen Dörfern über das Geschehen während der NS-Zeit stieß Desbois darauf, dass es vielfach auch ganz öffentliche Erschießungen von Juden gab.

  «In vielen Dörfern hielten die Nazis jüdische Frauen als Sexsklaven der Gestapo. Berlin wusste davon nichts», erfuhr der katholische Priester bei seinen Erkundungen. Finanziert werden die Recherchen des Priesters im Rahmen des Vereins «Yahad – In Unum» bisher von der französischen Stiftung zur Erinnerung an die Schoah sowie mit Spenden.

- Werbung -

  «Mein Traum ist es nun, alte Deutsche zu treffen, gerne anonym, die als Soldaten solchen Massakern aus der Ferne oder der Nähe beigewohnt und die das im Gedächtnis behalten haben», sagt Desbois. In den bundesdeutschen Archiven stoße er zumeist nur auf Täter, die wegen ihrer Mitwirkung an der Ermordung der Juden angeklagt wurden: «Die Stimme von unschuldigen Deutschen fehlt, die mit der Armee nach Osten geschickt wurden und diese Morde erlebt haben, obwohl sie sie nicht guthießen.»

(Quelle: epd)

Konnten wir dich inspirieren?

Jesus.de ist gemeinnützig und spendenfinanziert – christlicher, positiver Journalismus für Menschen, die aus dem Glauben leben wollen. Magst du uns helfen, das Angebot finanziell mitzutragen?

NEWSLETTER

BLICKPUNKT - unser Tagesrückblick
täglich von Mo. bis Fr.

Wie wir Deine persönlichen Daten schützen, erfährst du in unserer Datenschutzerklärung.
Abmeldung im NL selbst oder per Mail an info@jesus.de

Zuletzt veröffentlicht