Die am Montag erlassene vorläufige Verfassung Ägyptens ruft immer mehr Kritik von Seiten der christlichen Bevölkerung hervor. "Die Bestimmungen, die nach Ansicht der Christen schon in der alten Verfassung schlecht waren, werden im neuen Text noch mehr hervorgehoben.", erklärt der koptisch-katholische Bischof Botros Fahim Awad Hanna.
Besonders der Artikel 1 des neuen Verfassungstexts, der die Scharia als grundlegende Quelle für die Gesetzgebung definiert, alarmiert die ägyptischen Christen. Die Auslegung der Scharia muss demnach in Einvernehmen mit der Interpretation in den ersten Jahrhunderten des Islams erfolgen. Außerdem ist in der provisorischen Verfassung der Artikel 3 verschwunden, der Christen und Juden eigene kanonische Richtlinien für die Regelung persönlicher und religiöser Fragen gestattet.
Die koptisch-orthodoxe Kirche hat nun eine Kommission aus Juristen und christlichen Politikern damit beauftragt, kritische Anmerkungen zur neuen Verfassung in einem Memorandum zusammenzufassen. "Wenn wir nicht jetzt unsere Stimme erheben, dann werden wir gar kein Mitspracherecht haben", meint Bischof Hanna.
Die provisorische Verfassung wurde in der Nacht vom Montag per Dekret von Interims-Präsident Adly Mansour erlassen. Sie soll wenigstens sechs Monate in Kraft bleiben und stellt einen wichtigen Schritt im Leitplan der mit der Entmachtung von Mohammed Mursi begonnenen Übergangsphase dar.