Bundespräsident Christian Wulff erntet mit seinen Äußerungen zur Bedeutung des Islam in Deutschland Zustimmung wie Widerspruch.
Wulffs Rede beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit am Sonntag in Bremen sei ein Zeichen gewesen, dass die Muslime keine Bürger zweiter Klasse sind, sagte Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland. Der CSU-Politiker Norbert Geis sowie konservative Christen kritisierten die Feststellung, dass der Islam ebenso wie Judentum und Christentum zu Deutschland gehöre. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verlangte am Montag erneut die bedingungslose Anerkennung des Grundgesetzes durch die in Deutschland lebenden Muslime.
Der Bundespräsident hatte sich am 20. Jahrestag der deutschen Einheit als Präsident aller Menschen bezeichnet, die in Deutschland leben, und dabei ausdrücklich die Muslime einbezogen. Zudem stellte Wulff den Islam in eine Reihe mit dem Christen- und dem Judentum. «Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland», sagte Wulff.
Der Zentralrats-Vorsitzende Mazyek sagte der «Bild»-Zeitung (Montagsausgabe): «Durch diese Rede wird ein Ruck durch die muslimische Gesellschaft gehen.» Die Worte des Präsidenten seien ein wichtiges Signal für alle Muslime in Deutschland. Verschiedene Lebensentwürfe und Vielfalt seien erwünscht.
Der katholische Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke äußerte Zustimmung und Bedenken. Es sei gut, dass Wulff den Muslimen die Hand reiche. Doch sei Deutschland immer noch stark von der christlichen Kultur und Tradition geprägt. «Und ich kämpfe dafür, dass wir diese nicht preisgeben», sagte Jaschke der «Bild»-Zeitung: «Die Muslime müssen die gewachsene Mehrheitskultur in unserem Land respektieren.»
Ähnlich argumentierte auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Geis. Dass vier Millionen Muslime in Deutschland leben, sei Realität. Doch sei das Land durch eine 2.000 Jahre alte christlich-jüdische Vergangenheit geprägt. «Wir wollen, dass das christliche Abendland christlich weiterbesteht», sagte Geis im Deutschlandfunk. Außerdem verlangte er Offenheit von Muslimen und Christen im Bemühen um Integration.
Bundeskanzlerin Merkel räumte in Berlin ein, dass die Wahrnehmung des Islam vielfach vom islamischen Rechtssystem der Scharia und von fehlender Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau «bis hin zum Ehrenmord» geprägt sei. Das sei nicht der Islam, doch es gebe solche Facetten. Die Regierungschefin verlangte in diesem Zusammenhang Verfassungstreue von den Muslimen in Deutschland. Die Grundwerte des Grundgesetzes seien zu respektieren.
Die evangelikale «Konferenz Bekennender Gemeinschaften», erklärte, Wulffs Satz «Der Islam gehört zu Deutschland» müsse widersprochen werden. Nicht der Islam gehöre zu Deutschland, sondern die hier lebenden Muslime, wenn sie die Verfassung bejahten und sich integrieren wollten, sagte der Bundesvorsitzende und Hamburger Pastor Ulrich Rüß. Mit seiner Formulierung bestätige und fördere Wulff Befürchtungen einer zunehmenden Islamisierung Deutschlands und Europas. Die Konferenz ist eine Sammlung von glaubenskonservativen Christen in den evangelischen Landeskirchen.
(Quelle: epd)