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Religionsphilosoph: Es geht um mehr als Beschneidung

Die Debatte um das Recht auf Beschneidung in Deutschland habe Religionskritiker dazu gebracht, den Ton rauer werden zu lassen, meint der Religionsphilosoph Thomas M. Schmidt in einem Essay im Berliner "Tagesspiegel". Es sei jedoch richtig, dass der Konflikt ausgeführt werden, sagt Schmidt. "Glaube hinterlässt Spuren."

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Schmidt studierte römisch-katholische Theologie und Philosophie. Seit 2003 ist er Professor für Religionsphilosophie am Fachbereich Katholische Theologie am Institut für Philosophie der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main. Zur Zeit ist er Fellow am Max-Weber-Kolleg in Erfurt. In seinem ausführlichen Essay für den "Tagesspiegel" schreibt er, hinter der Debatte nach dem Kölner Beschneidungsurteil liege die Auseinandersetzung zwischen Säkularisten und Religiösen. "Der Ton wird rauer. Die Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern des Kölner Urteils zur Beschneidung nimmt eine Schärfe an, die befürchten lässt, es drohe eine Art geistiger Bürgerkrieg", so Schmidt. Er plädiert allerdings dafür, "einen kühlen Kopf zu bewahren".

Das Kölner Urteil veranlasse einige Religionskritiker dazu, aus der Verteidigung säkularen Rechts die Verbreitung einer "aggressiven säkularistischen Ideologie" zu machen. "Säkular" bedeute dabei die Hypothese, dass die moderne Welt faktisch immer religionsloser werde. Der "Säkularismus" wiederum   fordere, dass sie es werden solle. Schmidt: "Das Kölner Urteil kann daher für Säkularisten erst der Anfang sein, alle religiösen Praktiken, die sie grundsätzlich für gefährlich, krankhaft oder mindestens lächerlich halten, einzudämmen und aus dem öffentlichen Raum zu verbannen." Ein solcher "militanter Säkularismus" drohe über das Ziel hinaus zu schießen und sich selbst lächerlich zu machen.

Denn, so erinnert Schmidt, drei Viertel der männlichen Bewohner der USA lasse etwa allein aus hygienischen Gründen eine Beschneidung vornehmen. "Wird jetzt als Nächstes das Stechen von Ohrlöchern bei Minderjährigen verboten?" Auch Tattoos müssten dann irgendwann verboten werden, so Schmidt. "Soll als Nächstes die Taufe von Kindern verboten werden?" Auch andere Entscheidungen, die den Lebenslauf und die Identität eines Menschen maßgeblich bestimmen, würden von anderen Menschen getroffen, von Eltern, Erziehern und Lehrern. "Sind körperliche Eingriffe wirklich immer tiefgreifender und bleibender als seelische?", fragt der Religionsphilosoph. Über die Augenfarbe oder die Muttersprache, ja, die Erziehung selbst könne das Kind ebenfalls nicht mitbestimmen.

"Authentischer Glaube ist einschneidend"

Schmidt folgert: "Der Staat hält sich hier mit guten Gründen zurück und erlaubt eine große Bandbreite von Weltanschauungen und Lebensstilen." Gleichzeitig betont er die Wichtigkeit von Freiheit eines jeden Menschen. "Die Freiheit des Einzelnen, die in der Tat das alles entscheidende und unverzichtbare Prinzip moralischer Bewertung ist, stellt eine Medaille mit zwei Seiten dar." Auf der einen Seite stehe Autonomie, das Prinzip der Selbstgesetzgebung, auf der anderen Seite stehe Authentizität: "das Streben danach, ein Leben zu führen, das Bedeutung und tiefen Gehalt besitzt".

Beim Konflikt zwischen säkularem Recht und Religion träfen die zwei Aspekte der Freiheit aufeinander. "Das Miteinander zwischen religiösen und säkularen Bürgern muss offenbar neu verhandelt werden." Die Zahl der Atheisten und Konfessionslosen sei durch den Fall der Mauer in Deutschland deutlich gestiegen, konstatiert Schmidt.

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Es sei aber richtig, den Konflikt auszutragen. "Weil Religion und Recht einschneidend sind, wenn sie nicht belanglos bleiben, werden auch die Konflikte zwischen ihnen stets schmerzhaft sein", so Schmidt. Es sollte jedoch nicht zur "rechthaberischen Raserei" werden, "in der einer wütend auf den anderen eindrischt".

"Judentum und Islam erinnern ausgerechnet das Christentum, die Religion der Inkarnation, an seine Fleischvergessenheit. Gott ist nicht ein bloßes Kopfprodukt, ein Gegenstand von reiner Lehre und Rechtfertigung. Religion hat ihren Sitz im wirklichen, gelebten Leben, in Praktiken, Ritualen, in Haltungen." Judentum und Islam erinnerten das Christentum an die "Körperlichkeit". Authentischer Glaube sei einschneidend, so Schmidt. "Glaube hinterlässt Spuren."

(Quelle: Christliches Medienmagazin Pro)

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