- Werbung -

Welches Bild hat Gott von uns?

Wie sehen wir Gott? Und wie sieht er uns? Gedanken zum Gleichnis vom verlorenen Sohn.

Von Pfarrer Moor Jovanovski

- Werbung -

Wir sind als Familie vor einigen Wochen umgezogen. Meine Frau und ich waren bei der Wohnungssuche sozusagen die Vorhut. Wenn wir ein Objekt gefunden hatten, das infrage kam, haben wir unsere Kinder zur Besichtigung mitgenommen. Wir wollten als Familie eine gemeinsame Vorstellung von unserem neuen Zuhause haben. Dabei fiel mir auf, dass jeder Einzelne von uns seine eigenen Wünsche, Ansichten und Ansprüche hatte, um mit dem neuen Zuhause einverstanden zu sein. Während ich beispielsweise auf Lage, technische Ausstattung und energetische Aspekte ein Augenmerk legte, war für meine Tochter lediglich wichtig, ob sie in ihrem Zimmer genug Platz zum Tanzen haben würde. Mein Sohn achtete darauf, dass sich seine Hantelbank gut integrieren ließ.

Am meisten staunte ich über meine Frau. Sie ging durch jeden Raum, begutachtete den Außenbereich und auch die Nachbarschaft. In ihrem Inneren schien sich ein Bild zu formen, das mehr als nur die Frage nach einer neuen Adresse beantwortete. Dieses Bild musste in seiner Gesamtheit der Frage standhalten, ob dies unser Zuhause sein konnte. Ein Zuhause ist nämlich etwas anderes als ein Gebäude oder eine Ortschaft. Ein Zuhause ist ein Ort der Identität. Als wir nach der Besichtigung in den Entscheidungsprozess einstiegen, offenbarte mir meine Frau ihr inneres Bild. Es war tatsächlich eine Offenbarung, denn sie hatte für jeden Raum einzeln und auch in der Gesamtheit eine Vorstellung, wie sich das Zuhause anfühlen und wie es aussehen könnte. So konnten wir uns nicht nur für einen neuen Wohnort entscheiden, sondern für ein wirkliches Zuhause.

Bilder von Gott

Das erinnerte mich daran, wie sehr innere Bilder, die auf Erfahrungen und Wünschen basieren, mein Handeln und mein Entscheiden beeinflussen. Wenn man sich etwas nicht wirklich vorstellen kann, geht man dem in der Regel nicht weiter nach. Wenn ich mir aber etwas vorstellen kann, will ich es meistens sehen und erleben. Aus diesem Grund, glaube ich, sprechen und denken wir von Gott auch in Bildern und haben unsere inneren Vorstellungen. Wir verbinden unsere Erfahrungen und Wünsche mit dem, wie Gott sein könnte und vielleicht auch, wie er unserer Meinung nach zu sein hätte. Das ist menschlich, und das darf auch so sein.

Gott selbst gibt uns in der Bibel viel „Stoff“, damit wir eine innere Vorstellung von ihm kreieren können. Ich denke, dass es für Gott in Ordnung ist, wenn wir uns ein Bild von ihm machen. Das widerspricht übrigens nicht dem „Bildnisverbot“ aus 5. Mose 5,8. Denn in diesem Zusammenhang geht es darum, sich keine „Abbilder“ aus der Natur oder den Himmelskörpern zu machen, um diese dann anzubeten. Ein Gebot, dass das Volk Israel davor bewahren sollte, auf die Religionen anderer Völker „hereinzufallen“. Denn diese Dinge sind von Gott erschaffen und nicht Gott selbst. Gott verbietet aber nicht Erfahrungen mit und Vorstellungen von ihm.

- Werbung -

Über eine innere Vorstellung bekommen wir einen existenziellen Zugang, der wichtig für unser Leben ist. Denn darum geht es Gott: dass wir das Leben leben. Und allein hierfür bedarf es nicht nur eines, sondern vieler innerer Bilder.

Ein Zuhause bei Gott

Zwei Dinge sind mir wichtig geworden: Zum einen darf in meiner inneren Welt das Denken über Gott immer davon geprägt sein, dass sich das persönliche Bild von Gott entwickelt. Zum anderen darf ich mir auch immer wieder Gedanken darüber machen, welches Bild Gott von mir hat (meiner Erfahrung nach hat das noch mehr Tiefe). Und als persönliches Motiv für beides empfehle ich, das Ziel zu haben, sich darin zu Hause zu fühlen. Denn es geht weniger um Rechtgläubigkeit als um Identität.

Und hierfür scheint es mir wichtig, dass es nicht ein absolutes (und auch nicht mein absolutes) Bild von Gott geben kann. Mir muss immer klar sein, dass mir ein inneres Bild hilft, in meinen Erfahrungen und Wünschen mit Gott weiterzukommen, dass dieses Bild nie vollständig sein wird und dass es immer der Ergänzung und Erweiterung bedarf. Für mich wäre es ein Problem, wenn jemand meint, von einem abgeschlossenen, fertigen inneren Bild von Gott sprechen zu können.

Mir muss immer klar sein, dass mein inneres Bild nie vollständig sein wird und dass es immer der Ergänzung und Erweiterung bedarf.

Kann man denn ein Bild von Gott haben, das zu einem Zuhause werden kann? Man kann es versuchen. Aus der Bibel gewinne ich anhand der Aussagen über Gott eine Vorstellung, die mein Leben prägen kann. Zum Beispiel ist es möglich zu sagen, dass Gott hilfsbereit ist, weil in der Bibel steht, dass er sich auch um Randgruppen kümmert. Ich kann davon ausgehen, dass Gott sich für mein Leben interessiert, denn er hat schon vielen anderen Menschen aus schwierigen Situationen geholfen. Ich darf erwarten, dass etwas Unmögliches und zugleich Hilfreiches geschieht – schließlich ist er auch auf dem Wasser gelaufen und hat Tote auferweckt. Und so lassen sich die Annahmen fortführen.

- Werbung -

Wenn man aufmerksam die Bibel liest, begegnet man Ereignissen und auch Menschen, an denen Eigenschaften Gottes sichtbar und greifbar werden. Und daraus kann sich ein inneres Bild ergeben, das mir hilft, mir Gott etwas genauer vorzustellen. Ich persönlich erlebe, dass ich darin zur Ruhe kommen kann. Denn ich muss mir Gott nicht ausdenken. Er ist. Er handelt. Darin erlebe ich ein Zuhause. Noch mehr Zuhause entsteht, wenn ich mir vor Augen halte, wie Gott mich sieht. Das ist heilsam anders.

Gottes Bild von uns

Jesus erzählt seinen Jüngern die Geschichte vom verlorenen Sohn (nachzulesen in Lukas 15), um zu verdeutlichen, dass Gott vermutlich die Menschen anders sieht, als diese es meinen. Weil es eine gleichnishafte Geschichte ist, möchte ich sie etwas weiterdenken. Diese Geschichte wird von Christen nicht selten auch verkürzt und für Menschen reserviert, die Gott noch kennenlernen müssen.

Interessant ist, dass der verlorene Sohn den Vater schon kannte. Dennoch lief er davon. Oder kannte er ihn vielleicht doch nicht richtig und verließ ihn deshalb? Wie kann ein Mensch, der eigentlich alles hat, sich aus dem Staub machen und dem den Rücken kehren, der sich so sehr um ihn bemüht hatte.

Vielleicht ist die launische Natur des Menschen Teil einer Antwort hierauf. Aber noch mehr bewegt mich die Frage, warum sich der Vater so unfassbar über die Rückkehr dieses abgeirrten Sohnes freute? Denn in der damaligen Kultur hatte der Sohn den Vater und die Familie beschämt, was nahezu unverzeihlich war. Warum wartete der Vater aber scheinbar so sehnsüchtig auf die Rückkehr des Sohnes, dass er mit einem Freudenfest alles vergessen machte? Warum war der Vater sogar bereit, innerfamiliäre Kritik in Kauf zu nehmen? Der Versuch meiner Antwort lautet: Weil Gott so ist. Er sieht nicht den Verrat, er sieht das Bedürfnis. Er sieht nicht die launische Natur, er sieht die Zugehörigkeit. Er sieht nicht die Rechtgläubigkeit, sondern die Notwendigkeit. Er sieht eine Person, die liebesbedürftig und liebenswert ist und handelt. Und er weiß: Nur er kann so lieben. Nur er kann so verzeihen.

Und vielleicht hatte der Vater auch so ein inneres Bild von seinem Sohn, das ihn motivierte, auf seine Rückkehr zu warten. Er sah ihn glücklich strahlend, mit kostbarer Kleidung und familiärem Schmuck. Den gescheiterten jungen Mann blendete er aus. Der Vater wusste, wie der Sohn wirklich ist. Und er ließ sich nicht von der gebrochenen äußeren Hülle, die sein Sohn bei seiner Rückkehr hatte, blenden.

Gott sieht eine Person, die liebesbedürftig und liebenswert ist.

Heilsam anders

Vielleicht ahnte der Sohn auch, dass der Vater ihn so sah. Schließlich fasst er den Entschluss, zu ihm zurückzukehren. Wäre er davon ausgegangen, dass der Vater nur das sehen würde, was auch seiner Realität als mittelloser Tagelöhner entsprach, wäre er vermutlich nicht zurückgekehrt. Aber weil er womöglich ahnte und hoffte, dass sein Vater ihn anders sehen würde, als es seine Realität widerspiegelte, traute er sich und schlug den Heimweg ein. Das Bild seines Vaters wurde sein Zuhause.

Erst in seiner Vermutung, dann in Wirklichkeit. Und als er ankam, übertraf das, was er dort vorfand, sogar noch seine kühnsten Vorstellungen. Weil der Vater offensichtlich das Bild, dass er von seinem Sohn hatte, nicht aufgegeben hatte, konnte dieser wieder nach Hause kommen. Bei seiner Rückkehr änderte sich vielleicht auch das Bild, dass der Sohn von seinem Vater hatte. Vielleicht wurden alle falschen Annahmen, schlechten Erfahrungen, Enttäuschungen und Missverständnisse sozusagen überschrieben. Und er sah seinen Vater so, wie er war. Der Sohn war nun nicht nur äußerlich wieder zu Hause, sondern auch innerlich.

In dem, wie Gott mich sieht, kann ich zu Hause sein.

Aus diesem Grund glaube ich, dass die Sicht Gottes auf dich und mich ganz persönlich, heilsam, anders ist. Wie Gott mich sieht und wie er aufgrund dessen handelt, darf nicht nur meinen Selbstwert und mein Selbstverständnis prägen, sondern es darf auch meine Sicht auf und meine Ansichten über Gott definieren. Ich bin sicher: In dem, wie Gott mich sieht, kann ich zu Hause sein.



Dieser Artikel ist in der Zeitschrift Family erschienen. Family ist ein Angebot des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.

Weiterlesen:

Konnten wir dich inspirieren?

Jesus.de ist gemeinnützig und spendenfinanziert – christlicher, positiver Journalismus für Menschen, die aus dem Glauben leben wollen. Magst du uns helfen, das Angebot finanziell mitzutragen?

NEWSLETTER

BLICKPUNKT - unser Tagesrückblick
täglich von Mo. bis Fr.

Wie wir Deine persönlichen Daten schützen, erfährst du in unserer Datenschutzerklärung.
Abmeldung im NL selbst oder per Mail an info@jesus.de

Zuletzt veröffentlicht

WICHTIG:

Wenn du einen Kommentar schreibst, erklärst du dich mit unseren Nutzungsbedingungen einverstanden.

5 Kommentare

  1. Gott, als das, der oder die, von außen auf uns Menschen blickt. Dieser Blick von außen ist mindestens ebenso wichtig, wie die innere Einstellung dazu, denn ohne Selbstreflexion erhalte ich überhaupt kein Bild dessen, was wirklich ist, wer ich wirklich bin und woran ich noch arbeiten muss.

    Zwischen Gott und mir steht die Verhandlungsmasse dessen, der sich aus ihm ergibt und von mir fordert, dass ich ihm nachfolge. Das bedeutet, ich lasse mich auf sein Leben mit mir ein und verharre nicht in einer Art Krise, die sich aus welchen Umständen auch immer ergibt. Gott steht mit mir durch, was ich ihm anvertraut habe, sodass in ihm immer das Vertrauen zur Geltung kommt, das ich als Mensch ihm entgegebringe.

  2. Die Frage lautet nicht ‚wie sieht Gott uns‘ sondern ‚wie glauben wir, dass Gott uns sieht‘.

    Denn es ist eine Rückreflexion unseres eigenen Glaubens.

    > Das widerspricht übrigens nicht dem „Bildnisverbot“ aus 5. Mose 5,8. Denn in diesem Zusammenhang geht es darum, sich keine „Abbilder“ aus der Natur oder den Himmelskörpern zu machen, um diese dann anzubeten.

    Das kann man natürlich so eng interpretieren. Aber das halte ich für falsch. Gott ist mit seiner Allmacht jenseits unserer Vorstellungen. Wir sind gar nicht in der Lage, seine Motive wirklich zu verstehen. Das merkt man insbesondere an der Theodizee-Frage, auf die es keine wirklich befriedigende Antwort gibt. Eben weil ihr ein enges Gottesbild zugrunde liegt.

    Ich denke, wir Menschen haben genug damit zu tun, wie wir selbst sind. Wir müssen Gott dazu nicht in ein enges Korsett spannen.

    ‚Wir sollen und kein Bildnis von Gott machen‘. Machen wir es doch einfach auch nicht. Widerstehen wir der Faszination, Gott kleiner und damit für uns verständlicher zu machen.

    • Gott ist Liebe

      Natürlich, liebe Chey, ist meine/unsere Antwort wie Gott uns sieht, immer eine Meinung. Aber Jesus war das liebende Angesicht Gottes. Das war ebenfalls die Erkenntnis bereits der Urgemeinde und auch von jenen, die ihn nicht mehr persönlich erlebten. Wir sehen also in Jesus, in dem Gott gewissermaßen ganz wohnte dann so, wie er selbst das wollte. Daher geht in erster Linie nicht um Moral bzw. Ethik, sondern Liebe. Aber dies ist immer subjektiv, denn etwas wirklich objektives können wir nur durch die Brille der Subjektivität wahrnehmen. Auf Erden sehen wir Gott nur wie in einem dunklen Spiegel. Im übrigen war Gott für jüdische Menschen auch früher so heilig, daß man seinen Namen eigentlich kaum aussprach. Aber Jesus hat uns Gott versinnbildlicht, auch in seinen Gleichnissen etwa vom Verlorenen Sohn, wie ein liebender Papa, also ganz verdichtet in Beziehung. Aber eben dies war die Konfliktlinie zwischen damaligen Berufstheologen, den Schriftgelehrten. Mit dem Menschensohn Jesus haben wir einen menschlichen Gott, der uns in Jesus deutlich wird. So funktioniert dies. Leider gibt es die schlechte Angewohnheit Gott unsere eigenen Vorurteile in den Mund zu legen, auch durch die Bibelautoren. Die waren nicht unfrei davon, etwas ihrer eigenen Sichtweise beizusteuern. Und dann sind wir bei den Widersprüchen, die nicht die Überlieferung selbst besitzt, sondern jene die sie kommunizierten.

      • Die Bibel ist das Wort das Gott für die Menschheit hinterlassen hat. Das wird angenommen, um seinen Lebensweg überhaupt gehen zu können, sodass die Grundlast zwar erhalten bleibt, jedoch auf dem Weg durch die Zeit an Gewicht verliert, was sie an Gehalt gewinnen kann. Am leichtesten kann ich Gott als Rohmasse verstehen, die sich in ihrer Substanz nicht veträndert, auch wenn diese am Anfang ganz anders verkörpert ist als sie am Ende aussieht. Der Weg von der Rohmasse hin zur Substanz, die in ihrer endgültigen Form bereits beschrieben ist, wurde für mich endlich begreifbar im Glauben von Jesus, der damit seine Geburt für mich als Mutter bestätigt hat..

        Wie kann ich aus dieser Rolle, die ich nun einmal mit dem Vater teile, die Rohmasse in ihrer Substanz für meine Kinder erhalten?

        Ich glaube, sie sind an meiner Rolle gewachsen und lieben ihren Vater, sodass ich mir um ihr Leben keine Sorgen machen muss, denn alles Weitere liegt in Gottes Hand.

  3. Gottes Sicht auf uns ist sehr liebevoll

    Nach den Überlieferungen unserer Bibel von Glaubens- und Gotteserfahrung beider Testamente ergibt sich – mehr noch im Neuen Testament – daß Gott unendliche Liebe und Barmherzigkeit ist. Er ist entsprechend der Sprache Jesu, aramäisch, ein liebender Vater und zugleich die liebende Mutter und wir dürfen ihn nach dieser Formulierung Jesu Papa nennen. Schon die Urgemeinde wusste, da bei Glaube, Hoffnung und Liebe nur die Liebe die Größte unter diesen Dreien ist. Was auch biblisch überliefert ist, daß wenn selbst auch wir als sehr fehlerhafte Eltern aber die Kindern nie etwas antun werden. Deshalb wirft Gott kein Feuer vom Himmel und sendet den Menschensohn Jesus als Messias, um das Feuer unserer Fehler und Lieblosigkeit zu löschen. Denn Jesus hatte diese Liebe gelebt, er wird als Baby geboren und stirbt hingerichtet an einem Kreuz. Größere Liebe kann es nicht geben. Dieses Geschehen ist eine Einladung, sich nun ebenfalls mit Gott zu versöhnen und am Ende aller Zeiten werden sich so alle Menschen mit Gott auch frewillig versöhnen. Die Strafe lag auf Jesus, damit wir Frieden hätten. Daher möchte der Schöpfer aller Dinge, dass wir Liebe praktizieren nicht nur zu den Mitmenschen, sondern auch zu den Tieren und gegenüber der gesamten Schöpfung. So einfach und doch so schwierig ist es, eine Christin und ein Christ zu sein. Alles was wir tun, sollte diese Dankbarkeit zu Gott immer im Blick haben, denn die Menschheit wird nicht hingerichtet, sondern aufgerichtet. Denn wir Liebe übt, tut nichts böses. Was böse oder gut ist, dazu hat uns der Himmel das Gewissen gegeben.

WAS KANNST DU ZUM GESPRÄCH BEITRAGEN?

Bitte gib hier deinen Kommentar ein
Bitte gib hier deinen Namen ein