Auf dem Marktplatz von Wunsiedel darf keine Gedenkveranstaltung für den früheren Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß stattfinden.
Mit dieser Entscheidung lehnte die Stadt Wunsiedel am Mittwochabend einen Antrag des Rechtsextremisten Christian Bärthel ab, der am Samstag im Zentrum der oberfränkischen Stadt einen «Gedenkgottesdienst» für Heß veranstalten wollte. Durch die Verherrlichung eines führenden Repräsentanten des Machtapparates des «Dritten Reichs» würde die Würde der NS-Opfer verletzt, hieß es zur Begründung. «Ein Gedenken am Marktplatz oder auch anderswo» erfülle den Tatbestand der Volksverhetzung.
Heß, der bis zu seinem Tod 1987 im Kriegsverbrechergefängnis Berlin-Spandau inhaftiert war, wurde 1988 auf dem Wunsiedler Friedhof bestattet. Seitdem fanden regelmäßig Neonazi-Kundgebungen in der Stadt statt; erst 2005 wurden diese «Gedenkmärsche» verboten. Das Grab wurde am 20. Juli auf Antrag der Familie aufgelöst, die sterblichen Überreste wurden verbrannt. Die Asche soll auf offener See verstreut werden.
Eine Sondernutzung des Marktplatzes für die Veranstaltung, auch wenn sie als «Gottesdienst» deklariert werde, könne die Stadt Wunsiedel nicht erlauben, teilte die Stadt mit. «Die religiöse Betätigungsfreiheit des Grundgesetzes verliert auch grundsätzlich ihren Schutz, soweit die rechtliche oder sittliche Grundanschauung unserer Kulturvölker entgegensteht. Einen religiösen Schutz zum Gedenken an einen verurteilten Kriegsverbrecher kann es nicht geben.»
Der Rechtsextremist Bärthel aus dem thüringischen Ronneburg bezeichnete sich in seinem Antrag selbst als «Evangelist». Seinen geplanten «Rudolf-Heß-Gedenkgottesdienst» kündigte er auch als einen Ort «zur Buße über begangenes Unrecht» an. Bei diesem «Gottesdienst» unter freiem Himmel sei vorgesehen, «christliche Lieder zu singen, zu beten und zu predigen», wie es in dem Antrag an das Landratsamt heißt. Ausdrücklich beruft sich Bärthel auf das im Grundgesetz verankerte Recht auf freie Religionsausübung.
Bärthel gilt in der einschlägigen Szene als eine schillernde Figur. Dort wurde er unter anderem als Anhänger der sogenannten Kommissarischen Reichsregierung bekannt: Diese Gruppe sieht sich als «Exilregierung» des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1937 und bestreitet die völkerrechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland. Wegen Volksverhetzung und anderer Straftatbestände wurde Bärthel im Jahr 2007 zu einer zehnmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.
(Quelle: epd)