Wenn es in Kirchengemeinden eher ernst und steif zugeht, kann ein einfacher Tipp helfen: die Gemeinde mit Kinderaugen betrachten.
Von Rick Bundschuh
Gegenüber von unserem Haus befindet sich ein leeres Grundstück. Wenn es stark regnet, ziehen die Kinder aus der Nachbarschaft ihre Regenklamotten an, schlüpfen in ihre Gummistiefel und machen sich auf den Weg zu dem leeren Grundstück, wo sie durch Schlammpfützen stapfen, rollen und rutschen. Sogar durch den prasselnden Regen kann man ihre Freudenschreie hören, wenn sie ihren Körper mit einer neuen Schlammschicht bedecken. Als Kind macht es Spaß, sich schmutzig zu machen. Es macht Spaß, sich von Kopf bis Fuß zu beschmieren! Manchmal sehe ich ihnen durch das Fenster zu, und es sieht wirklich nach Spaß aus.
Aber ich bin erwachsen. Und ich habe einen ernsten Job. Ich muss über Dinge nachdenken, die eine Ewigkeitsperspektive haben. Ich muss Predigten und Bibelarbeiten schreiben, griechische Wortwurzeln erforschen und wichtige Gespräche führen.
„Als erwachsene Christen nehmen wir uns vielleicht zu ernst. Vielleicht brauchen wir einen guten Sprung in den Schlamm.“
Die Jünger Jesu waren auch ernst. Sie mussten Heilungen durchführen, Massenspeisungen organisieren, sich mit den Pharisäern und Sadduzäern auseinandersetzen und die wachsende Menge unter Kontrolle halten. Es ging auch um Geld. Es ging um Verpflegung und Unterkunft für eine schnell wachsende Gruppe von Jüngern und Followern.
Als die Kinder auftauchten, wurden sie von den Jüngern ausgesperrt. Lästige, unreife Parasiten. »Hey, verzieht euch!«, rief wahrscheinlich einer. Und weil er der Jesus ist, den wir zu kennen glauben, der uns aber immer wieder einen Strich durch die Rechnung macht, schimpft er mit seinen Jüngern, ignoriert die Erwachsenen und lädt die Kinder ein, mit ihm herumzualbern. Er hat ihnen sogar eine Lektion erteilt:
„Lasst die Kinder zu mir kommen und haltet sie nicht zurück, denn Menschen wie ihnen gehört Gottes Reich.“
Lukas 18,16
Ich habe das Gefühl, dass mir oft vorgeworfen wird: »Du bist doch nur ein großes Kind« – vielleicht eines der größten Komplimente meiner Karriere. Ja! Das bin ich wirklich! Und solange die anderen großen Kinder und ich hier etwas zu sagen haben, werden wir auch weiterhin einige Gottesdienste mit viel Konfetti beenden und Mitarbeitertreffen abhalten, bei denen wir uns darüber freuen, was das in unserer Gemeinde auslöst.
Wir werden weiterhin Zitate aus Herr der Ringe in unseren Predigten verwenden, lustige Zettel im Gemeindebüro verteilen, inspirierende Poster an die Wände des Gemeindehauses kleben und Air-Soft im großen Saal spielen. Wir werden weiterhin die kindlichen Möglichkeiten nutzen, die mit dem Wort »vielleicht« verbunden sind, wenn wir über die Dinge des Reiches Gottes nachdenken.
„Vielleicht müssen wir weniger an den Feinheiten der Theologie arbeiten und mehr an unserer Vorstellungskraft.“
Vielleicht sollten wir weniger Sitzungen abhalten und mehr Zeit miteinander verbringen. Vielleicht sollten wir daran glauben, dass jeder von uns das sein kann, wovon er träumt – und vielleicht sollten wir einander ermutigen und an die Träume der anderen glauben. Vielleicht sollten wir damit beginnen, unsere erwachsenen Mitmenschen zum Träumen zu ermutigen. Vielleicht sollten wir, die wir denken, wir wüssten viel, uns wie neugierige Kinder verhalten, die offen zugeben, wenig zu wissen, aber begierig darauf sind, mehr zu lernen. Das würde vielen der heiklen theologischen Debatten, die wir Erwachsene so gerne führen, eine völlig neue Perspektive geben.
Vielleicht sollten wir uns eingestehen, dass wir wie Kinder sind, die in Erwachsenenschuhen herumlaufen und Kleider aus dem Kleiderschrank ihrer Eltern tragen. Vor allem, wenn es darum geht, wie Jesus zu sein. Vielleicht sollten wir an einem Sonntagmorgen Kaugummis verteilen und unserer Gemeinde sagen, dass niemand gehen darf, bevor er nicht eine Kaugummiblase damit gemacht und sie zum Platzen gebracht hat. Vielleicht sollten wir vorschreiben, dass unser Leitungsteam einen von der Gemeinde bezahlten Erholungsurlaub miteinander verbringt (ohne Diskussionen über Gemeindethemen). Ich wette, sie würden mit mehr Spaß an der Arbeit zurückkommen.
Vielleicht würden mehr Menschen die christliche Gemeinschaft interessanter finden, wenn wir eine wilde Zeit hätten, anstatt bei dem Gedanken daran zusammenzuzucken.
Vielleicht wären unsere Herzen lebendiger, abenteuerlustiger und ausgelassener, wenn wir einfache, vertrauensvolle und unverkrampfte Nachfolger Jesu wären.
Vielleicht könnten wir bei Meinungsverschiedenheiten mit jemandem den Weg eines Kindes gehen, das bereit ist, jeden Tag zu einem neuen Tag zu machen und den Konflikt entweder zu vergessen oder zu vergeben, damit der Kreislauf des Spiels nicht unterbrochen wird. Ein solcher Ansatz würde Ehen und allen anderen zwischenmenschlichen Beziehungen helfen. Und: Vielleicht gäbe es eine Menge wirklich interessanter Veränderungen, wenn wir anfangen würden, die wesentlichen Elemente eines Kindes zu übernehmen.
Ich könnte mir wahrscheinlich noch viel mehr einfallen lassen und diese Gedanken ausweiten und vertiefen. Aber es regnet. Die Kinder sind schon in ihren Gummistiefeln auf dem Weg zum Grundstück gegenüber – und ich denke, ich ziehe meine guten Sachen aus und mache mich mit ihnen schmutzig.
Dieser Artikel wurde von Rick Bundschuh verfasst und zuerst in seinem Buch „Don’t rock the boat, capsize it“ veröffentlicht. Bundschuh ist Pastor der Kauai Christian Fellowship, Autor, Redner und Cartoonist. Die deutsche Version des Artikels erschien auf der Seite MrJugendarbeit – übersetzt von Esther Penner.
Dem Heiligen Geist keine Knüppel zwischen die Beine werfen
„Vielleicht könnten wir bei Meinungsverschiedenheiten mit jemandem den Weg eines Kindes gehen, das bereit ist, jeden Tag zu einem neuen Tag zu machen und den Konflikt entweder zu vergessen oder zu vergeben, damit der Kreislauf des Spiels nicht unterbrochen wird. Ein solcher Ansatz würde Ehen und allen anderen zwischenmenschlichen Beziehungen helfen“! Das halte ich für eine gute Idee. Konflikte würde ich vorschlagen sie nicht zu vergessen, dann würden sie weiter brodeln und wir würden uns die Fehler gegenseitig immer wieder auf`s Brot schmieren. Vergeben ist besser und vielleicht öfter auch zu Kompromissen zu kommen. Der Neuzeitliche Mensch der letzten 100.000 Jahren war sehr kommunikativ und jeder dieser Menschen hat in seinem Leben etwa 1000 andere Menschen kennengelernt. Hieraus wächst immens Kooperationsbereitschaft und damit Fortschritt. Dies würde heute in unsere Partnerschaften, Familien und das soziale Umfeld, aber auch global, eine fast völlig andere Weltlage
ermöglichen: Wenn Menschen sich gemeinsam ihre Fehler nicht gegenseitig aufrechnen, sondern gemeinsam aus ihren Fehlern zu lernen. Als die Menschen noch keine Dörfer und Städte bauten und von der Natur lebten, fast wie im Paradies, alles teilten und gegenseitig oft von neuen Ideen profitierten, etwa das Feuer nicht nur vor der Hütte sondern in ihr anzuzünden, und für Rauchabzug zu sorgen, war dies ein Quantensprung der Entwicklung. Später erfand man das Rad. Kommunikation ist notwendig. Die Einsicht. wenn es meinen Nebenmenschen gutgeht, deshalb auch mir gutgeht, dann geht es bald allen gut. Wir alle sitzen im gleichen Boot. Daraus ist im Altertum die Goldene Regel geworden, nämlich was man vom anderen Menschen erwartet, ihm auch selbst zuzugestehen. Dies alles nennt man eine soziale und dann auch kulturelle Entwicklung. Der Hinauswurf aus dem Paradies, aus der Gottesnähe, hat uns geholfen und wir sind als Menschheit hier in der Schule Gottes. Die Wirklichkeit vor uns läuft wie ein Drama ab und wir sollen Schlussfolgerungen daraus ziehen. Denn auch die Massenvernichtungswaffen schaffen eine Realität des Schreckens, wenn wir sie loben wegen dem strategischen Gleichgewicht, ohne zu berücksichtigen, daß sie aus Gründen von Irrtum und Versagen hundertmal gefährlicher sind als die Atomkraftwerke oder mit einem Flugzeug abzustürzen. Wir glauben doch dass Gott in allen Dingen ist, eine allesumfassende Wirklichkeit darstellt und wir können also – jedenfalls haben wir hier dieses ganz große Vertrauen – selbst mit dem Tode nicht in einen unendlichen Abgrund fallen. Wir gehen zurück zu Gott, da wo wir auch herkommen und wo unendliche Geborgenheit und Liebe herrscht: Es gibt unendlichen Grund zu Optimismus. Vielleicht wären so unsere Herzen lebendiger, abenteuerlustiger und ausgelassener, wenn wir einfach vertrauensvoller und unverkrampfter die Nachfolger Jesu wären. Denn wie überliefert ist, sind die Lasten Jesu leicht und lassen sich tragen. Am Ende wird alles gut und selbst auf Erden die Schwerter zu Pflugscharen und Krieg geächtet. Die Friedfertigen werden nach der Bergpredigt als die Guten eingeschätzt und wenn ich zuerst den Fehler bei mir suche, vielleicht als Balken in meinem Auge, kann dies wunderbar ansteckend sein.
Ist dies ein Märchen: Nein, nur es geschieht wenn wir es tun und das Himmelreich auch kommen lassen, denn der Geist weht nur wo wir ihm keine Knüppel zwischen die Beine werfen.