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So nutze ich als Christ den Verheißungs-Schlüssel

Gebote und Verbote markieren Grenzen, Verheißungen die Ideallinie – sie zeigen, wie wir am besten zum Ziel kommen. Über ein biblisches Denkmuster, das wir neu entdecken sollten.

Von Ulrich Wendel

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Vor vielen Jahren habe ich ihn kennengelernt: einen kleinen, drahtigen Leitungsmitarbeiter in meiner damaligen Gemeinde. Er war Arzt, vielseitig begabt und strahlte in meinen Augen Willensstärke und Entscheidungsfreude aus. Als Patient fühlte man sich bei ihm in guten Händen, die Gemeinde profitierte von seinen Stärken. Deshalb war ich ganz überrascht, als er einmal sagte, zu Hause in der Familie falle ihm das Entscheiden eher schwer, er brauche lange Gespräche und müsse sich zu Entschlüssen durchringen.

Paulus entwickelt Maßstäbe

Das hat mir noch einmal klargemacht: In Entscheidungssituationen kommen irgendwann alle an ihre Grenzen – auch die Willensstarken. Entscheidungen sind eine anspruchsvolle Aufgabe. Dabei ist unser Alltag voll davon! Beruf, Kinder, ich selbst, Zeitplanung, große Linien – was sollte ich tun, was besser lassen? Entscheidungen treffen – eine Predigt dazu dürfte populär sein. Dass es hier keine einfachen Lösungen gibt, ahnen wir. Sehnen wir uns nicht trotzdem nach einer Formel, die Situationen sortiert und Entscheidungen fördert? Die Einfahrt ins Bibelbergwerk wird hier keinen Universalschlüssel zutage fördern. Aber wir stoßen auf ein „Flöz“, das ausgesprochen ertragreich ist.

Gehen wir dazu nach Ephesus – in die Gemeinde, in der Timotheus vermutlich lebte. Auch die Christen dort mussten ihren Weg finden, inmitten eines Feldes voller Optionen. Gesellschaftliche Fragen wurden diskutiert und verschiedenste Wortführer versuchten Einfluss zu nehmen. Ein umstrittenes Thema war die Frage nach Genuss und Askese. Manche in der Gemeinde scheinen einen Hang zu Luxus und Freizügigkeit gehabt zu haben. Andere propagierten Verzicht und Entsagung.

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In die konträren Strömungen hinein gibt Paulus seinem Schüler Timotheus ein paar Kriterien für gute Entscheidungen an die Hand. Genau hier fahren wir in den Stollen des 1. Timotheusbriefes ein:

„Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Danksagung empfangen wird. Ja, es ist geheiligt durch Gottes Wort und durch Gebet. Wenn du dies den Brüdern und Schwestern darlegst, wirst du ein rechter Diener Christi Jesu sein, genährt von den Worten des Glaubens und der guten Lehre, der du gefolgt bist. Die unsäglichen Altweibergeschichten aber weise zurück! Übe dich dagegen in der Frömmigkeit. Denn die körperliche Ertüchtigung ist für weniges gut, die Frömmigkeit hingegen ist für alles gut: Sie trägt die Verheißung des Lebens in sich, des jetzigen und des künftigen.“ (1.Tim 4,4-8; Zürcher)

Wie verhalten sich die guten Gaben des Schöpfers zur „körperlichen Ertüchtigung“, also zu Entsagung und Askese? Auf diese Frage gibt Paulus Antworten. Aus ihrer Struktur können wir für uns Entscheidungskriterien ableiten, die auch auf andere Fragen anwendbar sind.

Worauf liegt ein Versprechen?

Das ergiebigste Kriterium scheint mir, was in diesem Abschnitt zuletzt genannt wird: die Verheißung. Wenn wir für Wege eine Verheißung Gottes finden – dann sind sie gangbar und gut. Erkennen wir dagegen keine Verheißung, dann könnte man zwar weiter darüber nachdenken, ob und wann dieser Weg dennoch infrage kommt. Aber es wird nicht der Königsweg sein. Wir finden kaum die bestmögliche Lösung, wenn Gott kein Versprechen daran geknüpft hat.

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Für die Fragen in Ephesus zeigt sich: Auf Askese liegt keine große Verheißung. Doch seine Beziehung zu Gott zu pflegen und zu gestalten (das heißt ja: Frömmigkeit), darauf liegt ein unvergleichlich großes Versprechen. Es ist bemerkenswert, wie differenziert Paulus hier vorgeht: Er spricht der körperlichen Ertüchtigung nicht die Berechtigung ab. Er legt kein Alles-oder-nichts-Schema an. Aber viel Verheißungspotential kann er nicht finden in der Askese-Thematik. Deshalb ermutigt er auch nicht dazu, diese Spur weiterzuverfolgen. Sinnvoller ist es, alles auf die Karte zu setzen, die die beste Verheißung hat: die Ausdrucksformen des persönlichen Umgangs mit Gott (die Frömmigkeit).

Paulus führt die Kategorie der Verheißung fast beiläufig ein, doch ich finde: Er hebt damit die Angelegenheit auf eine ganz andere Ebene. Wir sind es gewohnt, bei großen ethischen Entscheidungen zu fragen: Ist das in Gottes Augen erlaubt oder verboten? Damit richten wir meist eine Art Zaun auf: Was diesseits des Zauns ist, dürfen wir tun; was jenseits des Zauns liegt, ist nicht gestattet. Und wie wir Menschen nun einmal sind: Oft versuchen wir, die ganze Bandbreite des Erlaubten auszunutzen. Wir nähern uns gern den Zäunen. Wir fragen uns, ob das Gras auf der anderen Seite nicht doch viel grüner ist. Gibt es vielleicht irgendwo ein Loch, durch das wir mal nach drüben greifen können?

Für mich sind Gottes Verheißungen wie eine hell erleuchtete Startbahn auf dem Flugplatz.

Gebote und Verbote markieren Außengrenzen. Mit Verheißungen aber ist es ganz anders: Sie markieren die Ideallinie. Sie zeigen, wie man am besten zum Ziel kommt. Für mich sind Gottes Verheißungen wie eine hell erleuchtete Startbahn auf dem Flugplatz. Jeder Pilot wird sich an diesen Mittelmarkierungen orientieren. Auf der Grasnarbe dicht am Zaun wird er kaum gut abheben können.

Je länger ich mich mit Gottes Verheißungen beschäftige, desto klarer sehe ich sie als ein sehr gutes Entscheidungskriterium. Hat Gott etwas für eine bestimmte Sache versprochen? Ja oder nein – oder kaum? Damit klärt sich für mich vieles.

Verheißungen im Praxistest

Ein paar Beispiele. 1994 traten in einer kanadischen Gemeinde Phänomene auf, die schnell als „Toronto-Segen“ bezeichnet wurden: körperliche Manifestationen wie Ekstase, Lachen oder Ohnmacht. Von heute aus gesehen ist das fast schon ein abgeschlossenes Kapitel der neueren Kirchengeschichte, doch zu Beginn wurde die Sache heiß diskutiert. Viele flogen nach Toronto, um diese Art des Ergriffenseins mitzuerleben. Es gab Versuche, die Phänomene biblisch einzuordnen, und natürlich auch heftigste Warnungen und Verrisse. Mit der paulinischen Kategorie der Verheißung hätte man – finde ich – schnell Klarheit schaffen können: Egal, was aus welchem Grund und aus welcher Inspirationsquelle in Toronto passierte – ja, haben wir denn eine Verheißung dafür, dass so etwas passieren soll? Wenn nein, dann bleib doch lieber zu Hause und investiere in die „Frömmigkeit“ – in deine Gottesbeziehung!

Andere Beispiele sind sicher relevanter für uns heute. Müssen wir die Säkularisierung unserer Gesellschaft beklagen? Dass zum Beispiel immer weniger Politiker nach Gott zu fragen scheinen? Gegenfrage: Ist uns denn eine christlich geprägte Gesellschaft verheißen? Ein „christliches Abendland“ gar? Falls nicht: Warum dann die Empörung mancherorts?

Oder im Bereich der persönlichen Lebensführung: Wie gern würden wir es manchmal dem biblischen Gideon gleichtun und Gott „ein Vlies vorlegen“ – das heißt: ein eindeutiges Erkennungszeichen für eine Ja/Nein-Frage aushandeln. Sicher: Gott hatte sich auf die Versuchsanordnung von Gideon damals eingelassen (Ri 6,36-40). Insofern ist die Sache also biblisch. Doch hat Gott versprochen, dass er seine Kinder so leiten möchte? Wenn nein – sollte ich seinen Willen nicht besser auf andere Weise zu erfahren suchen? Auf der verheißenen Ideallinie; auf der erleuchteten „Startbahn“?

Gut ist alles, wofür man Gott danken kann.

Auf die Frage, was man lassen muss und was man tun darf, sagt Paulus: Gut ist alles, wofür man Gott danken kann. Essen, Trinken, Sex, Alkohol, eine Urlaubsreise, ein Wellnessabend – all das ist demnach nicht schon von vornherein verdächtig. Ob man Gott allerdings auch für den Seitensprung mit der Sportmannschafts-Kollegin danken kann oder für den Geschäftsabschluss, der durch Falschinformation zustande kam, wäre die Frage.

Gut ist alles, wofür man beten kann (es wird „geheiligt durch Gebet“). Gut ist alles, was ich auf Gottes Schöpferwort zurückführen kann („geheiligt durch Gottes Wort“). Erfinder- und Forschergeist des Menschen gehören bestimmt dazu. Ob aber auch das Eingreifen ins menschliche Genom von der Ermächtigung durch den Schöpfer abgedeckt ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Gleiches gilt für die Fähigkeit des Menschen, ungeborenes Leben zu beenden.

Wie Paulus’ Schlüsselfragen uns stark machen

Die Kriterien von Paulus gehen über das hinaus, was Gebote und Verbote leisten können. Warum sind sie überlegen? Unter anderem deshalb, weil sie starke Auswirkungen haben. Sie bringen uns als Menschen in der Nachfolge Jesu voran. Das können wir aus den Formulierungen von Paulus zusammentragen. Wer den Verheißungs-Schlüssel nutzt, wer eine Sache nach Dank- und Gebetsfähigkeit beurteilt, der …

• wird urteilsfähig und unabhängig von menschlichen Meinungen. So entsteht reifes, mündiges Christsein.
• stärkt die eigene Gottesbeziehung. Klar: Wenn ich überlege, ob ich für eine Sache danken oder beten kann und ob sie Gottes Schöpferabsicht entspricht, dann komme ich mit Gott ins Gespräch. Und jedes Gebet ist Beziehungsstärkung.
• bekommt Rückenwind für sein Engagement. Je mehr ich darauf achte, was Gott versprochen hat, desto umfassender wird meine Hoffnung. Hoffnung wiederum ist ein starker Motivationsschub und führt zu Ausdauer (1.Tim 4,10). Ich merke das selbst gerade: Ich vertiefe mich bewusst in Gottes Verheißungen (siehe „Lesetipp“) und merke, wie Leichtigkeit in meinen Alltag kommt. Mein Blick richtet sich darauf, was Gott tun will, und bleibt nicht nur an meinen Pflichten hängen.
• versorgt sich mit Energie (1.Tim 4,6). Mein seelisch-geistlicher Stoffwechsel kommt in Gang, meine Energiezufuhr wird stabil, wenn ich mich „von den Worten des Glaubens nähre“. Und das tue ich, sagt Paulus, wenn ich den Entscheidungsschlüsseln folge, die er eben präsentiert hat.
• wird vitalisiert, indem er Zugang zum „Leben, dem jetzigen und dem künftigen“ bekommt (1.Tim 4,8).

Paulus gibt mehr als nur einen einzigen Maßstab an.

Was hilft uns, gute Entscheidungen zu treffen? Paulus gibt mehr als nur einen einzigen Maßstab an. Statt eines Generalschlüssels bekommen wir einen Schlüsselbund, bei dem je nach Situation mal der eine, mal der andere mehr erschließt. Für mich zeigt sich momentan der Verheißungs-Schlüssel als der beste. Wir können ihn umso effektiver anwenden, je mehr wir uns im Klaren darüber sind, was Gott denn alles versprochen hat (und was nicht). Hier spielt der Zeitfaktor eine Rolle – die Zeit, die wir investieren, um uns mit den Verheißungen der Bibel zu befassen.

Unser Leben ist heute deutlich komplexer als das der Christen in Ephesus. Unsere vielen Optionen stehen noch konträrer zueinander als zu Zeiten von Paulus und Timotheus. Die Tragfähigkeit von Gottes Versprechen aber ist ungemindert – davon bin ich überzeugt.

Dr. Ulrich Wendel ist Programmleiter für Bibel und Theologie bei SCM R.Brockhaus, Chefredakteur von Faszination Bibel und Herausgeber verschiedener Bibelausgaben.

Dieser Artikel ist in der Zeitschrift AUFATMEN erschienen. AUFATMEN wird vom SCM Bundes-Verlag herausgegeben, zu dem auch Jesus.de gehört.


Lesetipp:

Tamara Hinz / Ulrich Wendel: Das Buch der Versprechen – die Bibel mit allen Verheißungen Gottes für dich. Die Verheißungsbibel ist im Verlag R.Brockhaus erschienen, der wie Jesus.de zur SCM gehört.


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